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Überlanger Dateiname hindert ordnungsgemäße Einreichung nicht

BVerfG
Wenn ein Schrift­satz die gel­ten­den tech­ni­schen Vor­aus­set­zun­gen für einen Ver­sand über das be­son­de­re an­walt­li­che Post­fach (beA) er­füllt, ist er ord­nungs­ge­mäß ein­ge­reicht, auch wenn das Ge­richt ihn auf­grund tech­ni­scher Pro­ble­me nicht der Ge­richts­ak­te bei­fügt. In die­sem Fall muss das Ge­richt mit sei­ner Ent­schei­dung so lange war­ten, bis es den Schrift­satz zur Kennt­nis neh­men kann. An­de­ren­falls ver­letzt es dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt zu­fol­ge den An­spruch auf recht­li­ches Gehör.

Dateiname zu lang für gerichtliche Verarbeitung

Eine Frau wehrte sich dagegen, dass ihr Vater und seine jetzige Frau einen volljährigen Mann – den Sohn einer langjährigen Freundin – adoptieren. Zunächst widersprach sie der Adoption selbst: Sie teilte dem Gericht mit, dass es Zweck der Annahme sei, ihren eigenen Erb- und Pflichtteilsanteil zu kürzen. Außerdem gebe es gar kein Näheverhältnis zwischen ihren Eltern und dem Mann, das eine Adoption rechtfertigen würde. Sie forderte die Übersendung der Antragsschrift, um damit zum Rechtsanwalt zu gehen. Dieser verfasste innerhalb der gesetzten Frist eine Stellungnahme, in der er ihre obigen Argumente substanziiert darlegte. Er fügte einen Handelsregisterauszug bei, der einen über 90 Zeichen langen vom Registerportal vergebenen – und unverändert übernommenen – Dateinamen enthielt. Die Versendung über das beA gelang ohne Probleme. Allerdings erreichte das AG Tostedt drei Tage nach Versand vom Servicedesk des zentralen IT-Betriebs der niedersächsischen Justiz eine Meldung, wonach die Nachricht wegen des langen Dateinamens nicht an das Gericht weitergeschickt werden könne. Eine Woche später sprach das Gericht die Adoption aus, ohne den anwaltlichen Schriftsatz zur Kenntnis genommen zu haben. Wiederum eine Woche später wurde der Anwalt erst über den zu langen Dateinamen informiert. Die Anhörungsrüge war erfolglos. Die Frau erhob erfolgreich die Verfassungsbeschwerde zum BVerfG.

Verletzung rechtlichen Gehörs

Laut BVerfG verletzte das AG die Frau in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG, indem es über den Adoptionsantrag entschieden hat, ohne den anwaltlichen Schriftsatz zu lesen. Ein Verschulden des Gerichts, wie zB eine Einsortierung des Dokuments in eine falsche Akte, sei dabei nicht erforderlich. Der Schriftsatz sei auch ordnungsgemäß eingereicht worden. Insbesondere verstoße die Vergabe des langen Dateinamens nicht gegen §§ 2 und 5 ERVV aF (in der bis 31.12.2021 geltenden Fassung, vgl. aber die jetzige 2. Elektronischer-Rechtsverkehr-Bekanntmachung 2022 zu § 5 ERRV), diese schrieben zwar eine Obergrenze für das Gesamtvolumen und die Anzahl der Dokumente einer Nachricht vor, auf die Dateinamenlänge gingen sie allerdings nicht ein. Lasse sich trotz Erfüllung aller technischen Voraussetzungen die Datei nicht verarbeiten, steht das der 3. Kammer des Ersten Senats zufolge einer ordnungsgemäßen Einreichung nicht entgegen, wenn sich der Inhalt des Dokuments im Nachhinein einwandfrei erkennen lässt. Anders wohl nur, wenn die Datei mit Viren befallen oder verschlüsselt wäre. Der Gehörsverstoß sei im Anhörungsrügeverfahren nicht geheilt worden und es sei nicht ausgeschlossen, dass der Adoptionsbeschluss anders ausgefallen wäre, wenn das Gericht den anwaltlichen Schriftsatz zur Kenntnis genommen hätte.

Rechtsfolge: Beseitigung der Rechtskraft der Adoption

Das BVerfG verwies die Sache an das AG Tostedt zurück, um darüber zu entscheiden, ob die Adoption auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beschwerdeführerin bestehen bleibt oder aufgehoben wird. Bis dahin blieben die Wirkungen der Adoption bestehen (Beschl. v. 16.02.2023 - 1 Bvr 1881/21).

Weiterführende Links

Aus der Datenbank beck-online

  • BVerfG, Heilung eines Gehörsverstoßes im Anhörungsrügeverfahren, BeckRS 2019, 16042
  • Bergen, Das rechtliche Gehör, BWNotZ 1996, 137
  • BVerfG, Zur Verletzung des rechtlichen Gehörs, BVerfGE 47, 182

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