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Nachweis eines niedrigeren Grundstückswertes durch ein Sachverständigengutachten

Dr. Antje Weber und Kristin Markgraf

BFH-Urteil vom 3.12.2008, II R 19/08

 

Wird für den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes ein Gutachten eines Sachverständigen vorgelegt, aus welchem sowohl der Sachwert als auch der Ertragswert hervorgehen und legt der Gutachter dar, weshalb nur nach dem Ertragswert zu bewerten ist, so darf das Finanzamt ohne Begründung nicht einen Mittelwert beider angegebenen Werte bilden und der Bewertung zugrundelegen. Dennoch kann die Preisbildung unabhängig von den Ertragserwartungen am Markt hinterfragt werden.

[Leitsatz d. Red.]

 

 

Praxis-Info!

 

 

Problemstellung

 

Im vorliegenden Fall verstarb die Mutter zweier Kinder und hinterließ ein gewerblich genutztes und bebautes Grundstück. Dieses erbten die 2 Kinder je zur Hälfte des hälftigen Miteigentumsanteils.

Das Finanzamt ermittelte zunächst den Wert im Rahmen der Bedarfsbewertung (entsprechend § 146 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BewG): Es wurde ein Ertragswert in Höhe von T€ 1.958 festgelegt, so dass auf den jeweils erworbenen 1/4-Anteil am Grundstück ein Teilbetrag von T€ 489 entfällt.

Gegen den Bescheid des Finanzamtes legten die Kinder (Kläger) unter Vorlage eines Gutachtens eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Grundstücksbewertung Einspruch ein mit dem Ziel, den Grundstückswert niedriger festzustellen.

Der Gutachter stellte zwei Werte fest:

  • Sachwert von T€ 1.697,
  • Ertragswert von T€ 1.180.

Er vertrat die Ansicht: Im Rahmen dieser Wertfestlegung sei ausschließlich auf den Ertragswert abzustellen und damit der Wert von T€ 1.180 (1/4-Anteil: T€ 295) anzusetzen sei.

 

Hinweis:

  • Sachwert ist der verkörperte Gebrauchswert, der unabhängig von Geldschwankungen ist. Er ermittelt sich aus dem Bodenwert und dem Bauwert.
  • Der Ertragswert wird ermittelt, wenn ein Objekt Erträge abwirft, z.B. in Form von Mieten oder Pachten. Ausgangspunkt sind die Erträge abzüglich der Bewirtschaftungskosten, hochgerechnet auf die Restnutzungsdauer des Objekts. Betriebswirtschaftlich gesprochen ist der Ertragswert der abgezinste Zahlungsüberschuss oder der Barwert des Cash-Flows.

Diese Werte können durchaus erheblich voneinander abweichen, wie im vorliegenden Fall.

 

 

 

Das Finanzamt indessen minderte aufgrund des Gutachtens den Grundstückswert, indem es allerdings den Mittelwert der vom Sachverständigen vorgelegten Werte (Sachwert: T€ 1.697 und Ertragswert: T€ 1.180) bildete (T€ 1.438). Der anteilige Grundstückserwerb der Kinder wurde nunmehr mit jeweils T€ 360 bewertet.
 

 

Hintergrund

 

Generell gilt: Für bebaute Grundstücke ist bei der Bewertung (gemäß § 146 Abs. 1 bis 5 BewG) der Ertragswert oder alternativ der Sachwert zugrunde zu legen. Hiervon kann (gemäß § 146 Abs. 6 BewG) abgewichen werden, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass der gemeine Wert des Grundstücks niedriger ist als der nach den Absätzen 2 bis 6 der Vorschrift ermittelte Wert (Ertrags- oder Sachwert). Der Nachweis kann beispielsweise durch Vorlage eines Gutachtens, das den Vorgaben der Wertermittlungsverordnung (WertV) entspricht und plausibel ist, durch einen Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken geführt werden.

 

Achtung!

Inwieweit ein Gutachten den geforderten Nachweis erbringt und damit anerkannt ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung des Finanzamts oder der Gerichte (BFH vom 10.11.2004, BStBl. II 2005, S. 259). Der Nachweis ist generell erbracht, wenn die Behörde oder das Gericht dem Gutachten ohne Einschaltung bzw. Bestellung weiterer Sachverständiger folgen kann.

