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Anlaufverluste im Regelfall, aber nicht ausnahmslos ansetzbar

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

BFH-Beschluss vom 10.4.2013, X B 106/12

 

Bei neu gegründeten Gewerbebetrieben spricht der Beweis des ersten Anscheins grundsätzlich für eine Gewinnerzielungsabsicht. Verlusten in der Anlaufzeit ist aber dann die steuerliche Anerkennung zu versagen, wenn aufgrund der konkreten Geschäftsentwicklung eindeutig feststeht, dass der Betrieb von vornherein nicht in der Lage gewesen ist, nachhaltige Gewinne zu erzielen.

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Mit der Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht bei Verlustbetrieben hatte sich der BFH in einem Verfahren zu befassen, in dem die Kläger über einen langen Zeitraum hohe Anlaufverluste geltend gemacht hatten. Dazu hatte das Finanzgericht (FG) festgestellt: Nach der Art und Gestaltung der Betriebsführung des Klägers sei dessen (erweiterter) Betrieb bei objektiver Betrachtung weder in der Lage gewesen, die bereits erwirtschafteten Verluste auszugleichen noch einen Totalgewinn zu erzielen. Deshalb hat das FG die Voraussetzungen für den Ausnahmefall als erfüllt angesehen, wonach einer unternehmerischen Tätigkeit die steuerliche Anerkennung versagt werden kann, auch wenn der Anlaufzeitraum noch nicht abgeschlossen ist.

 

 

Lösung

Dem hat sich der BFH angeschlossen. Die Ausnahmeregelung greift hiernach u.a. dann, wenn aufgrund der bekannten Entwicklung des Betriebs Folgendes eindeutig feststeht: Der Betrieb war so, wie er vom Steuerpflichtigen betrieben wurde, von vornherein nicht in der Lage, nachhaltige Gewinne zu erzielen und hat deshalb nach objektiver Beurteilung von Anfang an keine Einkunftsquelle im Sinne des Einkommensteuerrechts dargestellt.

Der BFH bezieht sich dazu auf seine frühere gefestigte Rechtsprechung, wonach zwar bei neu gegründeten Gewerbebetrieben der Beweis des ersten Anscheins grundsätzlich für eine Gewinnerzielungsabsicht spreche. Es gelte aber eine Einschränkung für die Fälle, in denen die Art des Betriebs bzw. seine Bewirtschaftung von vornherein gegen eine Gewinnerzielungsabsicht sprächen. Dies betreffe Unternehmen, die nach der Lebenserfahrung typischerweise dazu bestimmt und geeignet seien, persönlichen Neigungen der Steuerpflichtigen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkommenssphäre zu dienen (z.B. der Privatsphäre zuzurechnenden Liebhaberei). Das Vorliegen einer solchen Einschränkung habe das FG im Streitfall zu Recht als gegeben angesehen.

Das FG hatte seine Entscheidung anhand von Feststellungen zur konkreten Betriebsführung getroffen, an die der BFH sich gebunden sieht: Danach hätten im vorliegenden Fall die Einnahmen mit dem Hauptauftraggeber nicht einmal zur Deckung der Personal- und Betriebskosten gereicht. Zudem sei nicht ersichtlich gewesen, ob und wie diese Kostenunterdeckung gegenüber der GmbH hätte beseitigt werden können. Aufgrund der Art und Weise der pauschalen Abrechnung der Personalgestellung und Bereitstellung von Geräten sei auch nicht feststellbar gewesen, ob und inwieweit das beschäftigte Personal sowie die vorhandenen Maschinen tatsächlich ausgelastet gewesen seien und wie deren Auslastung – ggf. durch Fremdaufträge – hätte optimiert werden können.

 

 

Praxishinweise:

  • Ob weitere Fakten zur vorgefundenen Art der Betriebsführung (geringe Werbemaßnahmen, Anschaffung eines hochwertigen Mittelklassewagens trotz zu hoher Personalkosten und mit eher fragwürdigem Nutzen für die Berufsausübung [hier: Hausmeistertätigkeit]) den Ausschlag gaben oder nicht, kann dahingestellt bleiben. Immer aber kommt es in solchen Fällen aus Sicht des Unternehmens, das den Verlustabzug begehrt, auf Folgendes an: Es muss ein konkretes Bemühen nachgewiesen werden, wie mit geeigneten Maßnahmen den Verlustursachen begegnet werden kann. Von selbst versteht sich beinahe, dass hier kostenintensive Anschaffungen mit zweifelhaftem Nutzwert in ohnehin kritischer Betriebslage kontraproduktiv wirken.
  • Das gilt insbesondere für Konstellationen mit „familiärer Verquickung“; so verhielt es sich im Streitfall, in dem der Hauptauftraggeber eine mit dem Sohn gegründete GmbH war.
  • Auch die Beanstandung der Kläger, das FG habe nur einen Zeitraum von 11 Jahren berücksichtigt, während die zu betrachtende Totalgewinnperiode vom BFH typisierend auf 30 Jahre festgelegt wurde (so BFH-Entscheidungen vom 6.11.2001, IX R 97/00, BStBl. II 2002, 726, sowie vom 5.3.2007, X B 146/05, BFH/NV 2007, 1125), ließ der BFH nicht gelten. Denn dieser Zeitraum von 30 Jahren könne keineswegs für jedwede Tätigkeit in Anspruch genommen werden, sondern hänge vielmehr von der Art der jeweiligen Betätigung ab und sei deshalb beispielsweise bei langfristigen Immobilienfinanzierungen anzusetzen. Auf gewerbliche Aktivitäten wie die des Klägers könne das nicht übertragen werden.
  • Die Kläger hatten schließlich die Auffassung vertreten, eine wesentliche Ausweitung der geschäftlichen Tätigkeit führe bei Veränderung des Unternehmensgegenstands zu einer neuen Anlaufphase. Insoweit fehle es an einer eindeutigen Rechtsprechung. Auf die sicher schwierige Abgrenzungsfrage, ab wann von einer Erweiterung des Unternehmensgegenstands auszugehen ist und dementsprechend Überlegungen zu einer neuen Anlaufzeit angestellt werden könnten, kam es nach Ansicht des BFH aber gar nicht an. Denn im Einklang mit der Vorentscheidung des FG sei hier aus den oben genannten Gründen ohnehin der Fall gegeben, dass ausnahmsweise eine Versagung der steuerlichen Anerkennung bereits in der Anlaufphase gerechtfertigt sei.

 

Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, Coesfeld

 

BC 7/2013

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