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Ansatz- und Bewertungsvorbehalte bei der Übernahme schuldrechtlicher Verpflichtungen

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

BMF-Schreiben vom 24.6.2011, IV C 6 – S 2137/0–03

 

  1. Nach den GoB sind Anschaffungsvorgänge erfolgsneutral zu behandeln. Das gilt auch für übernommene Verpflichtungen, die sich beispielsweise aus Mietverträgen ergeben können. In der für die Besteuerung maßgebenden Schlussbilanz des Erwerbers (z.B. eines Betriebs) kommt der handelsrechtliche Grundsatz der Erfolgsneutralität von Anschaffungsvorgängen jedoch nur insoweit zur Anwendung, als keine steuerlichen Ansatz- und Bewertungsvorbehalte bestehen.
  2. Besteht im Rahmen des Übertragungsvorgangs (Gegenstand der Übertragung kann eine einzelne Verpflichtung, aber auch ein Unternehmen insgesamt sein) das bisherige Vertragsverhältnis (z.B. ein Mietvertrag) unverändert fort und verpflichtet sich der Übernehmer, den Veräußerer von den künftigen Leistungspflichten (z.B. aus dem Mietvertrag) freizustellen, begründet dieser Vorgang ein neues Schuldverhältnis, das in der Bilanz des Freistellungsverpflichteten (Übernehmer) als gewisse oder ungewisse Verbindlichkeit auszuweisen ist.

[Ausgewählte Kernsätze des BMF-Schreibens]

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Die von dem BMF-Schreiben erfassten schuldrechtlichen Verpflichtungen (z.B. aus Darlehens- oder Mietverträgen) können

–   entweder im Wege einer Schuldübernahme nach den §§ 414 ff. BGB (Variante I)

–   oder durch Übernahme der mit der Verpflichtung verbundenen Lasten (Schuldfreistellung, Variante II)

übernommen werden. Fraglich ist im Rahmen der Variante I, wie ein Betriebserwerber nach der Übernahme von Verpflichtungen der genannten Art die übernommenen Wirtschaftsgüter (z.B. Grundstücke) in seiner ersten für die Besteuerung maßgebenden Schlussbilanz anzusetzen hat. Im Fall der Schuldfreistellung (Variante II) stellt sich das Problem, welche Bilanzansätze ein solcher Vorgang sowohl bei dem Freistellungsverpflichteten (Übernehmer) als auch dem Freistellungsberechtigten (Veräußerer) zur Folge hat.

 

 

Lösung

Variante I behandelt folgende Konstellation: Eine Schuld (wie z.B. ein Darlehen oder eine Mietzahlungsverpflichtung) kann von einem Dritten durch Vertrag mit dem Gläubiger (im Darlehensfall also z.B. eine Bank, hinsichtlich des Mietvertrags der Vermieter) in der Weise übernommen werden, dass der Dritte an die Stelle des bisherigen Schuldners tritt (§§ 414 ff. BGB). In allen Fällen dieser Art (zur Konkretisierung vgl. die unter den Praxishinweisen genannten Unterfälle) gilt, dass der Erwerber eines Betriebs die übernommenen Wirtschaftsgüter (nach § 6 Abs. 1 Nr. 7 EStG) mit dem Teilwerthöchstens jedoch mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten – anzusetzen hat.

Allerdings darf (laut dem BMF-Schreiben) der insoweit maßgebliche Grundsatz der Erfolgsneutralität nur dann angewendet werden, wenn keine steuerlichen Ansatz- und Bewertungsvorbehalte bestehen. Das BMF verweist hierzu auf die Beachtung der Regelungen in

–   § 5 Abs. 2a bis 4b EStG (u.a. Ansatzverbot für selbsterstellte immaterielle Vermögensgegenstände),

–   § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG (passive Rechnungsabgrenzungsposten),

–   § 6 Abs. 1 Nr. 3, 3a EStG (Abzinsung von Verbindlichkeiten, Rückstellungsbewertung) und

–   § 6a EStG (Bewertung von Pensionsrückstellungen).

Deren Anwendung führt nach der Übernahme von entsprechenden Verpflichtungen in der ersten für die Besteuerung maßgebenden Schlussbilanz regelmäßig zu Gewinnen, weil Bilanzposten aufzulösen sind oder niedriger zu bewerten sind (siehe im nachfolgenden Beispiel die Drohverlustrückstellung bzw. den Darlehensansatz). Hierbei kommt das handelsrechtliche Realisationsprinzip (gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 4 zweiter Teilsatz HGB) wegen der bilanzsteuerrechtlichen Ansatz- und Bewertungsvorbehalte nicht zur Anwendung.

In Variante II (Schuldfreistellung) ist das neu entstehende Schuldverhältnis in der Bilanz des Freistellungsverpflichteten (Übernehmer, z.B. im Rahmen des Erwerbs eines Betriebs) als gewisse oder ungewisse Verbindlichkeit auszuweisen (vgl. hierzu auch BFH-Urteil vom 16.12.2009, I R 102/08, DStR 6/2010, S. 265 ff.). Der Freistellungsberechtigte (Veräußerer) hat eine entsprechende Forderung zu aktivieren.

