2021 hatte die EU-Kommission eine millionenschwere deutsche "Umstrukturierungsbeihilfe" für den Ferienflieger Condor genehmigt. Das EuG hat die Genehmigung nun auf Klage von Ryanair für nichtig erklärt. Die EU-Kommission habe es versäumt, ein förmliches Prüfverfahren einzuleiten.
Mit der 2021 genehmigten "Umstrukturierungsbeihilfe" in Höhe von 321,2 Millionen Euro sollte die Fluggesellschaft wieder rentabel gemacht werden. Zuvor hatte der deutsche Staat Condor 2019 mit einem 380-Millionen-Euro-Kredit der Förderbank KfW gerettet, nachdem der damalige Mutterkonzern Thomas Cook in die Pleite gerutscht war. Condor wurde in einem Schutzschirmverfahren saniert, und Anfang 2020 stand mit der LOT-Mutter PGL ein Investor bereit. Doch unmittelbar nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie sprangen die Polen ab – und der deutsche Ferienflieger benötigte erneut staatliche Hilfe. Condor wandte anschließend die drohende Insolvenz ab und verließ zum 1. Dezember 2020 das Schutzschirmverfahren. 2021 fand sich dann ein neuer Investor. Gegen die Genehmigung der "Umstrukturierungsbeihilfe" 2021 klagte die irische Fluggesellschaft Ryanair vor dem EuG.
Dieses hat der Klage stattgegeben und den Genehmigungsbeschluss für nichtig erklärt (Urteil vom 08.05.2024 –T-28/22). Laut EuG hätte die EU-Kommission ein förmliches Prüfverfahren einleiten müssen: So hätte sich die Kommission fragen müssen, ob die Umstrukturierungsbeihilfe dem Erfordernis einer angemessenen Lastenverteilung gerecht wird. Sie habe diesbezüglich nicht ausreichend geprüft, ob Deutschland durch die Beihilfe ein angemessener Anteil am künftigen Wertgewinn von Condor zugesichert wird.
Das EuG stellt aber klar, dass Ryanair mit der Klage nur seine Verfahrensrechte im Rahmen des förmlichen Prüfverfahrens wahren könne. Die inhaltliche Rechtmäßigkeit des Beschlusses könne die irische Airline nicht beanstanden. Denn sie habe nicht nachgewiesen, dass ihre wettbewerbliche Stellung durch die fragliche Beihilfe spürbar beeinträchtigt werden kann und dass sie vom Beschluss der Kommission individuell betroffen ist. Gegen das Urteil kann noch vor dem EuGH vorgegangen werden. Außerdem könnte die EU-Kommission unter bestimmten Umständen einen neuen Beschluss erlassen.
Condor-Beihilfen vor EU-Gerichten
Es ist nicht das erste Mal, dass Beihilfen für Condor vor europäischen Gerichten Thema sind. Ein früherer Beschluss der EU-Kommission zu Corona-Beihilfen Deutschlands für Condor wurde zunächst durch eine Ryanair-Klage zu Fall gebracht. Daraufhin genehmigte die Brüsseler Behörde 2021 die Corona-Hilfen erneut – und mit ihnen auch die Umstrukturierungsbeihilfe, um die es nun ging. Eine weitere Klage Ryanairs gegen ein 380 Millionen Euro schweres Rettungsdarlehen für Condor nach der Cook-Insolvenz wurde vom Gericht der EU jedoch abgewiesen.
Der Fall Condor ist einer von vielen, in denen Ryanair gegen staatliche Beihilfen für Konkurrenten vorgeht. Bisher hatte die irische Airline in einigen Fällen Erfolg, in anderen aber nicht. Condor und Ryanair hatten auch schon im vergangenen Jahr zusammen erfolgreich gegen die deutsche Corona-Finanzspritze für die Lufthansa geklagt, die die Lufthansa längst zurückgezahlt hat. In diesem Fall steht ein Urteil des EuGH noch aus (Urt. v. 8.5.2024 - T-375/22).
Aus der Datenbank beck-online
Soltész, Wichtige Entwicklungen im Europäischen Beihilferecht im Jahre 2022, EuZW 2023, 5
Seitz/Berne, Die Panazee gegen COVID-19: Das EU-Beihilferecht, EuZW 2020, 591
Frenz, Corona-Darlehen und Beihilfenverbot, EWS 2020, 247