Dr. Hans-Jürgen Hillmer
DStV-Thesen zum Wandel im Berater-Beruf

Der Arbeitskreis Digitalstrategie des Deutschen Steuerberaterverbands (DStV) hat kürzlich zehn zentrale Thesen entwickelt, die beschreiben, wie generative Künstliche Intelligenz (KI) das Berufsbild beeinflusst, welche Chancen und Risiken sich abzeichnen und welche Weichen jetzt gestellt werden müssen. Die auf Steuerberater fokussierten Thesen sind auch für fachlich anders aufgestellte Berater als Leitbild sehr geeignet.
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Problemstellung
Der KI-Einsatz hält weiterhin mit atemberaubender Geschwindigkeit Einzug in das Geschäftsleben. Für Berater ist die Anwendung von KI-Tools eine in doppelter Hinsicht tiefgreifende Entwicklung. Sie müssen einerseits in der Lage sein, den Mandanten bzw. Kunden entsprechende Anwendungsfelder zu verdeutlichen und letztlich bei der Implementierung unterstützen können. Und sie sollen in der Lage sein, den KI-Einsatz in die Prozesse im eigenen Beratungsunternehmen zu integrieren.
Vor diesem Hintergrund ist für den DStV klar, dass KI nicht nur ein technisches Tool ist, sondern auch Abläufe, Rollenverständnis und Wertschöpfung verändert. Soweit noch nicht geschehen, sind auch Vertreter anderer Beratergruppen dringend gefordert, sich entsprechend zu positionieren. Jahrelange Abstimmungsprozesse wird der Markt nicht dulden.
Problemlösung
1. KI in der Steuerberatung: DStV-Thesen zum Wandel des Berufsstands
Wo KI-Tools Standardaufgaben wie Buchhaltung, Reporting oder einfache Deklarationen übernehmen, gewinnen Beratung, kreative Gestaltung und strategische Einordnung an Bedeutung. Zugleich ist nach Ansicht der DStV-Experten ein neues Kompetenzverständnis erforderlich: Neben steuerlichem und betriebswirtschaftlichem Know-how wird technologische Souveränität zur zentralen Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit.
Daneben sind aber auch ethische Fragen, rechtliche Standards und die Verantwortung gegenüber Mandanten in den Blick zu nehmen. Aus Sicht des DStV werden Vertrauen, Transparenz und Empathie in einer KI-gestützten Steuerberatung nicht überflüssig – im Gegenteil: Sie werden zum entscheidenden Mehrwert.
Tabelle: DStV-Thesen zum Wandel im Steuerberaterberuf |
1. KI verändert nicht nur unsere Arbeit – sie verändert, wer wir sind. | Steuerberatung wird zu einem hybriden Beruf: zwischen Recht, Technologie, Daten und Strategie. Unser Berufsbild wandelt sich fundamental – weg vom reinen Fachwissen, hin zu einem vernetzten Rollenverständnis. |
2. KI automatisiert Standard. | Deklaration, Buchhaltung und Reporting werden zunehmend KI-gestützt. Wert entsteht dort, wo Individualität, kritische Prüfung, kreative steuerliche Gestaltung und strategische Beratung gefragt sind. |
3. Wissen ist keine Macht mehr. | Reines Wissen verliert an Exklusivität. Der eigentliche Wert liegt in Kontext, Anwendung und Vertrauen. Entscheidend wird, wer Wissen sinnvoll auf Mandantensituationen übersetzen, einordnen und mit Empathie vermitteln kann. |
4. Vertrauen wird zur härtesten Währung in der KI-gestützten Steuerberatung. | Je digitaler und automatisierter die Welt wird, desto zentraler wird der menschliche Faktor. Orientierung, Sicherheit und Verlässlichkeit machen den Unterschied im Verhältnis zu Mandanten. |
5. Technologiekompetenz wird genauso wichtig wie Rechts- und BWL-Know-how. | Digitale Souveränität ist Pflicht: Wer KI nutzt, muss verstehen, wie sie funktioniert – von Prompt-Engineering über Datenbewertung bis zur Bias-Erkennung. |
6. Ausbildung und Prüfung müssen radikal neu gedacht werden. | Es braucht hybride Kompetenzen: steuerrechtliche und betriebswirtschaftliche Tiefe, kombiniert mit Methodenkompetenz, technologischem Verständnis und Kommunikationsfähigkeit. |
