Zielgruppen: Geschäftsleitung, Gesellschafter und Investoren

Krisen sind geprägt von Unsicherheit, Misstrauen und mangelnder Transparenz. Deshalb muss in Krisenzeiten eine klare, professionelle und transparente Kommunikation etabliert werden. Diese ist je nach Zielgruppe differenziert auszugestalten.
Praxis-Info!
Problemstellung
Neben den klassischen Stakeholdergruppen eines Unternehmens – wie beispielsweise Eigentümer, Fremdkapitalgeber, Kunden, Lieferanten, Kreditversicherer, Arbeitnehmer und ihre Vertretungen – treten in einer Krisensituation weitere Interessenträger auf die Bühne. Hierzu zählen beispielsweise Investoren, Sozialversicherungen, staatliche Institutionen (Finanzämter) oder Treuhänder.
Mit einer eindimensionalen Kommunikation können die spezifischen Anforderungen dieser Adressatengruppen nicht erfüllt werden. Wie nach den in der Restrukturierungsberatung gesammelten Erfahrungen zu differenzieren ist, wird nachfolgend für die Zielgruppen Geschäftsleitung, Eigentümer bzw. Gesellschafter sowie Investoren aufgezeigt (auf weitere Zielgruppen soll später gesondert eingegangen werden).
Lösung
1. Kooperation und Bedrohung als Typisierungskriterien
Grundsätzlich lassen sich die verschiedenen Stakeholder in vier Typen einordnen. Die Einordnung orientiert sich dabei zum einen am Kooperationspotenzial und zum anderen am Bedrohungspotenzial. Somit ergeben sich folgende vier Typen:
- Der Unterstützende: Kooperationspotenzial hoch, Bedrohungspotenzial niedrig
- Der Unbedeutende: Kooperationspotenzial niedrig, Bedrohungspotenzial niedrig
- Der Nicht-Unterstützende: Kooperationspotenzial niedrig, Bedrohungspotenzial hoch
- Das „Zweischneidige Schwert“: Kooperationspotenzial hoch, Bedrohungspotenzial hoch
Die Kunst besteht darin, durch eine professionelle Kommunikation die Positionierung der Stakeholder zu verändern und somit das Bedrohungspotenzial für den Sanierungsprozess zu minimieren. Wichtig dabei ist, dass sich die Positionierung durch äußere wie innere Einflüsse ändern kann. Deshalb muss das Ordnungsschema fortan im Rahmen der Sanierung im Blick behalten werden, und die Beteiligten müssen entsprechend laufend eingeordnet werden.
2. Einzelgruppen
2.1 Geschäftsleitung
Während einer sich zuspitzenden Unternehmenskrise steigt i.d.R. der Druck auf die Unternehmensleitung, die geplanten Sanierungsmaßnahmen schnell umzusetzen. Dies ändert die Prioritäten des Managements deutlich und führt zwangsläufig zu „Feuerwehr-Einsätzen“ zur Bekämpfung der täglichen Krisenursachen und -symptome. In diesen turbulenten Zeiten verschieben sich auch die Beziehungen zu den wesentlichen Partnern dramatisch.
Im Rahmen der Führungsfunktionen hat die Geschäftsleitung die erforderlichen Restrukturierungshandlungen wahrzunehmen. Ziele der Geschäftsleitung sind üblicherweise einerseits der Erhalt des Unternehmens und andererseits der jeweils eigenen Reputation. Dazu kommen in Krisensituationen zusätzliche Haftungsszenarien, die auf die Geschäftsleitung einwirken, wodurch die Führungspersonen mit persönlichen Haftungen direkt von der Sanierung betroffen sind.
Im Rahmen der Befugnisse hat die Geschäftsleitung üblicherweise enormen Einfluss auf den Fortgang der Restrukturierung und sollte über sämtliche für die Restrukturierung erforderlichen Informationen verfügen. In manchen Fällen wird es erforderlich, das Management mit spezialisiertem Know-how für die Zeit des Restrukturierungsprojekts (z.B. durch einen Interim Manager oder einen CRO (Chief Restructuring Officer)) zu ergänzen.
In Bezug auf die Stakeholder-Kommunikation fungiert die Geschäftsleitung als Informations- und Kommunikationsdrehscheibe und hat die Aufgabe, die jeweiligen Anspruchsgruppen entsprechend ihrer Bedeutung möglichst zielorientiert zu informieren bzw. mit diesen zu kommunizieren. Bei fehlender Erfahrung kommt es dabei häufig zu Kommunikationspathologien, welche den Erfolg der Sanierung negativ beeinflussen, z.B. wenn bei wesentlichen Stakeholdern entscheidende Informationen zurückgehalten werden.
