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Postzugang eines Verwaltungsakts: Viertagesfrist (seit 1.1.2025)

BC-Redaktion

BFH Urt. v. 20.2.2025 – VI R 18/22

 

Der Umstand, dass der vom Finanzamt beauftragte Postdienstleister an der Anschrift des Bekanntgabeadressaten an einem Werktag innerhalb der Dreitagesfrist keine Zustellungen vornimmt, steht der Zugangsvermutung in § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO a.F. nicht entgegen.

Dies gilt auch dann, wenn an zwei aufeinanderfolgenden Tagen keine Postzustellung erfolgt, weil der zustellfreie Tag an einen Sonntag grenzt.

 


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

An einem Freitag (hier: 15.6.2018) erließ das Finanzamt einen Einkommensteuerbescheid. Dieser wurde am selben Tag an ein Postdienstleistungsunternehmen übergeben. Dieses stellt im Wohnviertel der Steuerpflichtigen Post nur an maximal fünf Werktagen der Woche zu.

Zurückgekehrt von einer Dienstreise am Dienstag, 19.6.2018, fand die Steuerpflichtige am Morgen in ihrem Briefkasten den streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheid vor.

 

 

Hinweis:

Während ihrer Abwesenheit wurde eine andere Person damit betraut, den Briefkasten zu leeren.

 

 

 

Noch am selben Tag übersandte sie den Einkommensteuerbescheid – gegen 11:40 Uhr – per Telefax an ihre Prozessbevollmächtigte. Die Prozessbevollmächtigte legte am 19.7.2018 namens der Steuerpflichtigen gegen den Einkommensteuerbescheid vom 15.6.2018 Einspruch ein.

Das Finanzamt verwarf den Einspruch als unzulässig. Da der angefochtene Bescheid am 15.6.2018 im Wege des Zentralversands zur Post gegeben worden sei, gelte er nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO a.F. als am 18.6.2018 (Montag) bekanntgegeben. Somit habe die Steuerpflichtige die Einspruchsfrist von einem Monat (nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts, vgl. § 355 Abs. 1 AO) nicht gewahrt.

Nach Auffassung der Vorinstanz sei die Einspruchsfrist erst am 19.7.2018 abgelaufen – der eingelegte Einspruch somit fristgerecht. Begründung des erstinstanzlichen Finanzgerichts: Das vom Finanzamt beauftragte Postdienstleistungsunternehmen liefere regelmäßig nicht an allen Werktagen die Post an die Steuerpflichtige. Der Steuerbescheid sei daher erst am 19.6.2018 bekanntgegeben worden. Das Finanzamt hätte den früheren Zugang nachweisen müssen.

 

 

Lösung

Der BFH lehnt die Auffassung des Finanzgerichts ab und pflichtet dem Finanzamt bei. Die einmonatige Einspruchsfrist begann am 19.6.2018 und endete am 18.7.2018.

Der Verwaltungsakt gilt in diesem Fall (gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO in der im Streitjahr geltenden Fassung) bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben. Ausnahme: Der Verwaltungsakt ist nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen. Im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

 

 

Praxishinweis:

Bis zum 31.12.2024 galt die sog. 3-Tage-Zugangsfiktion, die so auch in § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO a.F. festgehalten wurde.

Mit § 18 Abs. 1 PostModG wurden die Zustellungslaufzeiten um einen Tag erweitert. Im Jahresdurchschnitt müssen nun 95% der Briefsendungen am dritten Tag und 99% am vierten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag zugestellt werden (vgl. Thurow, im BC-Newsletter vom 1.8.2024). 

Mit der Neufassung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO n.F. gilt die Übermittlung eines schriftlichen Verwaltungsakts im Inland am vierten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben.

 

 

Der Steuerpflichtige hat zu begründen und zu belegen („substantiieren“), dass er den Verwaltungsakt nicht innerhalb der Dreitagesfrist (des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO a.F.) erhalten hat. Die bloße Behauptung (einfaches Bestreiten) ist nicht ausreichend. Das heißt: Es sind Tatsachen vorzutragen, die die Zugangsvermutung erschüttern.

Im Streitfall wurde im Wohnviertel der Steuerpflichtigen zwar an Samstagen keine, an Montagen jedoch durchaus Post vom beauftragten Postdienstleistungsunternehmen zugestellt. Aufgrund dessen erscheint vorliegend eine Zustellung des streitigen Steuerbescheids am letzten Tag der Dreitagesfrist, Montag, 18.6.2018, zumindest möglich. Diese Möglichkeit konnte die Steuerpflichtige aus eigener Anschauung auch nicht ausschließen, da sie wegen ihrer Ortsabwesenheit nicht wissen konnte, ob der Einkommensteuerbescheid, den sie am Vormittag des 19.6.2018 in ihrem Briefkasten vorfand, (erst) am selben Tag oder (bereits) am Vortag dort eingelegt worden war.

Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Steuerpflichtige ihre Mutter und eine Freundin während ihrer Abwesenheit mit der Leerung ihres Briefkastens betraut hatte. Auch hieraus kann nicht geschlossen werden, dass der streitgegenständliche Einkommensteuerbescheid erst am 19.6.2018 und nicht bereits am 18.6.2018 in ihren Briefkasten eingelegt wurde. Hierfür hätte es vielmehr des Vortrags bedurft, die mit der Leerung betrauten Personen hätten den Briefkasten der Klägerin nach der am 18.6.2018 erfolgten Zustellrunde geleert, ohne darin den Einkommensteuerbescheid vorzufinden.

Der Zugangsvermutung steht nicht entgegen, dass das Postdienstleistungsunternehmen im Streitfall an dem innerhalb der Dreitagesfrist liegenden Samstag (16.6.2018) keine Zustellungen in dem Wohnviertel der Klägerin vorgenommen hat. Ebenso wenig steht ihr entgegen, dass der Postdienstleister Postgut regelmäßig nur an fünf von sechs Werktagen ausgeliefert und damit nicht das für einen Universaldienst im Bereich der Briefleistungen geltende Qualitätsmerkmal einer werktäglichen Zustellung erfüllt hat.

An dieser Beurteilung ändert sich auch dann nichts, wenn – wie vorliegend – planmäßig an zwei aufeinanderfolgenden Tagen keine Postzustellung erfolgt, weil der zustellfreie Tag an einen Sonntag grenzt. Die Zustellung innerhalb der Dreitagesfrist wird hierdurch zwar etwas weniger wahrscheinlich, ist aber gleichwohl möglich. Die zeitlich beschränkte Zustellung berührt deshalb nicht die generelle Anwendbarkeit der Zugangsvermutung, sondern ist nach Maßgabe der vorgenannten Grundsätze allenfalls geeignet, diese – wenn der spätere Zugang des Verwaltungsakts substantiiert vorgetragen wird – zu erschüttern.

 

[Anm. d. Red.]

 

 

BC 6/2025

BC20250606

 

 

 

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