BFH Urt. v. 19.2.2025 – XI R 18/23

Gegen die gesetzliche Höhe des Säumniszuschlags nach § 240 Abs. 1 S. 1 AO bestehen auch für Zeiträume nach dem 31.12.2018 weder verfassungsrechtliche noch unionsrechtliche Bedenken.
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Problemstellung
Aufgrund von Umsatzsteuerfestsetzungen für die Jahre 2012 bis 2014 und von Umsatzsteuer-Voranmeldungen für das 1. bis 3. Quartal 2017 und für das 1. Quartal 2018 ergaben sich Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 59,50 €.
Der Kläger beantragte den Erlass eines Abrechnungsbescheids gemäß § 218 Abs. 2 AO über diese Säumniszuschläge. Begründung: Säumniszuschläge würden einen Zinsanteil enthalten (Zinscharakter dieser steuerlichen Nebenleistung). Die Erhebung von Säumniszuschlägen sei verfassungsrechtlich deshalb (teilweise) unzulässig. Denn die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Beschluss vom 8.7.2021 (1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17, BVerfGE 158, 282) herausgearbeiteten Grundsätze, nach denen die Verzinsung nach den §§ 233a, 238 AO in Höhe von 0,5% pro Monat für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2014 mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist, seien auf Säumniszuschläge zu übertragen.
Das Finanzgericht wies auf die genannte Entscheidung des BVerfG hin. Danach könne die Verfassungsmäßigkeit der Zinshöhe nach den §§ 233a, 238 AO nicht auf die Zinshöhe bei Säumniszuschlägen übertragen werden.
Lösung
§ 240 AO (Säumniszuschläge) ist in den Streitjahren verfassungsgemäß und unionsrechtskonform. Der Liquiditätsvorteil ist bei Säumniszuschlägen nur Nebenzweck.
Der in § 240 AO vorgesehene Säumniszuschlag ist nicht dem Bereich des Strafrechts zuzurechnen. Weder die Art der Zuwiderhandlung noch die Art und Schwere der Sanktion lassen aber – sowohl bei alternativer als auch bei kumulativer Prüfung – eine Zuordnung zum Strafrecht zu. Allein die Nichtzahlung einer Abgabe innerhalb der dafür vorgesehenen gesetzlichen Frist (§ 240 Abs. 1 S. 1 AO) stellt keine „Tat“ dar, die ihrer Natur nach als strafbar angesehen werden könnte.
Säumniszuschläge dienen dazu, den Bürger zur zeitnahen Erfüllung seiner Zahlungsverpflichtungen anzuhalten und die Verletzung eben jener Verpflichtung zu sanktionieren. Daneben ist der Säumniszuschlag Gegenleistung bzw. Ausgleich für das Hinausschieben der Zahlung fälliger Steuern und dient letztlich auch dem Zweck, den Verwaltungsaufwand der Finanzbehörden auszugleichen.
Als Druckmittel eigener Art, das auf die besonderen Bedürfnisse des Steuerrechts zugeschnitten ist, haben Säumniszuschläge zwar auch repressiven und präventiven Charakter („pönale Funktion“). § 240 Abs. 1 AO hat damit nicht die vorrangige Funktion der Bestrafung von begangenem Unrecht. Vielmehr sanktioniert § 240 Abs. 1 AO lediglich eine (objektive) verfahrensrechtliche Pflichtverletzung im Hinblick auf die dadurch typischerweise bewirkte Verzögerung der Abgabeneinnahmen im Verwaltungsverfahren.
Auch sieht die Norm nicht typische strafrechtliche Sanktionen wie die Freiheitsentziehung oder die Eintragung ins Strafregister vor. Zwar können im Einzelfall die Säumniszuschläge in ihrer Summe sehr hoch sein. Auch kann nach § 328 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 329, 334 AO eine Ersatzzwangshaft in bestimmten Fällen angeordnet werden. Dieses Zwangsmittel steht aber nicht für die Vollstreckung wegen Geldforderungen zur Verfügung. Diese Umstände ermöglichen daher keine Einordnung der Säumniszuschläge nach ihrer Art und Schwere als „Straftat“.
[Anm. d. Red.]
BC 7/2025
BC20250707