BFH Urt. v. 31.1.2024 – V R 20/21
1. Für die Verlagerung der Steuerschuldnerschaft nach § 13b Abs. 5 S. 1 Hs. 1 UStG kommt es nicht auf die Verwendung einer gültigen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer durch den Leistungsempfänger an.
2. Die Verlagerung der Steuerschuldnerschaft vom leistenden Unternehmer auf den Leistungsempfänger wirkt zugunsten des leistenden Unternehmers und führt zu einer den leistenden Unternehmer hinsichtlich der Voraussetzungen des § 13b Abs. 5 S. 1 Hs. 1, Abs. 1 UStG treffenden Feststellungslast.
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Problemstellung
Die in der EU ansässige Kapitalgesellschaft X betrieb einen Online-Marktplatz, auf dem sowohl Unternehmer als auch Nichtunternehmer („Endverbraucher“) Gegenstände zum Kauf anboten. Die Dienstleistungen der X bestanden darin, den Anbietern der Waren den Zugang und die Nutzung des Online-Marktplatzes zu gewähren‚ wofür X Gebühren von den Nutzern erhob, deren Höhe sich vornehmlich nach den Verkaufserlösen richtete. Bei der Registrierung mussten die Leistungsempfänger angeben, ob sie als Privatperson („privates Konto“) oder als Unternehmer („gewerbliches Konto“) den Marktplatz nutzen wollten.
Erfolgte eine Anmeldung als Unternehmer, mussten in der Eingabemaske folgende Angaben gemacht werden:
- Unternehmenstyp (Branche),
- Rechtsform des Unternehmens,
- vorhandene Handelsregisternummer,
- Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.),
- Name des gesetzlichen Vertreters des Unternehmens,
- Adresse des Unternehmens sowie
- Telefonnummer und E-Mail-Adresse.
Wurde keine USt-IdNr. angegeben, war dies gesondert zu bestätigen. Sofern der Leistungsempfänger eine USt-IdNr. eintrug, prüfte X diese auf Gültigkeit. Die Prüfung erfolgte bei neu eingegebenen Nummern wöchentlich in einer Sammeldatei automatisiert über das Mehrwertsteuer-Informationsaustauschsystem der Europäischen Union. Darüber hinaus überprüfte X sämtliche USt-IdNrn. – unerheblich, ob bereits seit Längerem angelegt oder neu eingetragen – für jedes Kalendervierteljahr neu.
Registrierte sich ein Leistungsempfänger als gewerblicher Nutzer, gab aber keine oder eine ungültige USt-IdNr. an‚ prüfte und bejahte X die Unternehmereigenschaft des Leistungsempfängers, wenn bei diesem eines von drei Kriterien zur Bejahung einer Unternehmereigenschaft vorlag (Verkauf von mindestens … Artikeln im laufenden Jahr oder im Vorjahr, Gebühren von mindestens … € im laufenden Jahr oder im Vorjahr, Nutzung der gewerblichen Plattform).
Handelte es sich bei den Leistungsempfängern nach den von ihnen gemachten Angaben um eine im Inland ansässige Person und lag in Bezug auf diese Person eines der drei Kriterien vor, ging X von einer Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (gemäß § 13b Abs. 5 S. 1 UStG) aus.
Nach Auffassung des Finanzamts dürfen nur die Leistungsempfänger als Unternehmer behandelt werden, für die eine gültige USt-IdNr. vorgelegen habe. Die drei von X angelegten Kriterien seien nicht geeignet, die Unternehmereigenschaft der Leistungsempfänger anzunehmen.
Lösung
Die Verwendung einer gültigen USt-IdNr. durch den Leistungsempfänger ist keine Voraussetzung dafür, den Leistungsempfänger als Unternehmer (im Sinne des § 13b Abs. 5 S. 1 Hs. 1 UStG i.V.m. § 2 Abs. 1 UStG) anzusehen. Allerdings muss die Person des Leistungsempfängers hinreichend bekannt, d.h. identifizierbar sein.
Für sonstige Leistungen im Sinne von § 3a Abs. 2 UStG (insbesondere Dienstleistungen aller Art) , die ein im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer an einen im Inland ansässigen Unternehmer erbringt, besteht eine Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers. Voraussetzung: Der Leistungsempfänger ist ein Unternehmer (vgl. § 13b Abs. 5 S. 1 Hs. 1 und Abs. 1 UStG). Unternehmer ist (nach § 2 Abs. 1 S. 1 UStG), wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Wirtschaftliche Tätigkeiten sind unter anderem alle Tätigkeiten eines Händlers. Bereits der Name, der „Firmenname“ und die Adresse der Leistungsempfänger reichen aus, um die Existenz und Identität der Leistungsempfänger sowie ihre Unternehmereigenschaft zu überprüfen.
Eine Vorschrift, die dem leistenden Unternehmer einen bestimmten (buch- und belegmäßigen) Nachweis hinsichtlich der Person des Leistungsempfängers (im Sinne des § 13b Abs. 5 S. 1 Hs. 1 UStG) auferlegt, gibt es nicht. In jedem Fall trifft den leistenden Unternehmer bei einer Verlagerung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger eine Feststellungslast (objektive Beweislast), dass Letzterer (gemäß § 13b Abs. 5 S. 1 Hs. 1, Abs. 1 UStG) ein Unternehmer ist.
[Anm. d. Red.]
BC 5/2024
BC20240506