Was Unternehmen jetzt wissen müssen
Am 10.7.2024 wurde die Richtlinie (EU) 2024/1799 zur Förderung der Reparatur von Waren im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Diese neue Regelung ist Teil des „European Green Deals“ und soll den nachhaltigen Konsum stärken, indem sie die Kreislaufwirtschaft fördert. Die EU-Mitgliedstaaten haben bis zum 31.7.2026 Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.
In diesem Artikel fassen wir die wichtigsten Punkte der Richtlinie zusammen und beleuchten, welche Auswirkungen sie auf Unternehmen und Verbraucher hat.
1. Anwendungsbereich der Richtlinie
Die neue Richtlinie gilt ausschließlich für das Verhältnis zwischen Unternehmen und Verbrauchern (B2C – Business to Consumer). Im Mittelpunkt steht die Verpflichtung des Herstellers, auf Verlangen des Verbrauchers Waren zu reparieren – auch nach Ablauf der gesetzlichen Gewährleistungsfrist von zwei Jahren. Sollte der Hersteller seinen Sitz außerhalb der EU haben, geht die Pflicht gestaffelt auf den sogenannten Bevollmächtigten, den Importeur oder letztlich den Vertreiber über.
2. Welche Produkte sind betroffen?
Die Reparaturpflicht betrifft nur bestimmte Produktgruppen, für die die EU bereits Anforderungen an die Reparierbarkeit festgelegt hat. Diese sind im Anhang II der Richtlinie aufgeführt und umfassen derzeit:
- Haushaltsgeräte: Waschmaschinen, Waschtrockner, Geschirrspüler
- Elektronische Displays: Fernseher, Monitore
- Server und Datenspeicherprodukte
- Mobiltelefone und Tablets
- Produkte mit Batterien für leichte Verkehrsmittel: E-Bikes, E-Scooter.
Die Liste kann zukünftig erweitert werden, sodass weitere Produkte unter die Reparaturpflicht fallen könnten. Es ist jedoch leicht vorstellbar, dass die EU nicht lange warten wird, um weitere Produktkategorien aufzunehmen und letztendlich der überwiegende Teil an im Haushalt von Verbrauchern befindlichen Elektronikgeräten umfasst sein wird.
3. Pflichten der Hersteller
Die Richtlinie bringt für Hersteller eine Reihe von Verpflichtungen mit sich:
- Reparaturverpflichtung: Hersteller müssen auf Verlangen des Verbrauchers Reparaturen anbieten, auch nach Ablauf der Gewährleistungsfrist.
- Angemessener Preis und Zeitraum: Die Reparatur muss entweder kostenlos oder zu einem angemessenen Preis erfolgen und innerhalb eines angemessenen Zeitraums abgeschlossen sein.
- Keine erheblichen Unannehmlichkeiten: Die Reparatur darf für den Verbraucher keine erheblichen Unannehmlichkeiten verursachen.
- Leihgeräte: Während der Reparatur kann (muss aber nicht) ein Ersatzgerät zur Verfügung gestellt werden.
- Vertragsklauseln und Hardware- oder Softwaretechniken: Klauseln oder Hardware- oder Softwaretechniken, die die Reparatur behindern, sind unzulässig.
- Keine Ablehnung wegen vorheriger Reparaturen: Eine Reparatur darf nicht abgelehnt werden, nur weil zuvor ein anderer Reparaturbetrieb tätig war, es sei denn, die Reparatur ist faktisch oder rechtlich unmöglich.
4. Informationspflichten und Transparenz
Um die Rechte der Verbraucher zu stärken, sieht die Richtlinie vor, dass Hersteller umfassende Informationen bereitstellen müssen. Verbraucher sollen klar und verständlich über die Reparaturpflicht sowie die angebotenen Dienstleistungen informiert werden.