2.2 Eigentümer und Gesellschafter
Die Eigentümer bzw. Gesellschafter sind von einer potenziellen Insolvenz ihres Unternehmens sehr stark betroffen, sie verlieren im schlechtesten Fall ihr Unternehmen bzw. ihre Beteiligung. Je nach Rechtsform sind damit auch massive Einschnitte ins Privatvermögen verbunden, z.B. bei Einzelunternehmen oder Personengesellschaften.
Dazu kommen für unterschiedliche Typen von Eigentümern unterschiedliche Betroffenheiten und Bedürfnisse. Während die Eigentümer von Personengesellschaften bzw. Familienunternehmen langfristig und emotional an das Unternehmen gebunden sind, verfolgen Equity-Investoren meist ein risikoorientiertes Investitionsmodell, wobei ein Scheitern der Investition ex-ante berücksichtigt wird. Im Gegensatz dazu verfolgen Konzerne häufig eine Eingrenzungsstrategie zum Schutz anderer Konzerngesellschaften.
Dementsprechend haben Inhaber ein sehr nahe an den betrieblichen Prozessen liegendes direktes Informationsbedürfnis und beschaffen sich über formelle und informelle Informationskanäle Informationen. Demgegenüber konzentrieren sich Private-Equity- oder Konzerneigentümer auf stark formalisierte Reportingstrukturen und die darin enthaltenen relevanten Finanzinformationen.
Für die Kommunikation in der Krise resultiert daraus das Erfordernis einer auf die jeweiligen Bedürfnisse abgestimmten Zusammenarbeit und Einbeziehung dieser Stakeholder. Hier ist auch zu berücksichtigen, dass sich diese im Zuge der Krise und der Restrukturierung verändern, wenn die Eigentümer in dieser Phase näher an das Unternehmen und dessen Management heranrücken und zusätzliche Informationen einfordern.
2.3 Mittelzuführung durch Investoren
Im Zuge der Restrukturierung wird häufig die Zuführung frischer liquider Mittel erforderlich, wozu neben den bisherigen Eigentümern und Fremdkapitalgebern auch neue Investoren infrage kommen. Hier kann zwischen am Kerngeschäft interessierten, strategischen Investoren und reinen Finanzinvestoren unterschieden werden.
Die Betroffenheit ergibt sich in manchen Fällen bereits vor dem eigentlichen Einstieg, wenn eine aktive Rolle bei der operativen Restrukturierung eingenommen wird. Dies kann z.B. durch eine gezielte Sanierungsfinanzierung in Fremdkapitalform erfolgen, die in weiterer Folge fallweise auch als „distressed debt“ (notleidende Schulden) mit entsprechenden Abschlägen verkauft werden können.
Die Investoren weisen eine differenzierte und fallspezifische Betroffenheit auf, aus der sich auch ein spezifisches Informationsbedürfnis ergibt. Sie bekommen in der Regel die angeforderten Informationen und machen ihren Einstieg auch vom Vorliegen und Inhalt der Informationen abhängig.
Vor dem Hintergrund ihres wesentlichen Einflusses auf den Fortgang der Sanierung und den Sanierungserfolg ist deshalb eine sehr zielgerichtete und professionell begleitete direkte Kommunikation mit den Investoren erforderlich. Eine entsprechende „Equity Story“ („Eigenkapital-Geschichte“) ist zu generieren und weist gerade für die Zeit nach einer Restrukturierung für Investoren eine attraktive Aufwärtsspirale auf.
Praxishinweise: - Die Fähigkeit zur professionellen Kommunikationsführung ist eine der Kernkompetenzen des Restrukturierungs-/Sanierungsberaters. Denn soweit eine Restrukturierung bzw. Sanierung durch einen „neutralen Dritten“ als Berater begleitet wird, ist dieser in der Pflicht, die Rolle des professionellen Kommunikators zu übernehmen. Dies ist insbesondere dann von zentraler Bedeutung, wenn – wie vorstehend skizziert – die Interessen der verschiedenen Stakeholder unterschiedlich gelagert sind oder sogar im Widerspruch zueinanderstehen.
- Ergänzt werden soll dieser Beitrag mit Adressatengruppen wie der Belegschaft, den Lieferanten, den Fremdkapitalgebern und den Kreditversicherern.
|
Daniel Emmrich, bei der Dr. Wieselhuber & Partner GmbH in München als Partner für Restrukturierung & Sanierung tätig.
BC 8/2025
BC20250813