Im August 2024 ist die „EU-Verordnung über künstliche Intelligenz“ (EU-KI-VO) in Kraft getreten. Art. 4 der Verordnung schreibt vor, dass Unternehmen die KI-Kompetenz ihrer Mitarbeitenden sicherstellen müssen. Bereits am 2.2.2025 wird dieser Teil der Verordnung in Kraft treten.
Praxis-Info!
Klein und unscheinbar kommt er daher. Im Gegensatz zu anderen EU-Gesetzes- bzw. Verordnungstexten besteht Art. 4 der EU-KI-VO tatsächlich nur aus einem einzigen Satz, welcher in seiner Verschachtelung eine Hommage an Thomas Mann oder James Joyce darstellt:
„Die Anbieter und Betreiber von KI-Systemen ergreifen Maßnahmen, um nach besten Kräften sicherzustellen, dass ihr Personal und andere Personen, die in ihrem Auftrag mit dem Betrieb und der Nutzung von KI-Systemen befasst sind, über ein ausreichendes Maß an KI-Kompetenz verfügen, wobei ihre technischen Kenntnisse, ihre Erfahrung, ihre Ausbildung und Schulung und der Kontext, in dem die KI-Systeme eingesetzt werden sollen, sowie die Personen oder Personengruppen, bei denen die KI-Systeme eingesetzt werden sollen, zu berücksichtigen sind.“
- Anbieter im Sinne der EU-KI-VO sind natürliche oder juristische Personen, welche ein KI-System oder ein KI-Modell mit allgemeinem Verwendungszweck entwickeln oder entwickeln lassen und entgeltlich oder unentgeltlich unter ihrem eigenen Namen oder ihrer Handelsmarke in den Verkehr bringen. Ein Beispiel hierfür ist die Entwicklung eines eigenen KI-basierten Chatbots, welchen die Kunden nutzen können.
- Betreiber im Sinne der EU-KI-VO sind natürliche oder juristische Personen, welche KI-Systeme in eigener Verantwortung beruflich verwenden. Ein Beispiel hierfür ist die Nutzung von ChatGPT oder von einem ähnlichen Large Language Model (LLM: „Großes Sprachmodell“) zur Erstellung von Marketingtexten.
Die meisten Unternehmen werden zumindest in die Betreiber-Kategorie fallen. Zu beachten ist dabei: Der VO-Text schließt auch andere beauftragte Personen mit ein. Unternehmen müssen daher auch ein Auge auf beauftragte Drittanbieter haben.
Die Pflicht zur Schulung betrifft nur die Mitarbeitenden, welche mit dem Betrieb und der Nutzung von KI-Systemen befasst sind. Unternehmen müssen diesen Kreis der Mitarbeitenden deshalb definieren. Da sich die Anwendungsmöglichkeiten von KI-Systemen rasant entwickeln und z.B. die Co-Pilot-Applikation mittlerweile im Microsoft 365 Office Business Paket enthalten ist, sollte hier eher ein weiterer Kreis von betroffenen Mitarbeitenden erfasst werden. Die Schulungen müssen kontextbezogen sein. Beispiele:
- Für die Verwendung von LLMs ist der Bereich des richtigen Promptens (der Frageeingabe) von großer Bedeutung.
- Beim Einsatz von KI-Programmen im Personalbereich oder in anderen Bereichen mit personenbezogenen Daten sollten die Schulungen auch auf Datenschutzthemen eingehen.
- Beim Einsatz von KI-Programmen im Marketing für die Erstellung von Texten für die Webseite könnten urheberrechtliche Aspekte relevant sein.
Die kurze Beispielliste zeigt, dass Unternehmen die Schulungen dem eigenen Bedarf anpassen müssen. Es gibt hierzu mittlerweile eine Vielzahl von Angeboten mit einem breiten Qualitäts- und Preisspektrum. Die richtige Auswahl ist entscheidend für den Erfolg. Dabei stellt sich die Frage: Wie hat dieser „Erfolg“ genau auszusehen? Die EU-KI-VO ist sehr vage und fordert lediglich ein „ein ausreichendes Maß an KI-Kompetenz“. Dies muss nicht unbedingt durch teure Kurse erreicht werden. So haben z.B. Fachzeitschriften wie die BC ihre Leser bereits ausführlich informiert. In der Zeitschrift BC finden sich z.B. Beiträge zu folgenden Themen:
- Prompten: „Infobox ‚Prompting‘“ (Ortiz/Karzel/Schulz/Walther, BC 2025, 37, Heft 1); „Quick-Check zu ‚Prompt‘-Techniken“ (Rieg, BC 2024, 470 ff., Heft 10); „Prompten – Mit den richtigen Techniken Large Language Models (LLMs) optimal nutzen“ (Thurow, BC 2024, 414 ff., Heft 9).
- Datenschutz: „Datenschutz als KI-Bremse: Richtlinien und Checklisten helfen beim Wechsel auf das Gaspedal“ (Hillmer, BC 2024, 351 f., Heft 8); „ChatGPT: Beschwerde gegen OpenAI wegen Verstößen gegen die europäische Datenschutzgrundverordnung“ (DS-GVO) (Thurow, BC 2024, 201 f., Heft 5).
- Rechnungswesenspezifische Anwendungsmöglichkeiten: „Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Rechnungswesen und Controlling: Anwendungsbeispiel“ (Ortiz/Karzel/Schulz/Walther, BC 2025, 34 ff., Heft 1); „Künstliche Intelligenz (KI) im Rechnungswesen: Praktisches Anwendungsbeispiel Excel“ (Thurow, BC 2024, 156 ff., Heft 4).
Wichtig ist, die Förderung der KI-Kompetenz der Mitarbeitenden nicht nur als eine regulatorische Pflichtübung zu sehen. In einem aktuellen Report (“The Battle Against AI-driven Identity Fraud”) weist das Unternehmen Signicat darauf hin, dass mangelndes Fachwissen der Hauptgrund ist, warum lediglich 22% der befragten Unternehmen Maßnahmen zur Verhinderung von KI-gestütztem Identitätsbetrug ergriffen haben. Eine höhere KI-Kompetenz der Mitarbeitenden würde sich hier also auszahlen.
Doch nicht nur Unternehmen profitieren von einer Förderung der KI-Kompetenz ihrer Mitarbeitenden. Auch für Arbeitnehmer stellt die KI-Kompetenz ein wichtiges Qualifikationsmerkmal für den eigenen Lebenslauf dar. Die Eigenmotivation der Mitarbeitenden dürfte bei KI-Schulungen daher höher sein als bei einigen anderen Pflichtschulungen.
Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Risk Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)
BC 2/2025
BC20250213