Prüfungstag 5 - Öffentliches Recht I
JuS 2018, 629
Sachverhalt
Am Ende der 18. Legislaturperiode befasste sich der Deutsche Bundestag mit einem Entwurf zum „Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts“. Erklärtes Ziel des Gesetzesvorhabens ist es, auch gleichgeschlechtlichen Paaren das Eingehen einer Ehe zu ermöglichen, um die vollständige Gleichstellung gegenüber verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften zu erreichen. Neben den notwendigen Anpassungen des Lebenspartnerschaftsgesetzes (LPartG) sieht das Gesetz insbesondere vor, § 1353 I 1 BGB wie folgt zu fassen: „Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen.“
Mit einer breiten Mehrheit von 393 Stimmen bei 226 Gegenstimmen und vier Enthaltungen stimmte der Bundestag, dessen gesetzliche Mitgliederzahl 630 betrug, dem Gesetzentwurf zu. Das Gesetz passierte anschließend den Bundesrat, ohne dass dieser Einspruch erhob. Nachfolgend wurde es durch den Bundespräsidenten ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet.
Die Kritiker des neuen Gesetzes äußern indes verfassungsrechtliche Bedenken. Die Öffnung des Instituts der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare sei nur durch eine Grundgesetzänderung zu erreichen. Der verfassungsrechtliche Ehebegriff, wie er Art. 6 I GG zugrunde liege, erfordere die Verschiedengeschlechtlichkeit der Partner als konstitutives Merkmal. Hiervon seien auch die Väter und Mütter der Verfassung als selbstverständlich ausgegangen. Zudem ergebe sich aus dem Zusammenhang „Ehe und Familie“, dass die Ehe zumindest eine potenzielle Fortpflanzungsfähigkeit voraussetze, was bei gleichgeschlechtlichen Paaren nicht gegeben sei.
Die Befürworter der neuen Regelung weisen demgegenüber auf den bewusst offen formulierten Wortlaut von Art. 6 I GG hin. Selbst wenn man aber davon ausgehe, dass ursprünglich nur die Partnerschaft von Mann und Frau gemeint war, müsse doch der in den letzten Jahrzehnten vollzogene Wandel zu einer liberalen, pluralistischen Gesellschaft berücksichtigt werden. Die Interpretation der Verfassung dürfe diese Veränderung nicht einfach außer Acht lassen. Jedenfalls sei bei der Auslegung des verfassungsrechtlichen Ehebegriffs auch die Interpretation des Art. 12 EMRK durch den EGMR zu berücksichtigen, wonach die Ehe zumindest nicht zwingend auf verschiedengeschlechtliche Partnerschaften beschränkt sein muss.
Im Anschluss an das Inkrafttreten des Gesetzes kommt es auf dreierlei Wegen zur Anrufung des BVerfG. Zum einen möchte die inzwischen mit 140 Sitzen als Fraktion im Deutschen Bundestag vertretene rechtskonservative A-Partei (A) die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes festgestellt wissen. Zum anderen strebt auch die Regierung des Landes B eine verfassungsgerichtliche Klärung zu der von ihr für nichtig erachteten Neugestaltung an. Schließlich weigert sich der zuständige Standesbeamte C, den D und seinen gleichgeschlechtlichen Partner zu trauen, da er § 1353 I 1 BGB nF für verfassungswidrig hält. Das daraufhin von D ersuchte zuständige AG (Personenstandsgericht) teilt diese Bedenken und legt die Frage zur Entscheidung vor.
Bearbeitervermerk: Zu prüfen sind die Erfolgsaussichten der Anträge der A-Partei, der Landesregierung von B sowie des von D angerufenen AG. Art. 3 GG bleibt bei der Bearbeitung außer Betracht.