Eine erfolgreiche Vaterschaftsanfechtung zieht keinen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nach sich, auch wenn diese sich allein vom deutschen Vater her ableitete. Dies gelte, obwohl die Anfechtung die Vaterschaft rückwirkend auf den Zeitpunkt der Geburt entfallen lasse, bestätigt das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg. Es fehle eine gesetzliche Grundlage, die den Verlust der Staatsangehörigkeit ausdrücklich anordne.
Streit um deutsche Staatsangehörigkeit nach Vaterschaftsanfechtung
Als die Klägerin 2019 geboren wurde, war ihre ausländische Mutter mit einem deutschen Staatsangehörigen verheiratet. Nach Scheidung der Ehe stellte das Familiengericht 2020 auf Antrag der Mutter und der Klägerin fest, dass ihr Vater nicht der geschiedene Ehemann ist, sondern ein ausländischer Staatsangehöriger. Die von der Klägerin beantragte Feststellung ihrer deutschen Staatsangehörigkeit lehnte die Hansestadt Lüneburg mit der Begründung ab, die Klägerin habe die mit ihrer Geburt erworbene deutsche Staatsangehörigkeit durch die vor dem Familiengericht erfolgte Vaterschaftsanfechtung rückwirkend verloren. Auf die hiergegen gerichtete Klage hat das VG Lüneburg die Hansestadt Lüneburg verpflichtet, festzustellen, dass die Klägerin die deutsche Staatsangehörigkeit innehat. Die erfolgreiche Anfechtung der Vaterschaft bleibe ohne Auswirkungen auf die Staatsangehörigkeit der Klägerin, da keine gesetzliche Regelung existiere, die in diesem Fall den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit anordne.
OVG bestätigt: Rechtsgrundlage für Verlust der Staatsangehörigkeit fehlt
Das OVG sieht dies genauso und hat die Berufung der Hansestadt Lüneburg zurückgewiesen. Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG fordere eine gesetzliche Grundlage, die den Verlust der Staatsangehörigkeit ausdrücklich anordne. An einer solchen fehle es in der vorliegenden Konstellation. Die einschlägige zivilrechtliche Norm des § 1599 Abs. 1 BGB lege nur die familienrechtlichen Folgen der Vaterschaftsanfechtung fest. Die staatsangehörigkeitsrechtliche Norm des § 4 Abs. 1 Satz 1 StAG regele den Erwerb, nicht aber den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit.
Verlust der Staatsangehörigkeit zumindest nicht ausdrücklich angeordnet
Der Gesetzgeber sei zwar davon ausgegangen, dass diese Regelungen nach allgemeiner hergebrachter Rechtsüberzeugung an zwei ungeschriebene Annahmen anknüpften. Danach wirke erstens die Anfechtung der Vaterschaft auf den Zeitpunkt der Geburt des Kindes zurück. Zweitens folgten die staatsangehörigkeitsrechtlichen Regelungen in vollem Umfang den familienrechtlichen Abstammungsvorschriften, das heißt die Staatsangehörigkeit entfalle bei erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung. Der Gesetzgeber habe den hiermit verbundenen Verlust der Staatsangehörigkeit aber selbst nicht ausdrücklich angeordnet. Eine solche Anordnung ergebe sich auch nicht aus § 17 StAG. Dessen Absatz 1 liste zwar verschiedene Verlustgründe auf, nenne die erfolgreiche Vaterschaftsanfechtung jedoch nicht. Auch Absatz 2 und Absatz 3 Satz 1 Variante 3 der Vorschrift bestimmten nur die Folgen eines in einem anderen Gesetz vorgesehenen Verlusts der deutschen Staatsangehörigkeit, ordneten diesen Verlust selbst jedoch nicht an. Das OVG hat die Revision zum BVerwG nicht zugelassen (Urt. v. 25.05.2023 - 13 LC 287/22).
Weiterführende Links
Aus der Datenbank beck-online
- Anm. zu VG Düsseldorf, Kein Verlust der Staatsangehörigkeit des Kindes wegen Anfechtung der Vaterschaft, NZFam 2021, 931
- BVerfG, Verlust der Staatsangehörigkeit eines Kindes infolge Vaterschaftsanfechtung, NZFam 2019, 813 (m. Anm. Zimmermann)
- BVerwG, Staatsangehörigkeitsverlust durch Vaterschaftsanfechtung, NZFam 2018, 648 (m. Anm. Zimmermann)