Nutzung von Anwendungstools

Auch wenn die Vorgaben im Zuge entsprechender EU-Bestrebungen (Stichwort: Omnibus-VO) deutlich reduziert werden, wird von vielen Unternehmen eine Nachhaltigkeitsberichterstattung erwartet. Nachfolgend wird dargestellt, wie KI-Anwendungen in einzelnen Prozessschritten die Berichterstellung unterstützen können. Dabei werden exemplarisch konkrete KI-Tools präsentiert.
Praxis-Info!
Problemstellung
Da die Berichterstattung für Unternehmen und ihre Mitarbeitenden mit einem hohen Aufwand verbunden ist, ist die Nachfrage nach Lösungen hoch, um diese Herausforderungen zu bewältigen. Dabei können Tools zum Einsatz kommen, die einzelne Phasen des Prozesses unterstützen oder erleichtern. Besonders vielversprechend sind Softwarelösungen, die zunehmend auf KI setzen, um den manuellen Aufwand zu reduzieren und die Prozesse für die Nutzer effizienter zu gestalten. Dies betrifft neben der Durchführung der Wesentlichkeitsanalyse auch die Datenerhebung und Datenauswertung, auf deren Basis dann die Berichterstellung erfolgt.
Lösung
1. KI-Tools für die Datenerhebung und -auswertung
1.1 Funktionalitäten
Die meisten KI-Tools zur Datenerhebung und -auswertung im ESG-Bereich (ESG steht für Environmental, Social and Governance, also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) bieten eine Reihe grundlegender Funktionen, die Unternehmen bei der Analyse und Berichterstattung von ESG-Daten unterstützen. Diese Tools sammeln automatisch ESG-relevante Daten aus verschiedenen Quellen, analysieren und kategorisieren sie. Dabei werden Muster, Anomalien und Fehler erkannt. Zudem ordnen die Systeme automatisch die richtigen Emissionsfaktoren zu, um CO2-Emissionen zu berechnen. Die Ergebnisse werden in übersichtlichen Dashboards, Grafiken und Berichten dargestellt, was Unternehmen hilft, Trends und Risiken zu identifizieren und standardkonforme ESG-Berichte zu erstellen.
1.2 Beispiele
(1) Die Software KEY ESG verbindet sich mit den Systemen eines Unternehmens, um ESG-relevante Daten aus verschiedenen Bereichen wie Finanzen, Lieferketten und Umwelt zu sammeln und zu überprüfen. Das Tool nutzt KI zur Datenverifizierung und stellt sicher, dass die Berechnungen präzise sind. Die Kohlenstoffbilanzierung erfolgt nach globalen Standards wie dem GHG-Protokoll (Greenhouse Gas Protocol – „Treibhausgasprotokoll“) und der Internationalen Energieagentur (IEA – International Energy Agency), wobei automatisierte Berechnungen für Scope-1-, Scope-2- und Scope-3-Emissionen bereitgestellt werden (Scopes: Geltungsbereiche von Treibhausgasemissionen, vgl. z.B. hier). Zusätzlich unterstützt KEY ESG bei der Erstellung von Berichten, die den aktuellen regulatorischen Anforderungen entsprechen und sich fortlaufend an neue Standards wie die Europäischen Richtlinie für Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive, kurz: CSRD) anpassen.
(2) Briink kann mittlere und kleinere Unternehmen unterstützen, die für Kunden oder Lieferanten umfangreiche ESG-Fragebögen ausfüllen müssen. Briink nutzt KI, um ESG-Fragebögen automatisch zu bearbeiten, indem es relevante Informationen und Kennzahlen aus bereits vorhandenen Unternehmensdokumenten – wie Richtlinien, Jahresabschlüssen oder anderen internen Unterlagen – extrahiert. Die KI ist speziell auf ESG-Themen trainiert.
2. KI-Tools für die Wesentlichkeitsanalyse
2.1 Erstellung einer IRO-Longlist
Hierbei kann ChatGPT als erster Schritt in der Wesentlichkeitsanalyse dienen, indem es eine Longlist relevanter Nachhaltigkeitsaspekte (IROs – Impacts, Risks and Opportunities; Auswirkungen, Risiken und Chancen) erstellt. Durch eine präzise Aufgabenstellung an die KI lassen sich branchenspezifische Nachhaltigkeitsthemen identifizieren. Basierend auf den vom Nutzer bereitgestellten Informationen zur Branche, zu Stakeholdern (Interessenträger wie z.B. Kapitalgeber, Mitarbeitende, Kunden, Lieferanten etc.) und zum Geschäftsmodell können Nachhaltigkeitsaspekte hinsichtlich finanzieller Risiken und Chancen sowie Auswirkungen auf Mensch und Umwelt bewertet werden. Diese Methodik bietet einen Einstieg in die Wesentlichkeitsanalyse und liefert eine umfassende Longlist, die als Grundlage für die weitere Analyse dient.
2.2 Klima-Szenarioanalyse
Hierbei sollen die potenziellen Auswirkungen des Klimawandels auf das Geschäft transparent werden, um diese dann zu bewerten. Mithilfe von Datenmodellierung, maschinellem Lernen und Klimawissenschaft liefert z.B. das Tool von EarthScan eine Analyse der Klimarisiken, die Geschäftsvermögenswerte bedrohen. Das Tool berücksichtigt verschiedene Zeithorizonte und Szenarien und generiert Berichte, die den Offenlegungsanforderungen der CSRD und der Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD – Arbeitsgruppe für klimabezogene Finanzinformationen) entsprechen.