 

 

 

  • Anforderungen an das Gutachten: Dem Gutachten sind die bewertungsrechtlichen Grundsätze zugrunde zu legen. Das bedeutet, es ist der richtige Bewertungsstichtag (§ 9 ErbStG, § 138 Abs. 1 Satz 2 BewG) festzustellen. Zudem sind nicht nur die tatsächlichen, sondern auch die Wertverhältnisse zu berücksichtigen.
    Der Wert in dem Sachverständigengutachten muss auf Basis der Wertermittlungsverordnung ermittelt sein, die Werte müssen einer Plausibilitätsprüfung standhalten, und es muss das Nachvollziehen durch einen fremden Dritten in kurzer Zeit möglich sein.
  • Anforderungen an das Ermittlungsverfahren: Das angewandte Wertermittlungsverfahren muss für das zu bewertende Grundstück geeignet sein. Mögliche Verfahren sind Verkehrswert-, Vergleichswert-, Ertragswert- oder/und das Sachwertverfahren. Welches Verfahren angewandt wird, ist im Einzelfall zu entscheiden und zu begründen. Wendet man mehrere Verfahren an, so ist der Verkehrswert unter Würdigung der einzelnen Ergebnisse hinsichtlich ihrer Aussagefähigkeit zu ermitteln (§ 7 Abs. 1 Satz 3 WertV).
    Die so ermittelten Werte sind (gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 WertV) unter Berücksichtigung der Lage auf dem Grundstücksmarkt zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen.

Im vorliegenden Fall stellte der BFH diesbezüglich fest, das vorgelegte Gutachten würdige den niedrigeren gemeinen Wert nicht umfassend. Die Anwendung des Ertragswertes wurde zwar richtig ermittelt und seine Anwendung zutreffend begründet, aber Folgendes ist zu bemängeln:

  1. Die Lage auf dem Grundstücksmarkt ist anbieter- und nachfragerseitig unberücksichtigt geblieben (§ 3 Abs. 3, § 7 Abs. 1 Satz 2 WertV).
  2. Ein unbegründeter Liegenschaftszinssatz in Höhe von 6% wurde als Hilfswert angenommen,
  3. Die oberste Grenze für Bewirtschaftungskosten für derartige Grundstücke ist unbegründet angesetzt worden.
  4. Es wurde ein unbegründeter Bodenwertabschlag aufgrund der baulichen Gegebenheiten vorgenommen.

 

 

Lösung

 

Der BFH verwies die Sache an das Finanzgericht München als nicht spruchreif zurück. Das Finanzgericht muss den Erben (Klägern) eine angemessene Frist zur Begründung bzw. Nachbesserung seines vorgelegten Gutachtens geben.

Der BFH gibt zudem zu obigen Punkten eine Entscheidungshilfe:

  1. Unterbleibt die Nachweisführung zu 1., gilt der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts als nicht geführt. Fällt beispielsweise der Ertrag durch Leerstand des Gebäudes niedrig aus, muss geprüft werden, ob die Nachfrage nicht so hoch ist (und der Eigner auch zu diesem Preis verkaufen würde), dass der niedrigere Ertragswert weit überstiegen und damit gegebenenfalls nicht angesetzt werden kann.
  2. Der Liegenschaftszins wird zwar generell anerkannt, es ist jedoch anzugeben, ob ein veröffentlichter Liegenschaftszinssatz nicht vorhanden oder ein marktüblicher Liegenschaftszinssatz nicht feststellbar gewesen ist.
  3. Können die Bewirtschaftungskosten nicht nachgewiesen werden, wäre gegebenenfalls an die untere Grenze des Üblichen zu gehen.
  4. Sollte die Nachbesserung zu 4. nicht gelingen, wäre der vorgenommene Bodenwertabschlag zu streichen.

 

Praxistipps:

  • Bitte beachten Sie die Anforderungen, die an ein Gutachten durch einen Sachverständigen gestellt werden (Anwendung der WertV vom 6.12.1988 (BGBl. I 1988, 2209): Plausibilität, Nachvollziehen durch einen fremden Dritten in kurzer Zeit).
  • Bitte beachten Sie die Unterschiede bei Sachwert, Ertragswert und den möglicher Weise anzusetzenden niedrigeren Wert. Diese Werte können erheblich voneinander abweichen und ziehen einen entsprechend unterschiedlichen Steueraufwand nach sich.
  • Die Wertverhältnisse stellen zwar auf den 1.1.1996 ab (§ 138 Abs. 1 Satz 2 BewG). § 146 BewG richtet sich jedoch nach dem Durchschnitt der in den letzten drei Jahren vor dem Besteuerungszeitpunkt erzielten Jahresmieten. Damit werden zur Vergleichbarkeit Werte herangezogen, die zum 1.1.1996 (§§ 140 ff. BewG) und zeitnah in Form des Ertragswertes (die letzten drei Jahre einschließend) nach § 146 BewG zu ermitteln sind.
  • Beim Hinzuziehen eines Gutachters achten Sie bitte darauf, dass er begründete Werte und einen nachvollziehbaren Wertansatz (ggf. verschiedene Werte) vorlegt. Ein Gutachten, das zwar Ihren Vorstellungen entspricht, aber bei der Finanzverwaltung keinen oder nur eingeschränkten Bestand hat, ist teuer und erfüllt den gewünschten Zweck nicht.
  • Die Kosten für ein Gutachten erspart man sich, wenn der Verkehrswert für eine Immobilie aus realen Zahlen eines Verkaufs abgeleitet werden kann, der innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Haustransfer erfolgt ist.

 

Dr. Antje Weber, Nürnberg/
StB Kristin Markgraf, Nürnberg
 

 

 

Heft 4/2009

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