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NVwZ Editorial

Beschleunigung – aber wie?

Rechtsanwalt Professor Dr. Wolfgang Ewer, Kiel

24/2023

Kein Zweifel – es ist 5 vor 12. Nur wenn es gelingt, die Klimawende unter Einsatz aller Handlungsmöglichkeiten nach vorn zu bringen, wird der Wettlauf gegen die Zeit zu gewinnen sein. Nur dann werden die natürlichen Lebensgrundlagen künftiger Generationen bewahrt und diesen die grundrechtlich gebotenen Freiheitsräume erhalten werden können. Daher ist eine umfassende Beschleunigung der Dekarbonisierung das Gebot der Stunde.

Aber wie kann sie erfolgen? Weil die Umstellung auf eine umfassende CO2-Neutralität in großem Umfang Verfahren zur Planung und Zulassung von Anlagen erfordert, wird in der politischen Diskussion stets das Verfahrensrecht in den Mittelpunkt gestellt. Der unlängst von der MPK beschlossene „Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung zwischen Bund und Ländern“ stellt ein aktuelles Beispiel dar. Aber hilft das wirklich weiter? Ich habe Zweifel. Erstens weist das geltende Verfahrensrecht schon jetzt viele Gestaltungsspielräume auf. Eines von vielen Beispielen ist die bereits bestehende Fakultativstellung des Erörterungstermins in nahezu allen wichtigen Fachgesetzen. Daher wird eine zusätzliche Regelung im VwVfG kaum Erleichterung bringen. Zweitens setzen das Unionsrecht und vor allem auch das Völkerrecht weiteren Einschränkungen der Öffentlichkeitsbeteiligung enge Grenzen. So enthält etwa die Aarhus-Konvention keine mit Art. 2 IV der UVP-RL vergleichbare Ausnahme. Vor allem aber hat die Dauer von Zulassungsverfahren und anschließenden Gerichtsverfahren ihre Ursache in erster Linie im materiellen Recht und den Unsicherheiten über die sich daraus ergebenden Anforderungen. So dass nicht selten bei der Zulassung im Zweifel lieber noch ein weiteres Gutachten eingeholt wird, was mitunter eine zusätzliche Vegetationsperiode kostet. Oder dass die Reise nach Leipzig sehr viel länger dauert als geplant, weil man wieder einmal einen Umweg über Luxemburg machen muss. Die FFH-RL stammt von 1992, aber Jahr für Jahr hat der EuGH Anlass, sich mit immer neuen Fragen der Auslegung ihrer Bestimmungen zum Habitat- oder Artenschutz zu befassen. Ähnliches gilt für die WR-RL und die UVP-RL.

Eine effektive Beschleunigung wird nur durch Vereinfachung des materiellen Umweltrechts möglich sein. Was nicht immer mit einer Herabsetzung von Schutzniveaus einhergehen, aber Raum für Anwendungserleichterungen insbesondere durch Standardisierungen schaffen muss. § 45b BNatSchG stellt ein Beispiel dafür dar, das für klimawenderelevante Vorhaben auch auf andere Bereiche übertragbar erscheint. Allerdings macht das Beispiel zugleich deutlich, dass derartige Entwicklungen bestimmte Modifikationen des europäischen Umweltrechts erforderlich machen werden. Denn ohne weitere Einschränkungen der vom EuGH gemachten Vorgaben, ähnlich der EU-Notfallverordnung, werden einer weiteren Standardisierung enge Grenzen gesetzt sein. Wenn Europa bis 2030 „Fit for 55“ werden soll, wird die EU daher nicht umhinkommen, Zielkonflikte innerhalb der europäischen Umweltpolitik mit eindeutiger Prioritätensetzung zu lösen. Dabei sollte sie das Kind nicht mit dem Bade ausschütten und derartige Modifikationen zeitlich begrenzen und auf Bereiche beschränken, denen für den Klimaschutz eine besonders herausragende Bedeutung zukommt.

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