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Bürokratieentlastungsgesetz: Viele Details, geringe Erwartungen

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

Bundesrat verabschiedet BEG IV am 18.10.2024

 

Zwar enthält das am 18.10.2024 auch vom Bundesrat verabschiedete Vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) – Veröffentlichung: BGBl. I 2024, Nr. 323 vom 29.10.2024 – zahlreiche gesetzliche Neuerungen, die nach dem Willen der Bundesregierung die deutsche Wirtschaft spürbar entlasten sollen. In der Unternehmenspraxis zeigt man sich jedoch verhalten, was die tatsächlichen Wirkungen des BEG IV betrifft. Laut aktuellen Ergebnissen des German Business Panels (GBP) rechnen nur 10% der befragten Unternehmen mit einer deutlichen Reduzierung ihres bürokratischen Aufwands. Besonders gering sind die Erwartungen im Verarbeitenden Gewerbe, im Gesundheitswesen, im Baugewerbe und im Handel.


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Nachdem am 26.9.2024 der Bundestag das BEG IV beschlossen hatte, hat am 18.10.2024 der Bundesrat zugestimmt, sodass ab dem 1.1.2025 eine Vielzahl von Neuregelungen zu beachten sein wird. Laut Gesetzesbegründung soll das Gesetz Abläufe und Regeln vereinfachen und der Wirtschaft, insbesondere Selbstständigen, mehr Zeit für ihre eigentlichen Aufgaben verschaffen. Zu den zentralen Maßnahmen gehören

  • die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege von 10 auf 8 Jahre,
  • die Digitalisierung von Steuerbescheiden sowie
  • der Abbau von Melde- und Informationspflichten.
  • Zusätzlich sollen Schriftformerfordernisse herabgestuft werden, um bei digitalisierten Prozessen auf die Unterschrift auf Papier verzichten zu können.

Auf einer Sonderseite des Bundesjustizministeriums wird unter https://www.bmj.de/DE/themen/buerokratieabbau_rechtsetzung/buerokratieabbau/buerokratieabbau_node.html wie folgt Klartext gesprochen: „Deutschland unter einem Bürokratie-Burnout. Wir sorgen für weniger Zettel und mehr Wirtschaft. Zum 1.1.2025 treten wichtige Maßnahmen des BEG IV in Kraft, die die Wirtschaft und Bürger entlasten.“ Aktuell am 22.10.2024 veröffentlichte Daten des GBP zeigen jedoch, dass 69% der befragten Unternehmen davon ausgehen, dass das Gesetzesvorhaben nur geringe oder sehr geringe Auswirkungen auf ihre bürokratische Belastung haben wird. Nur 10% erwarten eine spürbare Entlastung. Die Gründe für diese Diskrepanzen zwischen vollmundigen Absichten des Gesetzgebers und gedämpften Erwartungen in der Wirtschaft werden sichtbar, wenn Einzelergebnisse des GBP-Monitors betrachtet werden.

 

 

Lösung

Dass nun trotz gedämpfter Erwartungen dennoch vieles einfacher werden könnte, zeigt sich an vielen beschlossenen Maßnahmen. Dazu gehören insbesondere, dass …

  • Buchungsbelege, wie z.B. Rechnungskopien, Kontoauszüge, Lohnaufzeichnungen und Gehaltslisten, nur noch 8 statt bisher 10 Jahre aufbewahrt werden müssen,
  • … mehr digitale Rechtsgeschäfte per E-Mail, SMS oder Messenger-Nachricht ohne das Erfordernis einer eigenhändigen Unterschrift abgeschlossen werden können,
  • digitale Arbeitsverträge ermöglicht werden, sodass Arbeitgeber auch per E-Mail über die wesentlichen Vertragsbedingungen informieren können.

Weitere Maßnahmenbereiche betreffen die Einführung digitaler Steuerbescheide, die Abschaffung der Hotelmeldepflicht für deutsche Staatsangehörige sowie Erleichterungen bei Hauptversammlungen börsennotierter Unternehmen, indem zukünftig die Unterlagen online zur Verfügung gestellt werden können.

Die Gründe für die dennoch gedämpften Erwartungen werden in den Befragungsergebnissen des GBP-Monitors deutlich: Ein Großteil der Unternehmen sieht die Hauptursache für ihre Bürokratiebelastung weniger in den Gesetzen selbst als vielmehr in deren Umsetzung durch staatliche Behörden. Über 57% der Befragten sagen, dass Bürokratie gleichermaßen durch gesetzliche Vorgaben und durch die Interaktion mit Behörden entsteht. 21,1% der Befragten geben sogar an, dass die Bürokratie vorrangig durch die Interaktion mit Behörden entsteht und weniger durch die Regelungen selbst. Besonders beklagt werden mehrfache Dateneingaben, die mangelnde Vernetzung von Behörden, der Digitalisierungsrückstand sowie lange Verwaltungsverfahren.

Die größten bürokratischen Belastungen sehen die Unternehmen im Bereich der Steuern und Sozialabgaben. 50,1% der Unternehmen nennen Steuern sogar als Hauptursache; 68,1% zählen Verpflichtungen im Zusammenhang mit Sozialversicherungen zu den drei wichtigsten Bereichen, die Bürokratie verursachen. Innerhalb der steuerlichen Verpflichtungen gehören vor allem die Gewerbesteuer und die Umsatzsteuer zu den Bürokratietreibern.

