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Nachträgliche Herstellungskosten bei Gebäudeerweiterung

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

BFH-Urteil vom 15.5.2013, IX R 36/12

 

Im Rahmen von Erweiterungsmaßnahmen sind (nachträgliche) Herstellungskosten auch dann gegeben, wenn nach Fertigstellung des Gebäudes seine nutzbare Fläche nur geringfügig vergrößert wird (hier: Satteldach statt Flachdach). Auf die tatsächliche Nutzung kommt es nicht an.

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Eine häufig zu Auseinandersetzungen mit den Finanzbehörden führende Frage ist die, ob vom Steuerpflichtigen für bestimmte Baumaßnahmen getätigte Aufwendungen als Herstellungskosten oder als (sofort abzugsfähige) Erhaltungsaufwendungen zu behandeln sind. Neben den Aufwendungen, die für die erstmalige Herstellung eines Vermögensgegenstands anfallen, stellen auch Kosten, die aufgrund von Erweiterungen oder für eine über den ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen, (nachträgliche) Herstellungskosten dar.

Der BFH hatte nun einen Fall zu entscheiden, in dem der durch eine Erweiterungsmaßnahme zusätzlich geschaffene Raum tatsächlich (noch) nicht nutzbar ist (konkret: Umbau eines Flachdachs zum Satteldach; eine Genehmigung zur Wohnnutzung wurde bisher aber weder beantragt noch erteilt). Trotz der insoweit bestehenden statischen Unwägbarkeiten (Standsicherheit mit Lastenaufnahme und Lastenabtragung) war das Finanzgericht (FG) zu dem Ergebnis gelangt, durch den Dachumbau sei eine Erweiterung des Gebäudes eingetreten. Dabei hat es das Gutachten und die Erläuterungen des Sachverständigen hierzu zugrunde gelegt, wonach die Anforderungen an die Nutzung des Dachgeschosses als Wohn- und Aufenthaltsraum zwar nicht erfüllt seien, eine Nutzung als Speicher/Abstellraum aber wegen geringerer Traglasten denkbar sei.

 

 

Lösung

Zur Beantwortung der Frage, welche Aufwendungen zu den Herstellungskosten zählen, stützt sich der BFH auf § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB: Demnach sind Herstellungskosten „Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstands, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen“. Dabei sind gemäß gefestigter Rechtsprechung Aufwendungen für die Erweiterung eines Gebäudes stets als Herstellungskosten zu beurteilen, auch wenn die Erweiterung nur geringfügig ist.

Unter dem im Streitfall maßgeblichen Gesichtspunkt der Erweiterung sind (nachträgliche) Herstellungskosten nicht nur bei Anbauten und Aufstockungen gegeben, sondern auch dann, wenn nach Fertigstellung bislang nicht vorhandene Bestandteile in das Gebäude eingefügt werden (Substanzmehrung) bzw. seine nutzbare Fläche vergrößert wird und dies eine „Erweiterung der Nutzungsmöglichkeit des Gebäudes“ zur Folge hat. Keine Rolle spielt bei dieser sehr strengen Sichtweise des BFH die tatsächliche (Nicht-)Nutzung.

 

 

Praxishinweise:

  • In früherer Rechtsprechung wurde eine Erweiterung u.a. angenommen, wenn
    – ein Flachdach durch ein Spitzgiebeldach ersetzt,
    – ein Kelleranbau unter der vergrößerten Terrasse errichtet,
    – auf einer Dachterrasse ein ganzjährig nutzbarer Wintergarten aufgestellt,
    – durch Einbau einer Dachgaube oder durch ein neues Treppenhaus als Vorbau die nutzbare Fläche vergrößert oder
    – an dem Gebäude ein Balkon angebaut und das Dachgeschoss mit neuen Gauben ausgebaut
    wurde.
  • Wichtig ist dem BFH der Hinweis, dass die „nutzbare Fläche“ im Sinne der Rechtsprechung nicht nur die (reine) Wohnfläche (einer Wohnung/eines Gebäudes) gemäß § 2 Abs. 1, Abs. 2, § 4 der Wohnflächenverordnung (WoFlV), sondern auch die zur Wohnung/zum Gebäude gehörenden Grundflächen der Zubehörräume (z.B. Kellerräume, Garagen) sowie die den Anforderungen des Bauordnungsrechts nicht (!) genügenden Räume (im Sinne des § 2 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 WoFlV) umfasst. Auch auf eine Vergrößerung des umbauten Raums komme es nicht an.
  • Zwar befasst sich der BFH mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Da er sich aber in der Begründung ausdrücklich mit der handelsrechtlichen Definition von Herstellungskosten auseinandergesetzt hat, dürfte die vorgenommene Abgrenzung auch auf Baumaßnahmen in einem Betriebsvermögen anzuwenden sein (so auch Lange, BiM 2013, 92, Heft 4). Das (weder verputzte noch ausgebaute) Dachgeschoss konnte nur durch eine Zugleiter in der Garage erreicht werden, zudem war aufgrund von Sicherheitsbestimmungen die Nutzung als Wohn- und Aufenthaltsraum untersagt.
  • Zwar hatte in der Vorinstanz das FG eingeräumt, es sei schon fraglich, ob durch die Baumaßnahmen bereits von einem ausbaufähigen Dachgeschoss gesprochen werden könne. Eine Speichernutzung sei aber denkbar und möglich, da insofern geringere Traglasten notwendig seien. Somit sei durch die Errichtung des Satteldachs die Nutzungsmöglichkeit des Objekts erweitert worden. Das reichte dem FG und nun auch dem BFH.
  • Die Finanzgerichtsbarkeit bewegt sich insoweit weg von tatsächlichen Gegebenheiten und stellt auf potenzielle Nutzungsmöglichkeiten ab – eine höchst bedenkliche Entwicklung. Müssten dann nicht konsequenterweise auch eigentlich privat motivierte Maßnahmen steuerlich angesetzt werden dürfen, wenn ein Nutzungspotenzial beispielsweise zu späteren Vermietungs- oder Betriebszwecken geschaffen wird?
  • Es bleibt zu hoffen, dass die Richter des IX. BFH-Senats von diesem jenseits praktischer Zwänge und tatsächlicher Nutzungen verlaufenden Irrweg rasch wieder zurückfinden auf eine verlässlichere, weil an Realitäten orientierte Linie. Allerdings haben kürzlich auch die Kollegen aus dem VI. Senat Gefallen an einem Abstellen auf rein potenzielle Möglichkeiten gefunden, da im Rahmen der Dienstwagenbesteuerung entschieden wurde, dass eine private Nutzungsmöglichkeit auch ohne tatsächliche Inanspruchnahme zur „Bereicherung des Arbeitnehmers“ führt (BFH-Urteil vom 21.3.2013, VI R 46/11, zu weiteren Details vgl. den Brennpunkt-Beitrag der PKF-Nachrichten 2013, 2 f., Heft 9; siehe unter www.pkf.de).

 

Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, Coesfeld

 

 

BC 10/2013

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