Dr. Hans-Jürgen Hillmer
Bestandsaufnahme gemäß 12. BVBC-Arbeitskreistreffen vom 27.6.2025

Auch in der mittlerweile 12. Sitzung des BVBC-Arbeitskreises Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSR), die am 27.6.2025 stattfand, lag der Fokus auf den Anforderungen, die sich mit der inzwischen verschobenen Umsetzung für den Mittelstand ergeben. Trotz der massiven Einschränkungen der regulatorisch vorgegebenen Berichtspflichten bleibt aber das Thema „Nachhaltigkeitsberichterstattung“ weiter auf der Tagesordnung und kann vielerorts auch nicht auf die lange Bank geschoben werden. Denn insbesondere für Banken als Kapitalgeber bestehen weiterhin Verpflichtungen, den Nachhaltigkeitsstatus des anfragenden Unternehmens bei der Mittelvergabe zu berücksichtigen.
Praxis-Info!
Problemstellung
Nur wenig mehr als ein Jahr zuvor stand am 15.4.2024 anlässlich der achten Sitzung des BVBC-Arbeitskreises Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSR) in Hamburg ein Thema im Zentrum: der am 22.3.2024 vom Bundesministerium der Justiz (BMJ) vorgelegte Referentenentwurf (RefE) eines Gesetzes zur Umsetzung der Corporate Sustainabilty Reporting Directive (CSRD) hinsichtlich der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (vgl. dazu im BC-Newsletter vom 18.4.2024). Von der damals zeitgerechten Umsetzung bis zum 6.7.2024 kann nun keine Rede mehr sein. Die für die europäische Nachhaltigkeitsberichterstattung maßgebliche Richtlinie 2025/794 verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten zur Umsetzung in nationales Recht bis spätestens 31.12.2025. Wie sehr sich die Rahmendaten inzwischen verschoben haben, verdeutlichte in seinem Überblicksvortrag zum „aktuellen Regulierungschaos“ zur Eröffnung des 12. BVBC-Arbeitskreistreffens Nachhaltigkeitsberichterstattung am 27.6.2025 in Essen der AK-Leiter Univ.-Prof. Dr. Stefan Müller. Hierbei und in weiteren Beiträgen zeigte sich aber auch, dass das Thema „Nachhaltigkeitsberichterstattung“ nicht ad acta gelegt und auch nicht auf die lange Bank geschoben werden kann.
Lösung
Im Eröffnungsvortrag wies Müller auf den neuen Ratsvorschlag vom 23.6.2025 mit einer deutlichen Anhebung der Umsatzgrenze auf 450 Mio. € Umsatz (Beschäftigtengrenze 1.000) hin. Basis für die ESRS-Anwendung ist der Vorschlag des Sustainability Reporting Board (Gremium für Nachhaltigkeitsberichte) der Europäischen Beratungsgruppe für Finanzberichterstattung (EFRAG) vom 7.5.2025. Es soll eine Konsultation mit Stellungnahme-Möglichkeit bis Anfang September 2025 geben. Die Auswertung dürfte, so Müller, erst in 2026 abgeschlossen werden.
Inhaltlich verwies Müller auf die einschlägige DRSC-Stellungnahme (Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee, siehe unter www.drsc.de), wonach ein prinzipienbasierter Ansatz eingeführt und die Wesentlichkeitsanalyse fokussiert werden sollte. Ebenso werden Vereinfachungen bei der Betrachtung der Wertschöpfungskette empfohlen. Zudem soll der Konsolidierungskreis für die Nachhaltigkeitsberichterstattung deckungsgleich mit dem der Finanzberichterstattung sein (vgl. auch Warnke/Otter/Peters, BC 2025, 326, Heft 7). Ein zusätzlicher Fokus soll auf die operative Kontrolle gelegt werden – beispielsweise auf Werke, die wirtschaftlich beeinflusst, aber rechtlich nicht zum Unternehmen gehören. Das DRSC fordert eine bessere Berücksichtigung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses der Berichtspflichten und schlägt vor, sich bei Governance-Angaben auf tatsächlich relevante Aspekte zu konzentrieren (zum 10-Punkte-Positionspapier siehe unter https://www.drsc.de/app/uploads/2025/04/250415_EFRAG_DRSC-Pos_ESRS-Revision.pdf).
Weiter ging er auf das VSME-Unterstützungsmaterial der EFRAG ein, das kostenlos angeboten wird (VSME-Standard – Voluntary Standard for Micro and Small Enterprises – freiwilliger Standard für nicht gelistete KMU). Müller zeigte sich sehr positiv beeindruckt von einer entsprechenden Excel-Vorlage; ergänzt wird dies durch ein XBRL-Tool zur digitalen Weiterverarbeitung (Zugang zur leider bislang nur englischsprachigen „Wundertüte“ gibt es unter https://www.efrag.org/en/vsme-digital-template-and-xbrl-taxonomy). Müller sieht das Gesamtpaket als weit fortgeschritten, es stelle aber noch keine rechtsverbindliche Grundlage dar.