Auch die Ausweitung von Berichtspflichten im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung (Europäische Richtlinie für Nachhaltigkeitsberichterstattung – Corporate Sustainability Reporting Directive, kurz: CSRD) und des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) hat den administrativen Aufwand für Unternehmen in Deutschland verstärkt. Trotz gewisser Größengrenzen treffen diese Dokumentationspflichten laut Einschätzung von Prof. Dr. Philipp Dörrenberg (Universität Mannheim, wissenschaftlicher Projektleiter des GBP) häufig auch kleinere Betriebe, etwa wenn sie Daten in der Lieferkette weitergeben müssen. Die Daten des GBP bestätigen dies: 30% der Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden, die direkt dem LkSG unterliegen, sehen darin eine bürokratische Hürde. Für Unternehmen mit weniger als 1.000 Mitarbeitenden sind es sogar 35%.

Laut den GBP-Ergebnissen schätzen Unternehmen, dass ihnen durch unnötige bürokratische Anforderungen im Durchschnitt rund 16,9% ihres potenziellen Gewinns entgehen. Bei Unternehmen, die den Umgang mit Behörden als Hauptursache für Bürokratie ansehen, liegt dieser Verlust sogar bei 19,6%. Die Folgen der bürokratischen Belastungen zeigen sich in den Investitionsentscheidungen deutscher Unternehmen: 56,4% der Unternehmen gaben an, in den letzten zwei Jahren geplante Investitionen aus diesem Grund gestrichen zu haben. „Bürokratische Hürden durch Dokumentationspflichten entlang der Lieferkette sind häufig ein Investitionshemmnis für deutsche Unternehmen und können sogar zu volkswirtschaftlich nachteiligen Effekten führen“, so Dörrenberg. 23,6% der betroffenen Unternehmen haben deshalb Projekte ins Ausland verlagert.

Es verwundert angesichts dieser Daten nicht, dass sich bürokratische Hürden letztlich nicht nur auf Investitionen auswirken, sondern auch auf Personalentscheidungen. Die GBP-Daten zeigen, dass im Bereich „Compliance“ (Einhaltung externer Gesetze und interner Vorschriften) mehr Personal eingestellt wurde (61,5%), weniger jedoch im wachstumsfördernden Kerngeschäft. Dort haben rund 46% der Unternehmen aufgrund des bürokratischen Aufwands auf die Einstellung benötigter Fachkräfte verzichtet. Dieser Effekt ist insbesondere bei größeren Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitenden noch ausgeprägter.

 

 

Praxishinweise:

  • Den „GBP-Monitor: Unternehmenstrends im Oktober 2024“ finden Sie hier: https://www.accounting-for-transparency.de/wp-content/uploads/2024/10/gbp_monitor_okt_2024.pdf.
  • Das letzte Bürokratieentlastungsgesetz (also Nr. 3) war in 2019 verabschiedet worden. Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) strebt nun laut Bundesminister Buschmann jährliche Bürokratieentlastungen an: „Unser nächstes Ziel ist ein kraftvolles Jahresbürokratieentlastungsgesetz 2025. Denn ich bin überzeugt: Mit jährlichen Bürokratieabbaugesetzen können wir dauerhaft und substanziell für Entlastungen sorgen.“ Da allerdings mehr als die Hälfte der Bürokratielasten aus der EU stamme und nationale Maßnahmen allein deshalb nicht ausreichen, ist nach den Angaben aus dem BMJ zusammen mit Frankreich eine europäische Entlastungsinitiative gestartet worden. Ziel ist es, durch einen europäischen Bürokratiekosten-TÜV für Transparenz zu sorgen, aber parallel neue Berichtspflichten auf ein notwendiges Mindestmaß zu reduzieren.
  • Seitens Rödl & Partner wird im Gut-zu-wissen-Newsletter vom 31.10.2024 ein Überblick zu den Maßnahmenbereichen vermittelt, siehe dazu unter https://www.roedl.de/themen/buerokratie-entlastungsgesetz-bundes-regierung-digitalisierung-foerderung?utm_medium=email&utm_campaign=Gut+zu+wissen&utm_source=Oktober+2024. Hinsichtlich der verkürzten Aufbewahrungsfrist für Buchungsbelege im Steuer- und Handelsrecht (§ 147 Abs. 3 AO, § 257 Abs. 4 HGB) ist aus Buchführungssicht Folgendes bedeutsam: Eine Sonderregelung gilt mit Blick auf laufende Cum-Ex-Ermittlungsverfahren für Personen und Gesellschaften, die der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unterliegen. Für diese soll die verkürzte Aufbewahrungsfrist erst mit einer Verzögerung von einem Jahr gelten. Ansonsten wird auch die umsatzsteuerliche Frist (§ 14b Abs. 1 UStG) zur Aufbewahrung von Rechnungen entsprechend auf 8 Jahre gekürzt. Nicht gekürzt werden dagegen laut Hinweis der Rödl-Experten andere 10-jährige Aufbewahrungsfristen wie etwa für Handelsbücher und Jahresabschlüsse.
  • Die in diesem Zusammenhang ebenfalls wichtige Anhebung der monetären Schwellenwerte zur Bestimmung der Unternehmensgrößenklassen im Handelsbilanzrecht um rund 25% (Zweites Gesetz zur Änderung des DWD-Gesetzes sowie zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften, BGBl. I 2024, Nr. 120 vom 16.4.2024) wurde bereits von Zwirner/Vodermeier/Krauß (BC 2024, 208 ff., Heft 5) sowie unter https://www.drsc.de/projekte/unternehmensgroessenklassen_hgb/ ausführlich behandelt.

 

Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld

 

 

 

BC 12/2024

BC20241202

 

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