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AfaA bei Vermietung eines Gewerbeobjekts

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

BFH-Urteil vom 8.4.2014, IX R 7/13

 

Rentabilitätseinbußen im Rahmen der Immobilienvermietung berechtigen auch dann nicht zur AfA, wenn sie in massivem Umfang anfallen. Für den Ansatz einer AfaA bedarf es vielmehr eines unmittelbar „körperlich einwirkenden“ Ereignisses.

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Um es gleich vorwegzunehmen: Trotz der richterlich für erforderlich gehaltenen körperlichen Einwirkungen hatte der BFH nicht über ein als Sportstudio oder gar als Bordell genutztes Gewerbeobjekt zu entscheiden. Streitig war die Zulässigkeit einer Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung (AfaA) für ein Teileigentum an einem Gewerbeobjekt im Streitjahr 2007, welches hauptsächlich in Form von Ladenlokalen genutzt wurde. Das Objekt war vom Konkursverwalter des Bauträgers, der die gesamte Gewerbeeinheit 1996 fertiggestellt hatte, im Jahr 1999 für insgesamt 2,8 Mio. DM erworben worden. Das Teileigentum besteht aus

– einer im Kellergeschoss gelegenen, von der Hofseite ebenerdig zu begehenden Einheit mit drei Ladenlokalen (Nutzfläche von 860 qm) sowie

– dem zugehörigen Miteigentumsanteil an der Straßenparzelle und

– drei Garagen.

Die Anmietung des weitaus größten Ladenlokals mit allein 602 qm Verkaufsfläche durch einen Lebensmitteldiscounter wurde in 2006 beendet; auf die Geltendmachung von Optionsrechten zur Verlängerung wurde verzichtet. Die Mieteinnahmen brachen daraufhin drastisch ein und betrugen nur noch ca. 1/5 der Vorjahresbeträge. Das wurde als Anlass genommen, um auf den Buchwert zum 31.12.2006 in Höhe von 975 T€ eine AfaA von ca. 700 T€ vorzunehmen.

Wie zuvor das Finanzamt erkannte das Finanzgericht (FG) die AfaA nicht an (EFG 2013, 605, becklink 1025458), da die Voraussetzungen für eine AfaA nicht vorlägen: Es handle sich um eine Rentabilitätseinbuße, die eine AfaA nicht rechtfertige. Die eingeschränkte Vermietbarkeit an Dritte sei nicht auf Vorgaben der Hauptmieterin bei der Ausgestaltung des Objekts zurückzuführen. Die Schwierigkeiten der erneuten Vermietung seien auf andere Umstände zurückzuführen, u.a. auf die Lage des Objekts. Auch die Tatsache, dass das Objekt der Klägerin den aktuellen Anforderungen der Lebensmittelbranche nicht mehr entspreche, sei kein unmittelbar körperlich auf das Objekt einwirkendes Ereignis, das eine AfaA rechtfertige.

 

 

Lösung

Der BFH bestätigte die vom FG vertretene Rechtsauffassung. Zwar besteht demnach kein Zweifel, dass im Rahmen der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung auch AfaA ansetzbar sind. Dies setzt aber

– entweder eine Substanzeinbuße eines bestehenden Wirtschaftsguts (technische Abnutzung)

– oder eine Einschränkung seiner Nutzungsmöglichkeit (wirtschaftliche Abnutzung)

voraus. Die außergewöhnliche „Abnutzung“ geschieht durch „Einwirken auf das Wirtschaftsgut (hier: Gebäude) im Zusammenhang mit seiner steuerbaren Nutzung“ (BFH-Urteil vom 14.1.2004, IX R 30/02, BStBl. II 2004, 592). Wann aber ist davon auszugehen? Eine bloße Wertminderung berechtigt jedenfalls nicht zur AfaA.

Anders sieht es der BFH, wenn bei Beendigung eines Mietverhältnisses erkennbar wird, dass das Gebäude wegen einer auf den bisherigen Mieter ausgerichteten Gestaltung nicht oder nur eingeschränkt an Dritte vermietbar ist. Dann sollen AfaA ansetzbar sein – und doch auch wieder nicht!? Denn das gilt offenbar nur für den Ersteigentümer (Bauherr).

Für Zweiterwerber – wie im Streitfall – werden strengere Maßstäbe angesetzt: Im Streitfall ist „eine seit der Fertigstellung im Jahr 1996 bestehende, wesentlich durch den ursprünglichen Mietvertrag bestimmte bauliche und technische Ausstattung des Objekts schon im Ansatz nicht geeignet, eine außergewöhnliche Abnutzung nach der im Jahr 1999 durch die Klägerin erfolgten Anschaffung zu begründen. Die Voraussetzungen einer AfaA sind … nicht gegeben, wenn der Steuerpflichtige ein bereits mit Mängeln behaftetes Gebäude erwirbt. Maßstab für die Nutzbarkeit ist das bestehende Wirtschaftsgut in dem Zustand, in dem es sich bei Erwerb befindet. Ist aber ein Mangel in diesen Maßstabszustand mit eingegangen, so kann er ihn nicht ändern und das Wirtschaftsgut nicht in seiner Nutzbarkeit mindern.“

So also der BFH: Der Bauherr darf Einschränkungen der späteren Nutzungsmöglichkeit über AfaA auffangen, der Zweiterwerber hingegen nicht? Das mag verstehen, wer will.

