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Umsatzsteuerfreiheit von Raucherentwöhnungsseminaren?

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

BFH-Urteil vom 26.8.2014, XI R 19/12

 

Die Durchführung von Raucherentwöhnungsseminaren kann als vorbeugende Maßnahme des Gesundheitsschutzes eine umsatzsteuerfreie Heilbehandlung sein. Dies gilt jedenfalls dann, wenn eine medizinische Indikation (Heilanzeige) nachgewiesen wird.

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Mit dem nahenden Jahreswechsel wird es wieder viele Raucher geben, die sich vornehmen, im neuen Jahr rauchfrei zu leben (und zu arbeiten). Wie immer werden es aber nicht alle schaffen, den Vorsatz auch tatsächlich umzusetzen. Da auch Arbeitgeber ein besonderes Interesse an einer gesunden Belegschaft haben, unterstützen sie ihre Mitarbeiter oft bei Verzichtsabsichten, indem sie z.B. die Kosten von Entwöhnungsseminaren übernehmen.

In dem zum BFH gelangten Streitfall hatte ein in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) betriebenes Unternehmen geklagt, das überwiegend Seminare zur Raucherentwöhnung durchführt. Fraglich war, ob insoweit die Vorschrift des § 4 Nr. 14 UStG greift, die u.a. steuerfreie Heilbehandlungen abgrenzt und dazu auch Leistungen zählt, die zum Zweck der Vorbeugung erbracht werden. Darunter fallen insbesondere Maßnahmen, die dem Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit dienen. Nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung hatte das Finanzamt die von der Seminaranbieterin begehrte Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG versagt und die Umsatzsteuer entsprechend festgesetzt.

 

 

Lösung

Nachdem Einspruch und Klage vor dem Finanzgericht (FG) erfolglos geblieben waren, befasste sich nun der BFH mit der Sache und verwies sie zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück. Laut BFH gilt das Rauchen – nach inzwischen einhelliger Auffassung – als gesundheitsschädlich. Bei Raucherentwöhnungsseminaren könne es sich daher um dem Schutz der Gesundheit dienende Dienstleistungen handeln – sei es nur vorbeugend oder sei es zur Wiederherstellung der bereits geschädigten Gesundheit.

Allerdings verlangt der BFH den Nachweis einer medizinischen Indikation (geeigneten medizinischen Maßnahme). Er lässt jedoch auch eine von Betriebsärzten vorgenommene Sammelüberweisung von Arbeitnehmern zur Teilnahme an Raucherentwöhnungsseminaren gelten, sofern diese auf medizinischen Feststellungen der Betriebsärzte beruht.

 

 

Praxishinweise:

  • Ob die Sammelüberweisungen der Betriebsärzte auf entsprechenden medizinischen Feststellungen beruhten, ließ sich nach Aktenlage nicht entscheiden, weshalb der BFH den Weg der Zurückverweisung wählte. Dabei wird das FG auch festzustellen haben, in welchem Umfang die Klägerin – neben zweifelsfrei nicht begünstigten Seminaren zur Gewichtsreduktion und zum Stress-Management – tatsächlich Raucherentwöhnungsseminare durchgeführt hat. Und es wird als weitere Voraussetzung für die Steuerbefreiung auch zu klären haben, inwieweit die Personen, welche die Seminare durchführten, über eine fachliche Qualifikation verfügten, die zumindest als „ähnliche heilberufliche Tätigkeit“ anerkannt ist.
  • Einer Steuerbefreiung steht nicht entgegen, dass die genannten Leistungen Präventionsmaßnahmen im Sinne des § 20 SGB V sind, die wegen des fehlenden unmittelbaren Krankheitsbezugs grundsätzlich nicht zu den von der Steuer befreiten Heilbehandlungen gehören. Denn auch derartige Präventionsmaßnahmen fallen unter die Steuerbefreiung, wenn sie im Rahmen einer medizinischen Behandlung – aufgrund ärztlicher Anordnung oder mithilfe einer Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme – durchgeführt werden.
  • Dass Seminaranbieter die Steuerfreiheit wünschen, ist nachvollziehbar, da sie Gebühren insoweit ohne Steuerabführung vereinnahmen könnten. Aus Sicht der Arbeitgeber, die die Arbeitnehmer senden, stellt sich die Sachlage jedoch anders dar: Im Falle der Kostenübernahme hätten die Arbeitgeber sicher nichts gegen einen Vorsteuerabzug einzuwenden. Das sollte auch die Seminaranbieterin im Sinne ihrer Kundenbindung überdenken. Wie die von ihr vorgebrachte Argumentation, sie helfe bei der Bekämpfung des Tabakmissbrauchs als Krankheit, in den möglicherweise vernebelten Ohren der Raucher klingt, sei hier einmal dahingestellt.
  • Bei einem steuerpflichtigen Seminarangebot ließen sich dann auch fragwürdige Unterscheidungen zwischen Überweisungslisten mit und ohne Einzeldiagnosen vermeiden. Wenn es ohne Letztere ohnehin nicht geht (so der BFH), wäre bei Sammelüberweisungen nur noch die Formulareinsparung als direkt erzielbarer Vorteil der Arbeitgeber anführbar – offenbar viel Wind mit wenig Nutzen?
  • Zudem könnte ggf. die vom BFH vorgenommene Unterscheidung zwischen Seminaren zur Raucherentwöhnung und solchen zur Gewichtsreduktion sowie zum Stress-Management hinfällig werden, zumal Krankheitsformen wie Burn-Out etc. ohnehin zumindest dann den Raucherbeschwerden den Rang ablaufen, je erfolgreicher solche Entwöhnungsseminare sind. Denn bekanntlich geben sehr viele Raucher gerade ihr (wenn auch nur vermeintliches) Entspannungsgefühl als Grund an, trotz allem weiter der Nikotinsucht zu frönen. Folglich müsste es doch ein erfolgsträchtiges Geschäftsmodell der Seminaranbieter sein, die entwöhnten Raucher als Stresspatienten wieder zu bekommen – ein Geschäftsmodell, das die nach Meinung der Finanzbeamten abzuführenden Umsatzsteuern doch wohl verschmerzbar machen sollte.
  • Nicht bekannt ist, ob die Finanzbeamten, welche die Umsatzsteuern einfordern, selbst Raucher mit Frustrierungen infolge erfolglos absolvierter Entwöhnungsprogramme sind und so immerhin fast 20% der vergeblich getragenen Aufwendungen der Allgemeinheit zurückgeben wollen.
  • Der Referentenentwurf zum Jahressteuergesetz 2013 sah die generelle Umsatzsteuerbefreiung von Bildungsleistungen vor, wurde aber nach Protesten aus der Wirtschaft in diesem Punkt nicht umgesetzt. Insbesondere wurde beklagt, dass die Einführung der ausnahmslosen Umsatzsteuerbefreiung für gewerbliche Seminaranbieter zwangsläufig zum Verlust des Vorsteuerabzugs für sämtliche Eingangsleistungen geführt hätte. Da aber entsprechende Bestrebungen noch nicht vom EU-Tisch sind, haben VDZ (Verband Deutscher Zeitschriftenverleger), Börsenverein und Deutsche Fachpresse am 13.5.2014 in einer gemeinsamen Stellungnahme die Forderung eines Optionsrechts zur Umsatzsteuerpflicht von Bildungsangeboten erhoben (siehe unter http://www.vdz.de/medienpolitik-singlenews/news/drohende-umsatzsteuerbefreiung-von-bildungsangeboten-fachverlage-und-gewerbliche-seminaranbieter/).

 

Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, Coesfeld

 

 

BC 1/2015

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