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Steuerliche Rückstellungsberechnung: Maßgeblichkeit niedrigerer handelsrechtlicher Bilanzwerte

BC-Redaktion

OFD Münster, Verfügung vom 13.7.2012, S 2170a – 234 – St 12 – 33

 

Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG ist bei Gewerbetreibenden, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, oder die ohne eine solche Verpflichtung Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse machen, für den Schluss des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist (Maßgeblichkeitsprinzip). Ein anderer Ansatz ist nur dann zulässig, wenn steuerrechtliche Ansatz- oder Bewertungsvorbehalte bestehen oder im Rahmen der Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts ein anderer Ansatz gewählt wurde (§ 5 Abs. 6 EStG, vgl. auch BMF v. 12.3.2010, IV C 6 – S 2133/09/10001, BStBl. I 2010, S. 239; und v. 22.6.2010, IV C 6 – S 2133/09/10001, BStBl. I 2010, S. 597, EStH 2011 Anhang 9 III).

Insbesondere aufgrund des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) kommt es nunmehr im Bereich der handelsrechtlichen Bewertung von Rückstellungen zu erheblichen Wertveränderungen. So sind nach § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB Rückstellungen in Höhe des nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrages anzusetzen. Dabei sind Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr nach § 253 Abs. 2 Satz 1 HGB mit dem ihrer Restlaufzeit entsprechenden durchschnittlichen Marktzinssatz der vergangenen sieben Geschäftsjahre abzuzinsen. Für Verpflichtungen, die steuerrechtlich nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e Satz 2 EStG keiner bzw. einer Abzinsung nur bis zum Beginn der Erfüllung der Verpflichtung (Sachleistungsverpflichtungen) unterliegen, führt dies häufig dazu, dass der handelsrechtliche Wertansatz niedriger ist als der steuerrechtliche, denn handelsrechtlich erstreckt sich der Abzinsungszeitraum über den Zeitpunkt des Beginns der Erfüllung hinaus (IDW RH HFA 1 009 v. 23.6.2010, IDW Fachnachrichten 2010, 354, Rn. 9).

Hinsichtlich der Frage, ob nunmehr der handelsrechtlich anzusetzende abgezinste und damit niedrigere Wert über § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG für die Steuerbilanz die Wertobergrenze bildet, oder ob der nicht abgezinste höhere steuerrechtliche Wert in der steuerlichen Gewinnermittlung zum Ansatz kommt, wird gebeten, aufgrund einer bundesweiten Abstimmung folgende Rechtsauffassung zu vertreten:

Entsprechend dem Wortlaut des Einleitungssatzes zu Nr. 3a des § 6 Abs. 1 EStG und der Erläuterung in der Gesetzesbegründung hierzu (BT-Drs. 14/443, S. 23) ist der handelsrechtliche Rückstellungsbetrag für die steuerrechtliche Bewertung der Rückstellung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG auch dann maßgeblich, wenn der Ausweis der Rückstellung in der Handelsbilanz niedriger als der sich nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG ergebende Wert ist.

 

 

Praxis-Info!

Die OFD-Verfügung beschränkt sich auf die sog. sonstigen Rückstellungen, wobei es nur um solche geht, die auch steuerbilanziell zulässig sind (z.B. Gewährleistungsrückstellungen, Urlaubsrückstellungen). Insbesondere Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften (gemäß § 5 Abs. 4a EStG) dürfen in der Steuerbilanz nicht gebildet werden. Die Pensionsrückstellungen, bei denen umfangreiche Abweichungen zur steuerlichen Bewertung bestehen, werden von der OFD-Verfügung nicht angesprochen.

Die Bewertung von sonstigen Rückstellungen wurde durch das BilMoG neu geregelt:

  • Zum einen sind in der Handelsbilanz künftige Kosten- und Preissteigerungen in die Bewertung einzubeziehen.
  • Der neu eingeführte § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. f EStG legt hingegen fest: Bei der Rückstellungsbewertung bleiben in der Steuerbilanz die Wertverhältnisse am Bilanzstichtag maßgeblich; künftige Kosten- und Preissteigerungen spielen in der steuerlichen Bewertung keine Rolle.

Auch bei der Wahl des Diskontierungssatzes für die Abzinsung fallen Handels- und Steuerrecht auseinander:

  • Steuerrechtlich werden sonstige Rückstellungen unverändert mit 5,5% (§ 6 Abs. 1 Nr. 3e EStG) abgezinst,
  • während handelsrechtlich Rückstellungen mit einer Laufzeit größer als einem Jahr mit dem durchschnittlichen laufzeitadäquaten Marktzinssatz der letzten sieben Jahre abzuzinsen sind.

Durch die Verwendung von Zinssätzen der vergangenen sieben Geschäftsjahre sollen Einflüsse zufälliger Zinsschwankungen eingedämmt werden. Zugleich wird allerdings eine übereinstimmende Bilanzierung von langfristigen Rückstellungen in der Handels- und Steuerbilanz rein zufällig sein. Rückstellungen werden folglich in der Steuerbilanz regelmäßig mit einem geringeren Wert als in der Handelsbilanz ausgewiesen – bis auf die genannten Sachleistungsverpflichtungen.

Die von der OFD-Verfügung aufgegriffenen Sachleistungsverpflichtungen betreffen Dienstleistungs- und Werkleistungsverpflichtungen (z.B. Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen, Jahresabschlusserstellung/-prüfung, Restrukturierungsvorhaben, umweltschutzrechtliche Auflagen), d.h., alle Verpflichtungen, die keine Geldleistungsverpflichtungen sind (z.B. die Rückstellungen für Instandhaltung).

Der Abzinsungszeitraum (gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG) ist

  • bei Geldleistungsverpflichtungen der Zeitraum bis zur Fälligkeit dieser Verpflichtung (Fälligkeit beschreibt den Zeitpunkt, von dem an der Gläubiger die Leistung vom Schuldner verlangen kann),
  • bei Sachleistungsverpflichtungen der Zeitraum bis zum Beginn der Erfüllung (bei Rückstellungen für Verwaltungskosten künftiger steuerlicher Betriebsprüfungen beispielsweise bis zum Beginn der zu erwartenden Außenprüfung).

Mit den speziellen steuerrechtlichen Vorschriften soll die Bewertung der Rückstellungen jedoch keinesfalls abschließend geregelt werden, vielmehr nur die handelsbilanzielle Rückstellungsbewertung für steuerbilanzielle Zwecke begrenzt werden. Dies ergibt sich aus der Formulierung in dem Eingangssatz von § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG: „Rückstellungen sind höchstens insbesondere unter Berücksichtigung folgender Grundsätze anzusetzen“.

Da bei den Sachleistungsverpflichtungen – wegen des unterschiedlichen Abzinsungszeitraums – der handelsrechtliche Rückstellungsbetrag häufig niedriger ist als der steuerrechtliche, darf nunmehr nicht nur der handelsrechtlich niedrigere Wert angesetzt werden, sondern ist sogar maßgeblich für die Steuerbilanz (Passivierungspflicht). Damit kommt es zumindest in diesem Punkt nicht zu einer Abweichung von Handels- und Steuerbilanz. Die dahinter stehende fiskalische Absicht, ein möglichst hohes Steueraufkommen zu erzielen, darf auch nicht unerwähnt bleiben (in dubio pro fisco – im Zweifel für das Finanzamt).

 

 

Praxishinweis:

Zur steuerbilanziellen Bewertung von Sachleistungsrückstellungen vgl. das Beispiel von Thurowhier.

 

[Anm. d. Red.]

 

 

BC 9/2012                  

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