Die EU-Sortenschutzregelung, die einen pauschalen Mindestschadensersatz in Höhe einer vierfachen Lizenzgebühr für eine wiederholte vorsätzliche Verletzung der Pflicht zur Zahlung einer angemessenen Ausnahmeentschädigung für den Nachbau einer geschützten Sorte vorsieht, ist ungültig. Laut Europäischem Gerichtshof verstößt sie unter anderem gegen das unionsrechtliche Verbot eines Strafschadensersatzes.
Schadensersatz wegen unberechtigten Nachbaus geschützter Sorte gefordert
Eine Vereinigung von Sortenschutzinhabern geschützter Pflanzensorten forderte von einem Landwirt Schadensersatz, weil er unberechtigt Erntegut der geschützten Wintergerstensorte KWS Meridian zur Wiederaussaat (Nachbau) verwendet hatte. Art. 18 Abs. 2 der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 1768/95 sieht vor, dass der Sortenschutzinhaber bei einer wiederholten vorsätzlichen Verletzung einen auf der Grundlage der vierfachen Lizenzgebühr berechneten Mindestpauschalbetrag verlangen kann. Das mit dem Streit befasste OLG Zweibrücken bezweifelte die Gültigkeit dieser Regelung und rief deshalb den EuGH an.
EuGH: Regelung über pauschalen Mindestschadensersatz ungültig
Der EuGH hat in seinem Urteil festgestellt, dass die streitige Bestimmung ungültig ist. Die Kommission habe die Grenzen ihrer Durchführungsbefugnis überschritten. Denn die Bestimmung lege einen Mindestpauschalbetrag fest, der unter Bezugnahme auf den Durchschnittsbetrag der Lizenzgebühr berechnet werde. Der Betrag dieser Gebühr könne aber für sich allein nicht als Grundlage für die Bemessung des Schadens dienen, da sie nicht zwangsläufig mit diesem in Zusammenhang stehe. Außerdem verstoße der Mindestpauschalbetrag gegen die Pflicht des Sortenschutzinhabers, den Umfang des erlittenen Schadens nachzuweisen. Denn die Bestimmung setze lediglich den Nachweis voraus, dass die Rechte des Sortenschutzinhabers wiederholt vorsätzlich verletzt worden seien. Laut EuGH verstößt die Bestimmung außerdem gegen das unionsrechtliche Verbot einer Verurteilung zu Strafschadensersatz. Schließlich schränke sie das Ermessen des mit der Sache befassten Gerichts in unzulässiger Weise ein, indem sie eine unwiderlegbare Vermutung hinsichtlich des Mindestumfangs des dem Sortenschutzinhaber entstandenen Schadens aufstelle (Urt. v. 16.03.2023 - C-522/21).
Weiterführende Links
Aus der Datenbank beck-online
- OLG Zweibrücken, Vorabentscheidungsersuchen zur Frage der Zulässigkeit eines pauschalisierten Mindestschadens in Höhe der vierfachen Lizenzgebühr nach dem Gemeinschaftssortenrecht, GRUR-RS 2021, 26002