7. Wertschöpfung verschiebt sich – aber sie wächst auch. | Wo Maschinen Routine übernehmen, entsteht Raum für höherwertige Beratung. Der Anteil eingekaufter Technologie steigt – der menschliche Beitrag wandert zu Strategie, Gestaltung und Beziehungspflege. |
8. Der Markt wird zum Plattformmarkt. | Digitale Kanzleinetzwerke und Plattformen setzen klassische Kanzleistrukturen unter Druck. Wer nicht skaliert, verliert. Es braucht Investitionen in Technologie, Prozesse und neue Geschäftsmodelle. |
9. Wirtschaftliche Unabhängigkeit entsteht durch technologische Souveränität. | Wer sich vollständig von externen KI-Anbietern abhängig macht, läuft Gefahr, Preise, Prozesse und Qualität nicht mehr selbst steuern zu können. Eigene Datenhoheit, Open-Source-Lösungen und Partnerschaften sind strategische Schlüssel für wirtschaftliche Resilienz. |
10. Die Zukunft unseres Berufs ist nicht garantiert – sie muss gestaltet werden. | Der Berufsstand muss Standards, Ethik und Rahmenbedingungen aktiv mitgestalten. Wer nicht selbst definiert, wie KI genutzt wird, wird von Technologieanbietern und Marktmechanismen definiert. Deshalb gilt es, Impulse zu setzen, Netzwerke zu pflegen und aktiv Verantwortung zu übernehmen. |
2. Analoge Anwendung auf andere Berufsgruppen
Die vom DStV fokussiert auf den Steuerberaterberuf aufgestellten Thesen verdienen auch außerhalb dieser Berufsgruppe große Beachtung, weil sie mit wenigen Anpassungen auf die Arbeit eines inhaltlich anders orientierten Beraters quasi 1:1 übertragbar sind.
- So gilt der Wandel zum vernetzten Rollenverständnis (gemäß These 1) für einen Restrukturierungsberater oder einen auf Controllingthemen fokussierten selbstständigen Bilanzbuchhalter gleichermaßen.
- Letztere finden sich in These 2 mit den Beratungsfeldern Buchhaltung und Reporting unmittelbar wieder.
- Die in These 3 angesprochene Einordnungskraft und Empathiefähigkeit ist generell für beratende Berufsgruppen wichtig – ebenso das in These 4 angesprochen Vertrauen.
- Relativ neu ist die in These 5 angesprochene Technologiekompetenz und die in These 6 dazu angemahnte Ausrichtung der Ausbildung, wobei diese Thesen im Rahmen der außersteuerlichen Beratung noch wichtiger sein dürften als bei der unmittelbar adressierten DStV-Klientel.
- Das schafft ggf. die Basis, ohne die es nicht gelingen kann, bei der Neubestimmung der Wertschöpfungstiefe gemäß These 7 mithalten zu können.
- Mit den auf den Beratungsmarkt insgesamt bezogenen Thesen 8 und 9 sollten sich vor allem einzeln operierende Berater aller Art besonders intensiv auseinandersetzen, wenn sie in einem Plattformmarkt weiterhin wirtschaftlich unabhängig auftreten wollen.
- Mit These 10 wird die Verbandsarbeit adressiert, die beispielsweise auch im BVBC entsprechende Aktivitäten erfordert.
Praxishinweise: - Zusammenfassend bieten die in der Tabelle dargestellten 10 Thesen zur Rolle generativer KI in der Steuerberatung Orientierung, Diskussionsstoff und konkrete Perspektiven. Sie verstehen sich als ein Impuls für den Berufsstand – und eine Einladung, aktiv mitzugestalten. Die – wie vorstehend gezeigt ebenso für andere Berater und sonstige Experten höchstrelevanten – Thesen sind auch als übersichtliche Bildgrafik unter https://www.dstv.de/artikel-pool/tb-085-25-ls-10-thesen-generative-ki verfügbar.
- Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auch auf den im BC-Newsletter vom 31.7.2025 näher begründeten IDW-Appell für Wirtschaftsprüfer, ihr Know-how bezüglich digitaler Medien, KI und Daten weiter auszubauen und aktuell zu halten. Dieser spezifisch auf den Umgang mit Fake News bezogene Appell gilt für Experten aus anderen Berufsgruppen gleichermaßen und kann mit den oben genannten Thesen als Weckruf (noch) zur rechten Zeit auf ein sehr breites Fundament gestellt werden, um möglichst viel Gehör zu finden.
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Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld
BC 9/2025
BC20250914