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NVwZ Editorial

Die Mittlerfunktion der Landräte

Professor Dr. Hans-Günter Henneke, Gf. Präsidialmitglied des Deutschen Landkreistags Berlin/Osnabrück

16/2023

Foto vom Autor Editorial 16-2023 HenneckeDie Begleitung der Landratsstichwahl im Landkreis Sonneberg mit einer beachtlichen Wahlbeteiligung von 59,6% durch Medien und Politik war gigantisch. Das Nichtwissen, wer dort für welche Aufgaben in welches Amt gewählt wurde, ebenfalls. Medienvertreter und Bundespolitiker blickten nicht vorrangig auf den Landkreis, sondern auf die vermeintlichen Fernwirken auf die Landtage in Erfurt, Dresden und Potsdam und den Bundestag. Sie sahen Dämme brechen und Brandmauern einstürzen. Obwohl alle Beteiligten vor der Stichwahl genug Zeit hatten, sich mit der Situation vor Ort vertraut zu machen, sah der Generalsekretär einer großen Volkspartei die zentrale Aufgabe eines Landrates in der Organisation von Abstimmungen über Fußgängerüberwege zur Feuerwache. Und eine als Außenreporterin bei zahlreichen Bundestagsund Landtagswahlsendungen gestählte Moderatorin im öffentlich-rechtlichen Qualitätsfernsehen hob die repräsentative Rolle eines Landrats hervor, „zum Beispiel bei Feuerwehrfesten und Einweihungsfeiern.“

Dem mit deutlicher Mehrheit gewählten Kandidaten, von dem man nur weiß, dass er ortsansässiger Rechtsanwalt ist und für eine vom Verfassungsschutz beobachtete Partei seit 2019 im Landtag sitzt und dort Mitglied des Richter- und Staatsanwalts- Wahlausschusses ist, wurde von allen Seiten vorgeworfen, seinen Wahlkampf mit nicht landkreisrelevanten allgemeinpolitischen Themen geführt zu haben – und die Medien, wie die sich vielstimmig äußernden Politiker, taten es ihm alle nach.

Angesichts dessen sind folgende Fakten zu betonen: Beim Landkreis Sonneberg handelt es sich einwohnermäßig mit gut 57.000 Einwohnern um den zweitkleinsten von 294 Landkreisen in Deutschland. Von den gut 48.000 Wahlberechtigten gingen im 1. Wahlgang gut 23.700 wählen (49,1%), im 2. Wahlgang waren es noch 5.000 mehr, was zu einer Wahlbeteiligung von 59,6% führte. Dennoch stimmten letztlich nicht einmal 15.000 Menschen für den neuen Landrat. Für eine isoliert stattfindende Stichwahl war die Wahlbeteiligung im bundesweiten Vergleich extrem hoch.

Die Stellung des Landrats ist angesichts der vielen Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises und als untere staatliche Landesbehörde im Verhältnis zu den unter Beteiligung des Kreistags zu entscheidenden Selbstverwaltungsaufgaben quantitativ und qualitativ eine sehr starke, allerdings an Recht und Gesetz gebundene und in einen staatlichen Aufsichtsstrang vom Innenministerium über das Landesverwaltungsamt eingebundene. Vor allem aber ist wichtig, dass eine Person (und keine Partei) zum Amtsträger und Organ gewählt worden ist, die kraft Gesetzes Behördenchef wird und die den Landkreis in allen seinen Aufgaben nach außen in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft vernetzen muss. Dass ein Wahlbeamter – bei bestehenden Zweifeln nach entsprechender Überprüfung durch die Rechtsaufsicht – die Gewähr dafür bieten muss, jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung einzutreten, ist eine Selbstverständlichkeit. Dies nach Amtsantritt und Vereidigung täglich zu beweisen, ist Aufgabe des Amtsträgers. Ihm gegenüber hingegen Dämme aufzuschütten oder Mauern zu errichten, widerspricht dem bereits von Stein formulierten, auf „Belebung des Gemeingeistes und Bürgersinns“ aller Kräfte vor Ort ausgerichteten Ziel kommunaler Selbstverwaltung. Es wäre zum massiven Schaden für die weitere Entwicklung eines an sich gut situierten ehemaligen Zonengrenzlandkreises in einer Brückenfunktion zwischen Ost- und Westdeutschland.

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