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Passivierung bestimmter Rückstellungen und Verbindlichkeiten

Christian Thurow

BFH-Urteile vom 30.11.2011, I R 100/10, und vom 14.12.2011, I R 72/10

 

Der BFH hat am 29.2.2012 zwei Urteile zu Passivierungsfragen veröffentlicht:

  1. In dem einen Urteil geht es um die Passivierung (bzw. das Passivierungsverbot) einer Verbindlichkeit bei sog. qualifiziertem Rangrücktritt. Demnach darf eine Verbindlichkeit, die nur aus künftigen Gewinnen oder einem etwaigen Liquidationsüberschuss erfüllt zu werden braucht, mangels gegenwärtiger wirtschaftlicher Belastung nicht ausgewiesen werden.
  2. Streitgegenstand des anderen Urteils ist die Passivierung „angeschaffter“ Rückstellungen bei steuerlichem Ausweisverbot. Danach sind betriebliche Verbindlichkeiten, welche beim Veräußerer aufgrund steuerlicher Rückstellungsverbote (hier: für Jubiläumszuwendungen und für Beiträge an den Pensionssicherungsverein) in der Steuerbilanz nicht bilanziert worden sind, bei demjenigen Erwerber, der die Verbindlichkeit im Zuge eines Betriebserwerbs übernommen hat, keinem Passivierungsverbot unterworfen. Vielmehr sind diese Verpflichtungen als ungewisse Verbindlichkeiten auszuweisen und vom Erwerber auch an den nachfolgenden Bilanzstichtagen (nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG 1990) mit ihren Anschaffungskosten oder ihrem höheren Teilwert zu bewerten.

 

 

Praxis-Info!

 

Keine Passivierung bei sog. qualifiziertem Rangrücktritt

In seinem Urteil vom 30.11.2011 befasst sich der BFH mit der Frage der Passivierungsfähigkeit von Verbindlichkeiten, für die ein sog. qualifizierter Rangrücktritt vereinbart wurde.

 

 

Problemstellung

Im Ausgangsfall gründete ein Unternehmen eine Tochtergesellschaft in der Rechtsform einer GmbH. Da die finanzielle Ausstattung der Tochtergesellschaft unzureichend war, gewährte die Muttergesellschaft mehrere Darlehen, für die allesamt ein Rangrücktritt vereinbart wurde, d.h., die Forderungen der Muttergesellschaft traten bei Eintritt der Überschuldung der Tochtergesellschaft automatisch in Höhe des Betrags der Überschuldung im Rang hinter sämtlichen anderen Verbindlichkeiten zurück.

Ferner sahen die Darlehensverträge vor, dass die Muttergesellschaft im Falle der Überschuldung der Tochtergesellschaft eine Befriedigung ihrer Forderungen nur aus künftigen Jahresüberschüssen, welche eventuell bestehende Verlustvorträge übersteigen müssen, oder alternativ aus einem Liquidationsüberschuss erlangen kann.

Tatsächlich war die Tochtergesellschaft in den der Gründung folgenden Jahren bilanziell überschuldet.

Das Finanzamt kam bei einer steuerlichen Außenprüfung zu dem Schluss, eine Passivierung dieser Darlehensverbindlichkeiten sei steuerrechtlich nicht möglich. Die Verbindlichkeiten seien daher erfolgswirksam aufzulösen. Die hiergegen gerichtete Klage der Tochtergesellschaft vor dem FG München hatte Erfolg. Das Finanzamt hat gegen diese Entscheidung des FG München Revision eingelegt.

 

 

Lösung

Der BFH gab in seinem oben genannten Urteil dem Finanzamt recht, das von einer gewinnerhöhenden Auflösung der Verbindlichkeit ausgegangen ist. In seiner Urteilsbegründung führt der BFH aus, unter welchen Voraussetzungen eine Verbindlichkeit zu passivieren ist:

  1. Der Unternehmer muss „zu einer dem Inhalt und der Höhe nach bestimmten Leistung an einen Dritten verpflichtet“ sein.
  2. Diese Verpflichtung muss ferner vom Gläubiger erzwingbar sein und bei dem Unternehmer zu einer wirtschaftlichen Belastung führen.