In einem Folgevortrag von Frau Mei Ju Huang zum Thema „DIE“ wurde der Dreiklang von Diversity, Equity & Inclusion (Vielfalt, Gleichberechtigung und Eingliederung) betont. Deutlich wurde, dass DEI-Konzepte trotz aktueller Gegenströmungen aus den USA zunehmend als ein strategischer Faktor für Zukunftsfähigkeit, Krisenresilienz (Widerstandsfähigkeit) und Arbeitgebenden-Attraktivität betrachtet werden können. Konkrete Ausprägungen im Arbeitskontext eines Unternehmens können von fairen Karrierechancen bis zur barrierefreien Produktgestaltung reichen. Ein inhaltlicher Schwerpunkt lag auf der Verankerung von DEI in den neuen Europäischen Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS –European Sustainability Reporting Standards). Zu den jeweiligen Standards wurden mögliche Kennziffern präsentiert. Solche sind gegenwärtig z.B.:
- Anteil Menschen mit Behinderung
- Anteil mit Migrationshintergrund
- Teilzeit-/Care-Verantwortung
- Diskriminierungsvorfälle.
Ein weiterer Block der Sitzung widmete sich dem Thema „Sustainable Finance“ (nachhaltige Finanzierung). Trotz der weitreichenden regulatorischen Aktivitäten in anderen Bereichen bleibt der Bereich aktuell ohne neue konkrete Entwicklungen. Somit behalten Regulierungsbehörden weiter Nachhaltigkeitsthemen im Blick, insbesondere im Rahmen von Stresstests für Kreditinstitute. Die Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor (Sustainable Finance Disclosure Regulation – SFDR) bleibt unverändert in Kraft und verlangt umfangreiche Angaben, die auch die Wertschöpfungskette betreffen.
Ferner informierten Christian Nagel und Paul Szabó-Müller zum Thema „Compliance neu gedacht: Wege zur nachhaltigen Wertschöpfung in der Kreislaufwirtschaft“. Viele der ca. 1.000 Datenpunkte stehen unter dem Wesentlichkeitsvorbehalt. Trotz der Omnibus-Einschränkungen wird das Thema weiterverfolgt, das Motto lautet: Mit ESG Potenziale heben, Prozesse nachhaltiger gestalten und dadurch den Unternehmenswert steigern. Jenseits von Excel-Listen soll Software durch Mandanten bedient werden: Unter www.comploo.de wird gezeigt, was derzeit möglich ist. Ausgangspunkt des Compliance-Tools ist der Musterfragenkatalog nach IDW PS 980. Auf einem Dashboard wird die Risikoauswertung veranschaulicht, differenziert nach Risikokatalog im Konzern bzw. im Einzelunternehmen. Entwickelt werden aktuell ein Richtlinien-Management und ein Prüfungsansatz zum ESG-Reporting.
Es wurde jedoch betont, dass kaum ein Unternehmen alle geltenden Richtlinien und Fördermöglichkeiten vollständig überblickt. Die Gefahr, regulatorisch relevante Aspekte zu übersehen, ist hoch. Viele Beteiligte sprachen daher von einer „Berichterstattung durch die Hintertür“. Hinter jeder Lücke, so der Tenor, lauert bereits eine EU-Richtlinie.
Praxishinweise: - Klimaberichterstattung ist als Themenschwerpunkt des nächsten Treffens am 10.10.2025 mit dem Gastgeber PKF in Duisburg (PKF) verabredet worden (zum Arbeitskreis siehe unter https://www.bvbc.de/arbeitskreise/ak-nachhaltigkeitsberichterstattung-csr). Der BVBC-Arbeitskreis Nachhaltigkeitsberichterstattung CSR befasst sich seit seiner Gründung in 2022 unter der Leitung von Prof. Dr. Stefan Müller in diverser Zusammensetzung mit Personen aus Geschäftsführung, Controlling und Rechnungslegung sowie Nachhaltigkeitsmanagement, Beratung, Prüfung und Wissenschaftlern mit allgemeinen und konkreten Fragen der Nachhaltigkeitsberichterstattung und verwandten Fragestellungen. Es gab bereits diverse Veröffentlichungen über die Sitzungen des Arbeitskreises und abgegebene Stellungnahmen, wie z.B. zu den ESRS.
- Abschließend wurde darauf hingewiesen, dass das Tool Comploo als Open-Source-Infrastruktur im Kontext des Projekts digital.zirkulär.ruhr (DZR) an der Hochschule Ruhr West entwickelt wurde. Der Zugang für interessierte Unternehmen ist kostenfrei und auf langfristige Zusammenarbeit mit Wirtschaft und Wissenschaft ausgelegt.
|
Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld
BC 8/2025
BC20250802