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Zufluss nicht ausgezahlter Tantiemen bei beherrschendem Gesellschafter-Geschäftsführer

Christian Thurow

BFH Urt. v. 5.6.2024 – VI R 20/22

 

Wann genau fließen einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer Einnahmen aus Tantiemeforderungen zu? Obwohl die Frage recht einfach klingt, zeigt die Antwort des BFH doch, wie komplex und vielschichtig dieser Sachverhalt ist.


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Ein beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer hatte laut seinem Geschäftsführervertrag neben seinem monatlichen Gehalt Anspruch auf eine Tantieme in Höhe von 20% des Jahresgewinns. Die Tantieme war binnen eines Monats nach Feststellung des Jahresabschlusses zahlbar. Für die Streitjahre 2015 bis 2017 wurden die Tantiemen weder ausbezahlt noch aufseiten der GmbH ein entsprechender Passivposten in der Bilanz gebildet.

Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung gelangte der Prüfer zu der Überzeugung, dass die Tantiemen bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung als zugeflossen gelten. Auf die tatsächliche Auszahlung komme es nicht an, da diese in der Hand des Gesellschafter-Geschäftsführers liege. Entsprechend wurden die Tantiemen für die Streitjahre der Lohnsteuer unterworfen.

Das erstinstanzliche Finanzgericht vertrat die Ansicht, dass vereinbarte, aber nicht ausgezahlte Tantiemen auch bei einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer nicht als zugeflossen gelten, wenn bei der Gesellschaft keine entsprechende Verbindlichkeit passiviert worden ist und sich die Tantiemen deshalb weder in den Streitjahren noch in späteren Zeiträumen mindernd auf das Einkommen der Gesellschaft ausgewirkt haben.

 

 

Lösung

Der BFH stimmt der Revision des Finanzamts zumindest in Teilen zu. Ob und wann bei einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer von einem Zufluss von Tantiemen auszugehen ist, bestimmt sich nach verschiedenen Faktoren:

  • Grundsätzlich fließen einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer die Einnahmen aus Tantiemeforderungen gegen seine Kapitalgesellschaft bereits bei Fälligkeit zu.
  • Die Fälligkeit des Tantiemeanspruchs tritt mit der Feststellung des Jahresabschlusses ein, sofern kein anderer (fremdüblicher) Fälligkeitszeitpunkt wirksam vereinbart wurde.
  • Tantiemeforderungen, die in den festgestellten Jahresabschlüssen nicht (als Verbindlichkeiten) ausgewiesen sind, fließen dem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer auch nicht zu. Es ist aber im Einzelfall zu prüfen, ob die unterlassene Tantiemezahlung eine verdeckte Einlage darstellt.

Im Ausgangsfall ist die  Tantieme weder gezahlt noch in den Jahresabschlüssen ausgewiesenworden. Zu Recht hat das erstinstanzliche Finanzgericht daher festgestellt, dass es bei dem Gesellschafter-Geschäftsführer nicht zu einem Zufluss gekommen ist. Allerdings hat es das Finanzgericht unterlassen, festzustellen, warum die Tantiemen nicht passiviert und ausgezahlt worden sind. Hierbei gibt es zwei mögliche Szenarien:

  • Der Kläger hat einvernehmlich mit der GmbH die Tantiemezusage vor der Entstehung der Tantiemeansprüche zum jeweiligen Jahresende aufgehoben --> keine verdeckte Einlage.
  • Der Kläger hat auf die bereits entstandenen Tantiemeansprüche verzichtet --> verdeckte Einlage.

    Zur entsprechenden Sachverhaltsaufklärung wird der Fall daher an das Finanzgericht zurückverwiesen.

     

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)

 

 

BC 8/2024

BC20240801

 

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