2.3 Gesamtlösungen zur Durchführung der doppelten Wesentlichkeitsanalyse
Neben solchen spezialisierten Tools für einzelne Aspekte der Wesentlichkeitsanalyse gibt es auch umfassende Lösungen, die den gesamten Prozess der doppelten Wesentlichkeitsanalyse abdecken. Tools wie der Double Materiality Assessment (DMA)-Generator von denxpert oder der Materiality Master, der vom gleichnamigen Anbieter angeboten wird, unterstützen Unternehmen bei der Durchführung der doppelten Wesentlichkeitsanalyse. Beim DMA-Generator gibt der Nutzer zunächst den Namen und den Hauptstandort des Unternehmens ein. Die KI bewertet dann die Nachhaltigkeitsauswirkungen, Risiken und Chancen (IROs) des Unternehmens basierend auf öffentlich verfügbaren Daten und Open-Source-Forschungsdatenbanken. Nach Angaben von denxpert werden dabei die Anforderungen der Europäischen Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS – European Sustainability Reporting Standards) und den EFRAG-Leitlinien (Europäische Beratungsgruppe für Finanzberichterstattung) zur Wesentlichkeitsanalyse beachtet. Abschließend wird ein umfassender DMA-Bericht generiert und mit Vorschlägen für IROs per E-Mail versendet.
3. KI-Tools für die Berichterstellung
Ein Beispiel hierfür ist das Softwareunternehmen Code Gaia, dessen Software KI nutzt, um die Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten zu unterstützen. Der Nutzer kann optional ein Dokument – wie z.B. eine Unternehmensrichtlinie – hochladen oder Kontextinformationen in Form von Stichpunkten oder Notizen eingeben, die dann analysiert werden. Auf der Basis der analysierten Informationen und der Anforderungen der ESRS erstellt die KI einen ersten Textentwurf für die geforderte Offenlegung. Die KI hilft dabei, klare und gut strukturierte Sätze zu formulieren und unterstützt den Nutzer bei der Anpassung und Prüfung des generierten Texts, um sicherzustellen, dass dieser korrekt, unternehmensspezifisch und ESRS-konform ist.
Auch ChatGPT kann hier eingesetzt werden, um komplexe Daten in verständliche und zielgruppenorientierte Texte zu übersetzen. Es generiert Textentwürfe, optimiert die Formulierung und stellt sicher, dass relevante Kennzahlen klar und prägnant präsentiert werden. Zudem unterstützt ChatGPT bei der Strukturierung des Berichts und liefert beispielsweise Inhaltsverzeichnisse oder Vorschläge für die Gliederung einzelner Kapitel.
4. Grenzen der KI in der Nachhaltigkeitsberichterstattung
4.1 Kontrolle und Überprüfung
Obwohl KI-Modelle Muster erkennen und Inhalte formulieren können, fehlt ihnen ein tiefgehendes Verständnis für den Kontext. Ohne relevante Eingabedaten kann es zudem vorkommen, dass die KI plausible, aber falsche Informationen erzeugt.
4.2 Regulatorische Herausforderungen und rechtliche Risiken
Die Vorgaben an die Nachhaltigkeitsberichterstattung unterliegen einem stetigen Wandel. Veraltete oder fehlerhafte Daten können nicht nur zu fehlerhaften Analysen, sondern auch zu regulatorischen Verstößen führen. Daher müssen Unternehmen sicherstellen, dass eingesetzte KI-Systeme regelmäßig aktualisiert werden und den aktuellen Standards entsprechen.
4.3 Grenzen der qualitativen Analyse
KI-Modelle sind besonders leistungsfähig bei der Verarbeitung strukturierter, quantitativer Daten. Sie stoßen jedoch an ihre Grenzen, wenn es um die Interpretation qualitativer oder kontextbezogener Informationen geht. Themen, die eine tiefere inhaltliche Auseinandersetzung oder menschliches Urteilsvermögen erfordern, können daher nicht vollständig automatisiert analysiert werden.
4.4 Qualität der zugrunde liegenden Daten
Die Daten und deren Qualität sind der entscheidende Faktor für präzise und verlässliche Analysen. Besonders herausfordernd sind komplexe Berichtsanforderungen wie Scope-3-Emissionen, die die gesamte Lieferkette umfassen und auf externe Datenquellen angewiesen sind. Daher ist es essenziell, robuste Datenmanagement-Prozesse zu etablieren und sicherzustellen, dass alle relevanten Akteure – sowohl intern als auch extern – zuverlässige und aktuelle Informationen bereitstellen.
- Die Integration von KI in das ESG-Reporting ermöglicht es Unternehmen, ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung effizienter zu erledigen. Dabei können die KI-Tools allerdings „nur“ unterstützen. Derzeit gibt es noch keine anwendbaren Universal-Tools, die quasi auf Knopfdruck auf extern verfügbare Daten und interne Informationen zugreifen können, um daraus eine Nachhaltigkeitsberichterstattung zu generieren – insbesondere, weil die Änderung der rechtlichen Vorgaben und tatsächlichen Gegebenheiten immer noch schneller ist als die KI.
- Für Einsteiger in die ESG-Berichterstellung bietet sich die Übersicht der erforderlichen Prozessschritte an, die in der Mai-Ausgabe des PKF-Magazins veröffentlicht wurde, siehe unter https://www.pkf.de/pkf-magazin/ausgaben/2025/ausgabe-5-25/nachhaltigkeitsberichterstattung-ki-prozessschritte.
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WP/StB Daniel Scheffbuch, Director der PKF Wulf & Partner Partnerschaft mbH, Stuttgart, unter Mitarbeit von Dobrica Drvoshanova.
BC 7/2025
BC20250702