Dazu gehört auch die Verpflichtung der Hersteller, auf ihrer Website Richtpreise für typische Reparaturen anzugeben, um den Kunden eine bessere Orientierung zu bieten. Zusätzlich wird eine europäische Online-Plattform eingerichtet, die Verbrauchern dabei hilft, geeignete Reparaturbetriebe zu finden. Diese Plattform soll den Zugang zu Reparaturdiensten erleichtern und die Suche nach qualifizierten Anbietern vereinfachen. Darüber hinaus wird ein standardisiertes Reparaturformular eingeführt, das Transparenz und Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Reparaturangeboten gewährleisten soll. Dieses Formular soll es den Verbrauchern ermöglichen, sich besser über die anfallenden Kosten und den Umfang der Reparaturen zu informieren, bevor sie eine Entscheidung treffen.
5. Änderungen im Gewährleistungsrecht
Die Richtlinie bringt auch Anpassungen im bestehenden Gewährleistungsrecht mit sich:
- Verlängerung der Gewährleistungsfrist: Wenn sich der Verbraucher innerhalb der Gewährleistungsfrist für eine Reparatur entscheidet, verlängert sich die Frist einmalig um ein Jahr.
- Informationspflicht des Verkäufers: Verkäufer müssen den Verbraucher über sein Wahlrecht zwischen Reparatur und Ersatz sowie über die Verlängerung der Gewährleistungsfrist bei einer Reparatur informieren.
- Reparierbarkeit als objektives Qualitätsmerkmal: Die fehlende Reparierbarkeit eines Produkts soll künftig als objektive Anforderung im Rahmen des allgemeinen Sachmangelbegriffs gemäß § 433 BGB gelten. Dies hat Auswirkungen auf sämtliche und nicht nur von dieser Richtlinie erfassten Produkte.
6. Auswirkungen auf Unternehmen
Die Umsetzung der Richtlinie bringt für Unternehmen einige Herausforderungen mit sich, die sowohl logistischen als auch finanziellen Aufwand erfordern.
Unternehmen müssen Reparaturservices entweder neu aufbauen oder bestehende erweitern, um den Anforderungen gerecht zu werden. Zudem müssen Ersatzteile über längere Zeiträume vorgehalten werden, was eine sorgfältige Planung und möglicherweise zusätzliche Lagerkapazitäten erfordert. Auch die internen Geschäftsprozesse sollten überprüft und angepasst werden, um den neuen Pflichten gerecht zu werden. Dies betrifft insbesondere die Bereiche Kundenservice, Logistik und Produktmanagement.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Anpassung der Vertragsgestaltung. Verträge entlang der Lieferkette müssen überprüft und gegebenenfalls angepasst werden, um Rückgriffsansprüche und Verantwortlichkeiten klar zu regeln. Dies betrifft nicht nur die Zusammenarbeit mit Zulieferern, sondern auch Vereinbarungen mit Dienstleistern, die für Reparaturen zuständig sind.
Warum sollten Sie jetzt handeln?
Obwohl die Frist zur Umsetzung der EU-Richtlinie bis Juli 2026 läuft, ist es ratsam, bereits jetzt mit der Überprüfung und Anpassung der internen Prozesse und Vertragswerke zu beginnen. Die Umsetzung kann zeitaufwendig und komplex sein, insbesondere in Bereichen wie den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), die möglicherweise an die neuen Anforderungen angepasst werden müssen. Auch bestehende Vertragswerke, insbesondere Lieferverträge und Vereinbarungen mit Dienstleistern, sollten auf mögliche Rückgriffsansprüche und Haftungsfragen hin überprüft werden.
Darüber hinaus müssen Unternehmen sicherstellen, dass Ersatzteile für reparaturpflichtige Produkte über einen längeren Zeitraum verfügbar sind. Dies erfordert möglicherweise Anpassungen in der Lieferkette und eine engere Zusammenarbeit mit Zulieferern. Das Vorhalten von Ersatzteilen kann erhebliche logistische und finanzielle Herausforderungen mit sich bringen, weshalb eine frühzeitige Planung unerlässlich ist.
Da die Umsetzung der Richtlinie für jedes Unternehmen individuell ist und je nach Produktportfolio unterschiedlich lange dauern kann, sollten Unternehmen nicht zögern, frühzeitig Maßnahmen zu ergreifen.
RA Daniel Lauschke, Dr. Kleeberg & Partner GmbH WPG StBG, München (www.kleeberg.de)
BC 10/2024
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