chb_rsw_logo_mit_welle_trans
Banner Jubiläumslogo
NVwZ Editorial

Das deutsche Verwaltungsrecht nach dem Klimagutachten des IGH

Professorin Dr. Jelena Bäumler, Leuphana Universität Lüneburg

18/2025

Am 23.7.2025 legte der IGH sein wegweisendes Klimagutachten vor. Die UN-Generalversammlung hatte zum einen nach den Pflichten der Staaten im Hinblick auf den Klimawandel und zum anderen nach deren Staatenverantwortlichkeit gefragt. Im Rahmen seines Gutachtens stellt der Gerichtshof nun klar, dass staatliche Pflichten, das Klima nicht weiter zu schädigen und es zu schützen, neben dem Klimaregime (Klimarahmenkonvention, Kyoto-Protokoll und Pariser Abkommen) aus dem völkergewohnheitsrechtlichen Schädigungsverbot und Kooperationspflichten, den Menschenrechten und dem Seerecht folgen. 

Dabei handelt es sich um verbindliche Rechtspflichten. Insbesondere in Bezug auf das Pariser Abkommen hat der Gerichtshof letzte Zweifel daran ausgeräumt, es könne sich um ein unverbindliches Instrument handeln. Ziel des Abkommens sei es, die Erwärmung auf 1,5 °C zu beschränken; die ebenfalls genannten 2 °C seien nachrangig. Dieses Ziel gelte es durch die Festlegung nationaler Beiträge zu erreichen. Insoweit seien die Staaten nicht völlig frei, sondern vielmehr verpflichtet, sukzessive und progressive Klimabeiträge zu definieren, die geeignet sind, das völkerrechtlich vereinbarte 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Es finde der Grundsatz der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und jeweiligen Fähigkeiten Anwendung: Weiter entwickelte Staaten, die nicht nur über eine erhöhte Leistungsfähigkeit verfügen, sondern auch historisch stärker zum Klimawandel beigetragen haben, müssen entsprechend höhere Beiträge leisten (s. dazu auch Ekardt/Heß, NVwZ 2025, 1297).

Der Gerichtshof stellte auch klar, dass Staaten durch die Verletzung ihrer Klimapflichten schadensersatzpflichtig werden können. Trotz Schwierigkeiten bei Kausalität und Zurechnung gilt das Recht der Staatenverantwortlichkeit auch für Klimaverstöße. Denn – und dieser Gedanke ist zentral – das Klima ist ein globales Gemeinschaftsgut. Klimaschädigendes Verhalten führt zur Schädigung dieses Gemeinschaftsgutes sowie zu Schäden an Staaten, deren Territorien, an Menschen und ihren Rechten, insbesondere dem – ausdrücklich vom IGH anerkannten – Recht auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt. Daher bestätigt der IGH, dass Klimapflichten erga omnes Charakter haben, also von jedem Staat gegenüber jedem anderen Staat geltend gemacht werden können.

Sind dies Feststellungen, die nur für das Völkerrecht von Bedeutung sind? Mitnichten. Vielmehr ist das Gutachten des IGH auch für das deutsche Verwaltungsrecht von zentraler Relevanz. Denn das Grundgesetz verlangt die Einhaltung völkerrechtlicher Pflichten über Art. 25 und 59 II GG und – im Falle der Klimapflichten – auch über Art. 20a GG, wie das BVerfG in seinem Klimabeschluss von 2021 (NVwZ 2021, 951) bestätigt hat.

Für das Verwaltungsrecht bedeutet dies letztlich ein tiefgreifendes Klimabewusstsein auf allen Ebenen des verwaltungsrechtlichen Handelns – sowohl bei der Auslegung des einfachen Rechts als auch bei Ermessensentscheidungen. Das Gutachten wandelt durch seine nüchterne Stringenz die Klimaziele in ein selbst auferlegtes Diktat, das es tagtäglich zu beachten gilt. Klimaschutz ist nicht bloß eine politische Entscheidung nach couleur und gusto, sondern eine völkerrechtliche Verpflichtung, der Deutschland als leistungsfähiges Mitglied der internationalen Gemeinschaft nachzukommen hat.

PDF-Download

Anzeigen:

NvWZ Werbebanner
VerwaltungsR PLUS Werbebanner

BECK Stellenmarkt

Teilen:

Menü