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Zum Begriff des „Unternehmens in Schwierigkeiten“

Christian Thurow

BFH Urt. v. 7.12.2024 – VII R 14/21

 

Im EU-Recht gibt es sowohl eine Verordnung für staatliche Beihilfen als auch eine Verordnung für staatliche Beihilfen für Unternehmen in Schwierigkeiten. Schwierig ist, dass die beiden Verordnungen „Schwierigkeit“ unterschiedlich definieren. Steuerpflichtige stehen somit vor der schwierigen Aufgabe, die richtige Verordnung für ihre Schwierigkeit zu finden.


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Die Klägerin betrieb ein Kraftwerk und schloss mit ihren Kommanditisten, den Stromabnehmern, Stromlieferverträge ab, die auf eine Laufzeit von mindestens 20 Jahre angelegt waren. Die Vollkosten wurden dabei auf die Abnehmer umgelegt. Das Eigenkapital und die Kommanditeinlagen waren durch Verluste vollständig aufgebraucht. Die Bilanz wies einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag aus.

Die Klägerin beantragte für das Jahr 2017 eine Stromsteuerentlastung. Im Antrag führte die Klägerin aus, kein Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne des § 2a Abs. 2 StromStG (Stromsteuergesetz) zu sein. Das Geschäftsmodell sei so angelegt, dass die Gesellschaft in den Anfangsjahren aufgrund der hohen Zinslast und der Abschreibungen Verluste erziele, obwohl keine Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne vorliege. Sobald sich der Zinsaufwand und die Abschreibungen reduzierten, werde die Gesellschaft Gewinne erzielen und die bilanzielle Überschuldung ausgleichen.

Das Hauptzollamt lehnte den Antrag auf Steuerentlastung ab, da es sich bei der Klägerin sehr wohl um ein Unternehmen in Schwierigkeiten handle.

 

 

Lösung

Wie schon das erstinstanzliche Finanzgericht widerspricht auch der BFH der Auffassung der Klägerin. Der für § 2a StromStG relevante Begriff des „Unternehmens in wirtschaftlichen Schwierigkeiten“ ist in Art. 2 Nr. 18 AGVO  (Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung) definiert. Hiernach gilt ein Unternehmen als in Schwierigkeiten, wenn …

  • das Stammkapital oder die in den Geschäftsbüchern ausgewiesenen Eigenmittel aufgrund von Verlusten zu mehr als die Hälfte untergegangen sind,
  • das Unternehmen Gegenstand eines Insolvenzverfahrens ist oder die Voraussetzungen des jeweiligen EU-Mitgliedstaats zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens erfüllt,
  • das Unternehmen erhaltene Rettungsmittel noch nicht zurückgezahlt hat.

Für Unternehmen, welche keine KMU sind, begründet zusätzlich ein Verschuldungsgrad von mehr als 7,5 und ein anhand des EBITDA berechnetes Zinsdeckungsverhältnis von unter 1,0 eine Einstufung als „Unternehmen in Schwierigkeiten“ (EBITDA = Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization; das bedeutet „Ertrag vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen auf Sachanlagen und Abschreibungen auf immaterielle Vermögensgegenstände”).

Aber Achtung! Neben der AGVO ist der Begriff des „Unternehmens in Schwierigkeiten“ auch unter Nr. 2.2 der „Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung nichtfinanzieller Unternehmen in Schwierigkeiten“ (2014/C 249/01) definiert. Die Definitionen sind zwar weitestgehend identisch, unterscheiden sich aber in einem kritischen Punkt. Bei den Leitlinien gilt ein Unternehmen als in Schwierigkeiten, wenn es auf kurze oder mittlere Sicht so gut wie sicher zur Einstellung seiner Geschäftstätigkeiten gezwungen sein wird (Rz. 20).

Während die AGVO somit harte Kriterien enthält, kann bei den Leitlinien durch eine Fortführungsprognose der Anschein von wirtschaftlichen Schwierigkeiten widerlegt werden.

Im Ausgangsfall fallen die staatlichen Beihilfen unter den Anwendungsbereich der AGVO. Da bei der Klägerin unstreitig mehr als die Hälfte des Stammkapitals durch Verluste aufgebraucht wurde, gilt die Klägerin somit als Unternehmen in Schwierigkeiten und kann die Steuerentlastung nicht beantragen. Auf eine Fortführungsprognose kommt es in diesem Falle nicht an.

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Risk Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)

 

 

BC 2/2025

BC20250203

 

 

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