 

 

Beispiel:

Das BMF-Schreiben enthält zur Veranschaulichung der bilanzsteuerrechtlichen Konsequenzen ausführliche Beispielsfälle für beide Varianten. Für Variante I gilt danach Folgendes (verkürzte Darstellung):

Unternehmer A veräußert seinen Betrieb mit allen Vermögensgegenständen, Schulden und Verträgen an den Investor B. In der Steuerbilanz des A wird als Aktiva ein Grundstück mit 200 T€ ausgewiesen, dem diverse Passiva in Höhe von 40 T€ und der Posten Eigenkapital mit 160 T€ gegenüberstehen.

Die stillen Reserven des unbebauten betrieblichen Grundstücks betragen annahmegemäß 100 T€. Das betriebliche Darlehen (Nennwert: 50 T€) ist unverzinslich und wurde zutreffend mit dem abgezinsten Wert von 40 T€ passiviert (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG). Wegen § 5 Abs. 4a EStG nicht ausgewiesen wurde der drohende Verlust aus einem für den Betrieb nutzlosen Mietvertrag in Höhe der noch zu zahlenden Mieten (100 T€). Diesen Mietvertrag übernimmt B mit Zustimmung des Vermieters. Weil der künftigen Zahlungsverpflichtung kein entsprechender künftiger Vorteil (annahmegemäß nutzloses Mietverhältnis) gegenübersteht und daher insoweit ein Verlust droht, haben A und B die Mietzahlungsverpflichtung sowie die übernommene Darlehensverbindlichkeit kaufpreismindernd berücksichtigt.

Der Kaufpreis (Zahlung aus privaten Mitteln von B an A) ergibt sich aus dem Grundstückswert (200 T€ + 100 T€) unter Abzug des Darlehensbetrags (50 T€) und des Betrags der noch zu zahlenden Mieten (Drohverlust: 100 T€) mit 150 T€.

Für B ergibt sich folgende handels- und steuerrechtliche Eröffnungsbilanz (Ansatz der Anschaffungskosten, Einlage = Kaufpreis = 150 T€):

 

Eröffnungsbilanz B

Grundstück                  300

Drohverlust (aus Mietz.)   100

Darlehen                            50

Kapital (Einlage)               150

 

In der für die Besteuerung maßgebenden Schlussbilanz sind dann allerdings die steuerlichen Ansatz- und Bewertungsvorbehalte zu beachten:

Für die Mietzahlungs­verpflichtungen kommt aufgrund des schwebenden Geschäfts handelsrechtlich nur – wie beim Veräußerer A – eine Drohverlustrückstellung in Betracht. Ein solcher Ansatz scheidet jedoch steuerlich aus (§ 5 Abs. 4a EStG). Auch andere steuerliche Bilanzposten sind insoweit nicht zulässig. Folglich ist die in der Eröffnungsbilanz ausgewiesene Drohverlustrückstellung wegen der Mietzahlungsverpflichtung (gewinnerhöhend) aufzulösen.

Das unverzinsliche Darlehen ist – wie bei A – gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG mit dem abgezinsten Wert anzusetzen. Das Grundstück ist mit den Anschaffungskosten zu aktivieren.

Dann stellt sich die steuerliche Schlussbilanz des B wie folgt dar (auf die Berücksichtigung der verkürzten Restlaufzeit des Darlehens bei der Abzinsung wird aus Vereinfachungsgründen verzichtet):

 

Steuerliche Schlussbilanz B

Grundstück              300

Darlehen                   40

Kapital                     260

 

Hierbei setzt sich das Kapital aus einem Anfangsbestand von 0, der Einlage und den Gewinnpositionen aus der Auflösung der Drohverlustrückstellungen und der Abzinsung des Darlehens zusammen (260 T€ = 0 + 150 T€ + 100 T€ + 10 T€).

 

 

.

 

Praxishinweise:

  • Falls im Rahmen der Variante II Lasten aus betrieblichen Altersvorsorgeverpflichtungen im Sinne von § 6a EStG (Pensionsrückstellungen) übernommen werden, sind die Regelungen des BMF-Schreibens vom 16.12.2005 (BStBl. I, S. 1052) zum sog. Schuldbeitritt (Beitritt eines Dritten, z.B. Versicherungsgesellschaft, in eine Pensionsverpflichtung) entsprechend anzuwenden: In diesen Fällen ist u.a. eine Pensionsrückstellung beim Arbeitgeber als dem weiterhin Verpflichteten zu bilden, wenn keine vertragliche Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer über die Übertragung der Versorgungsverpflichtungen an den Dritten getroffen wurde. Des Weiteren sind Zahlungen an den Dritten als Gegenleistung für den Schuldbeitritt beim bisherigen Arbeitgeber als Betriebsausgaben abzugsfähig.
  • Die Bestimmungen des hier besprochenen BMF-Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden und gelten nach ausdrücklichem Hinweis des BMF unabhängig davon, in welchem Zusammenhang eine Übertragung erfolgt. So ist es bilanzsteuerrechtlich unerheblich, ob
    – eine Verpflichtung einzeln,
    – im Rahmen eines entgeltlichen Betriebsübergangs nach § 613a BGB,
    – bei einem Aufkauf aller Aktiva und Passiva eines Unternehmens (sog. Asset Deal) oder
    – bei einer Übertragung nach § 123 Umwandlungsgesetz (UmwG)
    erfolgt. In allen Fällen bleiben die bilanzsteuerrechtlichen Ansatz- und Bewertungsvorbehalte weiter maßgebend.

 

 

Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, Coesfeld

 

BC 7/2011

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