Im Streitfall zieht sich der BFH aus der Affäre seiner fragwürdigen Abgrenzung, weil es darauf gar nicht angekommen sei: Die Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeit des streitbefangenen Objekts in Gestalt der deutlich geminderten Mieterlöse sei nicht überwiegend auf eine auf die bisherige Hauptmieterin zugeschnittene Ausgestaltung des Objekts, sondern primär auf andere Umstände zurückzuführen. Was das für Umstände sein sollen, bleibt leider im Dunklen. Jedenfalls erheben sich die Richter zu Bauexperten in der Lebensmittelbranche, denn angeführt wird, es sei nicht widersprüchlich, wenn nach Meinung des FG das Objekt den Anforderungen der Lebensmittelbranche im Streitjahr zwar nicht entsprach, aber doch die Grundstruktur zum Betrieb eines Verbrauchermarkts aufweist.

 

 

Praxishinweise:

  • Diese Entscheidung lässt den Leser ein wenig ratlos zurück und überführt ihn mit folgendem BFH-Satz völlig der richterlichen Entscheidungs-Obhut: „Ob im Einzelfall die Voraussetzungen von AfaA vorliegen, ist nach den tatsächlichen Verhältnissen im Einzelfall durch tatrichterliche Würdigung festzustellen.“ An diesem Satz irritiert nicht nur der doppelte Einzelfall, sondern er wirft auch die Frage auf: Unter welchen Voraussetzungen kann es denn neben Einzelfällen auch Fälle allgemeiner Art geben? Oder anders gefragt: Wann wird ein Einzelfall zum Einzelfall?
  • Geänderte Anforderungen sind jedenfalls kein Einzelfall. Sie stellen kein außergewöhnliches Ereignis dar, das zu einer Nutzungseinschränkung führt; denn in allen Branchen ändern sich typischerweise Anforderungen, so die Erkenntnis der Münsteraner FG-Richter in ihrer oben genannten Entscheidung (vom 24.1.2013, 11 K 4248/10 E).
  • Während übrigens für eine Teilwert-AfA eine bloße Wertänderung genügt, setzt die AfaA, die selbstredend auch im Rahmen anderer Einkunftsarten als der oben beschriebenen Vermietung und Verpachtung zur Disposition steht, eine Beeinträchtigung der Substanz oder zumindest der Nutzungsmöglichkeiten des Wirtschaftsguts (WG) voraus.
  • Das Vorliegen dieser Voraussetzung ist im Falle der technisch bedingten außergewöhnlichen Abnutzung noch relativ einfach prüfbar, wie Schlagworte wie Zerstörung, Beschädigung, Abbruch etc. belegen. Dass aber Baumängel nach der BFH-Rechtsprechung keine AfaA rechtfertigen sollen, weil sie lediglich das wertmäßige Gleichgewicht der beiderseitigen Leistungen berühren, nicht aber zu einem Verlust an Substanz oder Nutzungsfähigkeit führen (vgl. BFH-Urteil vom 31.3.1992, IX R 164/87, DStR 1992, 1200; BFH vom 14.1.2004, IX R 30/02, BeckRS 2004, 24001689), lässt die eben vermutete Rechtssicherheit schon wieder schwinden.
  • Einzelfälle wirtschaftlicher Abnutzung sind noch weitaus schwieriger abgrenzbar. Das belegt schon ein kurzer Blick in den „Schmidt-EStG-Kommentar“, in dem dazu ausgeführt wird: „Das WG oder die mit ihm hergestellten Produkte sind durch neue Erfindungen oder einen Modewechsel überholt“ (Kulosa in Schmidt, EStG, 33. Auflage 2014, § 7 EStG, Rn. 123). Bezeichnenderweise folgen dort sogleich Einschränkungen hinsichtlich des Erscheinens aktueller Software-Versionen oder unrentabler Internetauftritte. Die Bezugnahme auf einen Modewechsel verdeutlicht, dass sich das Steuerrecht trotz der sonst gewünschten Objektivität also offenbar auch mit subjektiven Geschmacksrichtungen befasst.
  • Umso mehr sind am Ende wieder einmal die Kommunikationsexperten gefordert; denn es kommt im Zweifel wie so oft auf die Glaubwürdigkeit der Argumentation des Steuerpflichtigen an. Vielleicht sollte deshalb der Finanzkommunikation (zum Begriff vgl. die Beiträge von Hillmer in BC 2012, 30 ff., und Noeske/Schröpfer in BC 2010, 260 ff.), die sich bisher insbesondere mit den Spezialgebieten Investor Relations und Creditor Relations befasst, ein Bereich Tax Relations mit den Zielgruppen Revenue Officer und Tax Judge angegliedert werden.

 

 

Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, Coesfeld

 

 

BC 8/2014

becklink359736

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