JuS-Kontrollfragen zu Ludwigs/Pascher, JuS 2022, 497
Die Europäisierung des Verwaltungsrechts in der Fallbearbeitung (Teil 2)
JuS gelesen? Prima! Auch verstanden? Hervorragend! Und gemerkt? Exzellent!
Überprüfen Sie hier anhand einiger Fragen, wie sattelfest Sie jetzt sind. Viel Spaß!
Frage 1
Können Beihilfen, die gegen
Art. 107 I AEUV verstoßen und die unter Umgehung des unionsrechtlichen Notifizierungsverfahrens nach
Art. 108 III AEUV ausgezahlt werden, auch nach Ablauf der Jahresfrist des
§ 48 IV 1 VwVfG zurückgefordert werden?
Antwort: Im Regelfall bildet
§ 48 IV 1 VwVfG auch im unionsrechtlichen Kontext eine absolute Rücknahmegrenze für rechtswidrige Verwaltungsentscheidungen. Denn selbst wenn die Ziele des EU-Rechts eine spätere Rückforderung verlangen sollten, scheitert eine unionsrechtskonforme Auslegung am klaren Wortlaut der Bestimmung. In seiner Alcan-Entscheidung (1997) hat der
EuGH jedoch entschieden, dass das Effektivitätsprinzip die Jahresfrist in Ausnahmefällen verdrängen kann. Im Rahmen einer Abwägungsentscheidung beanspruchen unionsrechtlich verfolgte Ziele dann Vorrang vor der mitgliedstaatlichen Verfahrensautonomie. Einen solchen Extremfall sah der
EuGH in einer Situation erreicht, in der die zuständige mitgliedstaatliche Behörde sich einem Rückforderungsverlangen der Kommission widersetzt hatte, von dem auch der Subventionsempfänger in Kenntnis war .
Lesen Sie weiter im Beitrag (unter IV 3).
Frage 2
Unter welchen Voraussetzungen ist eine Behörde verpflichtet, bestandskräftige, unionsrechtswidrige Verwaltungsentscheidungen erneut zu überprüfen?
Antwort: In seiner Kühne & Heitz
-Entscheidung (2004) hat der
EuGH hierzu vier Voraussetzungen definiert, mit denen er das Effektivitätsprinzip um subsumtionsfähige Kriterien anreichert: Die Verwaltungsbehörde muss nach mitgliedstaatlichem Recht zur Rücknahme bestandskräftiger Verwaltungsentscheidungen befugt sein (1). Die betreffende Entscheidung darf erst infolge des letztinstanzlichen Urteils eines mitgliedstaatlichen Gerichts Bestandskraft erlangt haben (2). Später erweist sie sich als unvereinbar mit nachfolgender
EuGH-Rechtsprechung, wobei das letztinstanzliche Gericht seine Vorlagepflicht aus
Art. 267 III AEUV verletzt hat (3). Der Kl. ist schließlich verpflichtet, sich unmittelbar nach Kenntnis vom Urteil an die Ausgangsbehörde zu wenden (4). Regelmäßig wird in solchen Fällen das Rücknahmeermessen der Behörde nach
§ 48 I 1 VwVfG im wiederaufgegriffenen Verfahren auf Null reduziert und die Entscheidung aufzuheben sein.
Lesen Sie weiter im Beitrag (unter V 2 b).
Frage 3
Sind Verwaltungsakte, die deutsche Behörden im indirekten Vollzug des Unionsrechts erlassen, automatisch sofort vollziehbar, so dass Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung entfalten?
Antwort