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Umsatzsteuer im Insolvenzverfahren

Christian Thurow

BFH-Urteil vom 24.9.2014, V R 48/13

 

Werden nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Umsätze getätigt, so ist dafür Umsatzsteuer zu entrichten. Fraglich war bisher, ob diese Umsatzsteuer eine Masseverbindlichkeit darstellt. Der BFH hat hier mit seinem am 3.12.2014 veröffentlichten Urteil Klarheit geschaffen.

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Kläger ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen einer KG. Er wurde mit Beschluss des Insolvenzgerichts am 7.10.2011 zum vorläufigen Insolvenzverwalter (gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InsO) bestellt. Gleichzeitig wurde ein Verfügungsverbot (im Sinne des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO) ausgesprochen. Dies bedeutet: Die Geschäftsführung der KG durfte nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters über das Vermögen der KG verfügen. Ferner verbot das Insolvenzgericht den Schuldnern der KG, an diese zu zahlen. Es ermächtigte den Insolvenzverwalter, Bankguthaben und sonstige Forderungen der KG einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen.

Die KG führte ihren Geschäftsbetrieb zunächst fort. Für die Monate Oktober und November wurden Umsatzsteuer-Voranmeldungen abgegeben. Zum 1.1.2012 ist das Insolvenzverfahren eröffnet worden.

Das Finanzamt erließ die Umsatzsteuerbescheide unter der Steuernummer, die für die Masse vergeben wurde. Aus Sicht des Finanzamts stellt die Umsatzsteuer für die Monate Oktober und November 2011 eine Masseverbindlichkeit (gemäß § 55 Abs. 4 InsO) dar. Für die Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters sei es hier ausreichend, dass sich der Insolvenzverwalter mit der Fortführung der Umsatztätigkeit aktiv oder konkludent (schlüssig) einverstanden erklärt hat.

In der Klage und Revision rügt der Insolvenzverwalter, dass nur die Verfügung über das Vermögen zustimmungsbedürftig ist, nicht aber die Erbringung von Dienstleistungen. Die Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts bedeutet nicht die Übernahme einer Betriebsfortführung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter. Der vorläufige Insolvenzverwalter übt auch keine faktische Unternehmensleitung aus. Da die Umsatztätigkeit nicht zustimmungspflichtig war, konnte auch keine Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters erteilt werden. Somit ist die Voraussetzung des § 55 Abs. 4 InsO nicht erfüllt, und die Umsatzsteuer stellt daher keine Masseverbindlichkeit dar.

 

 

Lösung

Der BFH gibt der Revision zwar statt, verwendet in seiner Urteilsbegründung jedoch eine andere Argumentation. Der BFH widerspricht der im BMF-Schreiben vom 17.1.2012 (IV A 3 – S 0550/10/10020 – 05, BStBl. I 2012, 120) geäußerten Auffassung der Finanzverwaltung, wonach die Umsatzsteuer nur dann nicht zur Masseverbindlichkeit wird, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter den zugehörigen Umsätzen ausdrücklich widersprochen hat. Für umsatzsteuerrechtliche Verbindlichkeiten ist vielmehr auf die Entgeltvereinnahmung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter abzustellen.

Aufgrund der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, der zum Forderungseinzug und zum allgemeinen Zustimmungsvorbehalt ermächtigt wurde, können die Schuldner nicht mehr direkt an die KG zahlen. Die noch ausstehenden Entgelte für erbrachte Leistungen werden somit aus Sicht der KG uneinbringlich. Es kommt daher bei der KG zu einer Berichtigung der Umsatzsteuer (nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG). Auch die Vorsteuer ist zu korrigieren, da der Unternehmer die erhaltenen Leistungen nicht mehr ohne Zustimmung des Insolvenzverwalters bezahlen kann.

Vereinnahmt der vorläufige Insolvenzverwalter nun ein zuvor uneinbringlich gewordenes Entgelt, so kommt es zu einer erneuten Korrektur der Umsatzsteuer (gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG). Beide Berichtigungen können auch in denselben Voranmeldungszeitrum fallen. Die zweite Korrektur führt zu einer Masseverbindlichkeit (im Sinne des § 55 Abs. 4 InsO). Ist der Insolvenzverwalter zur Vereinnahmung befugt, stimmt dieser hierzu durch konkludentes Handeln zu. Eine weitere Korrektur der Umsatzsteuer findet statt, wenn der Insolvenzverwalter bestehende Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen begleicht. Dadurch lebt die ursprünglich korrigierte Vorsteuer wieder auf und mindert die Umsatzsteuer, welche die Insolvenzmasse belastet.

Weil das erstinstanzliche Finanzgericht in seinem Urteil von anderen Voraussetzungen ausgegangen ist, wurde der Fall zur erneuten Klärung an das Finanzgericht zurückgewiesen.

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Lead Auditor Europe in der Internen Revision, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)

 

 

 

BC 1/2015

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