Diese wirtschaftliche Belastung liegt im Ausgangsfall nicht vor, da die Tochtergesellschaft die Darlehensverbindlichkeit nur dann bedienen muss, wenn die künftigen Jahresüberschüsse eventuell bestehende Verlustvorträge übersteigen (bzw. ein Liquidationsüberschuss erzielt wird). Nach § 5 Abs. 2a EStG sind für Verpflichtungen, die nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, Verbindlichkeiten oder Rückstellungen erst dann anzusetzen, wenn diese Einnahmen oder Gewinne angefallen sind. Diese Voraussetzungen erfüllte die Tochtergesellschaft aufgrund ihrer bilanziellen Überschuldung nicht. Auch kann ein Liquidationsfall unberücksichtigt bleiben, da weiterhin von einer Unternehmensfortführung ausgegangen wurde. Somit liegen weder ausreichend hohe Gewinne noch etwaige Liquidationsüberschüsse vor.

 

 

Bilanzierungshinweis:

Die Darlehen stellen auch kein Eigenkapital dar, weil sie aus künftigen Gewinnen zu tilgen sind. Diese Tilgung widerspricht einer Eigenkapitalfunktion.

 

 

Passivierung „angeschaffter“ Rückstellungen bei steuerlichem Ausweisverbot

 

Problemstellung

Im Ausgangsfall übernahm ein Unternehmen im Rahmen eines sog. asset deals (Erwerb der einzelnen Vermögensgegenstände und Schulden eines Unternehmens) den Betrieb eines anderen Unternehmens. Bei der Bemessung des Kaufpreises wurden u.a. auch Jubiläumsrückstellungen, für die (gemäß § 5 Abs. 4 EStG) ein Ansatzverbot in der Steuerbilanz bestand, berücksichtigt. Das Unternehmen hat die übernommenen Passiva trotz des steuerrechtlichen Ansatzverbots in seiner Steuerbilanz angesetzt.

Das Finanzamt vertrat dagegen die Auffassung, die übernommenen Werte seien zwar in der steuerlichen Eröffnungsbilanz anzusetzen, in der ersten Schlussbilanz gelte jedoch wieder das steuerrechtliche Ansatzverbot. Der hiergegen erhobenen Klage des Unternehmens wurde vom Finanzgericht stattgegeben.

Dem vom Finanzamt angestrebten Revisionsverfahren ist auch das BMF beigetreten. Das BMF erließ daraufhin das Schreiben vom 24.6.2011 – Steuerliche Gewinnermittlung; Bilanzsteuerrechtliche Ansatz- und Bewertungsvorbehalte bei der Übernahme von schuldrechtlichen Verpflichtungen (IV C 6 – S 2137/0-03, siehe hier) –, in welchem sich die Sichtweise von BMF und Finanzamt widerspiegelt.

 

 

Lösung

Der BFH bestätigte in seinem oben genannten Urteil die vorinstanzliche Rechtsprechung. Laut seiner Urteilsbegründung sind Anschaffungsvorgänge erfolgsneutral zu behandeln. Die erfolgsneutrale Behandlung des Anschaffungsvorgangs findet auch auf übernommene Passiva Anwendung. Dabei ist es unerheblich, ob für diese Passiva ein steuerrechtliches Ansatzverbot besteht. Denn auch die Posten der Passiva, für die ein solches Ansatzverbot vorliegt, werden bei der Ermittlung des Kaufpreises berücksichtigt. Die Passiva sind daher in der handels- und steuerrechtlichen Eröffnungsbilanz anzusetzen, da sonst ein sog. „Erwerbsgewinn“ entstünde.

Dem Einwand von BMF und Finanzamt, es habe zwar eine Berücksichtigung in der Eröffnungsbilanz zu erfolgen, während in der folgenden Schlussbilanz jedoch wieder das steuerrechtliche Ansatzverbot bestehe, pflichtete der BFH nicht bei.

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Operational Risk Manager Corporate Finance, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)

 

 

BC 4/2012

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