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Auswirkungen des BilMoG auf die Maßgeblichkeit der Handels- für die Steuerbilanz

Christian Thurow

BMF-Schreiben vom 12.3.2010 (IV C 6 – S 2133/09/10001)

Durch das Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (BilMoG) vom 25.5.2009 kam es zu einer Änderung der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die steuerliche Gewinnermittlung. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat hierzu am 18.3.2010 ein Schreiben veröffentlicht („Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung für die steuerliche Gewinnermittlung“). Die endgültige Fassung folgt im Kern dem veröffentlichten Entwurf des Schreibens vom 12.10.2009 (siehe hier), wobei die inhaltliche Gliederung geändert und um zusätzliche Beispiele ergänzt wurde.

 

Die Regelungen im Überblick

 

Die Regelungen des § 5 Abs. 1 EStG i.d.F. des BilMoG lassen sich tabellarisch wie folgt darstellen:

Handelsrechtliche Regelungen Steuerrechtliche Regelungen und Folgerungen 
 Aktivierungs-gebot/-wahlrechtBewertungs-
wahlrecht
Passivierungs-wahlrecht/-verbotBewertungs-vorbehaltBilanzierungs-wahlrechtBilanzierungs-verbotSteuerrechtliche Konsequenz
a)XAufgrund der Maßgeblichkeit besteht ein steuerliches Aktivierungsgebot
b)XAktivierungsgebot in der Steuerbilanz
c)XXXDie Bewertung in der Steuerbilanz erfolgt nach steuerrechtlichen Vorschriften
d)XXXDurchbrechung der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz; keine Bilanzierung in der Steuerbilanz
e)XPassivierungsverbot in der Steuerbilanz
f)XWahlrecht kann unabhängig vom handelsrechtlichen Wertansatz ausgeübt werden
g)XXBesteht sowohl ein handels- als auch ein steuerrechtliches Wahlrecht, können diese unabhängig voneinander ausgeübt werden.

 

Nachfolgend werden die einzelnen Konstellationen anhand von Kurzbeispielen verdeutlicht.

 

a) Handelsrechtliches Aktivierungsgebot/-wahlrecht ohne eigenständige steuerliche Regelung

Beteiligungen sind (gemäß § 271 Abs. 1 HGB i.V.m. § 266 Abs. 2 HGB) zu aktivieren. Mangels eigenständiger steuerlicher Regelung gilt das handelsrechtliche Aktivierungsgebot auch für die Steuerbilanz (Maßgeblichkeit).

 

 

b) Handelsrechtliches Bewertungswahlrecht ohne eigenständige steuerliche Regelung

Bei der Aufstellung des Inventars können bestimmte Wirtschaftsgüter nach der Festbewertung (gemäß § 240 Abs. 3 HGB) bzw. nach der Gruppenbewertung (gemäß § 240 Abs. 4 HGB) bewertet werden. Da hierzu keine steuerliche Regelung besteht, sind (gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG) die handelsrechtlichen Wertansätze in die Steuerbilanz zu übernehmen.

 

c) Steuerrechtlicher Bewertungsvorbehalt

Gegenüber dem Entwurf betont die endgültige Fassung des BMF-Schreibens stärker die Konsequenzen eines steuerrechtlichen Bewertungsvorbehalts. Hierzu nennt das BMF-Schreiben zwei Beispiele:

 

Beispiel zu Einbeziehungswahlrechten (§ 255 Abs. 2 Satz 3 HGB): Der Kaufmann ist (gemäß § 255 Abs. 2 Satz 3 HGB) berechtigt (nicht verpflichtet!), angemessene Teile der Kosten der allgemeinen Verwaltung sowie angemessene Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebes etc. in die Berechnung der Herstellungskosten einzubeziehen. Insofern liegt ein handelsrechtliches Bewertungswahlrecht vor. Steuerrechtlich besteht ein Bewertungsgebot, welches die Einbeziehung der in § 255 Abs. 2 Satz 3 HGB genannten Komponenten fordert (§ 5 Abs. 6 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG). Je nach Ausübung des handelsrechtlichen Bewertungswahlrechts kommt es durch den steuerrechtlichen Bewertungsvorbehalt zu einer Durchbrechung der handelsbilanziellen Maßgeblichkeit.
Hinweis der Red.: Dieser Hinweis des BMF geht nicht konform mit R 6.3 Abs. 4 EStR, wonach das handelsrechtliche Bewertungswahlrecht für die allgemeinen Verwaltungskosten usw. auch für die Steuerbilanz gilt.

 

Beispiel zu Pensionsrückstellungen: 
Pensionsrückstellungen sind in der Handelsbilanz (gemäß § 249 HGB) zu bilden (Ansatz des „Erfüllungsbetrages“). In der Steuerbilanz sind für den Ansatz und die Bewertung von Pensionsrückstellungen die Vorschriften des § 6a EStG maßgeblich. Insofern schränkt der steuerrechtliche Bewertungsvorbehalt die handelsbilanzielle Maßgeblichkeit ein.

 

d) Steuerliche Aktivierungs- und Passivierungsverbote

Orginäre (selbst geschaffene) immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens können (gemäß § 248 Abs. 2 HGB) unter bestimmten Voraussetzungen aktiviert werden (handelsrechtliches Wahlrecht). Steuerrechtlich gilt das Aktivierungsverbot für selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände (gemäß § 5 Abs. 2 EStG). Die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz wird somit durchbrochen.

Auch der bislang gültige Grundsatz, wonach handelsrechtliche Aktivierungswahlrechte zu einem steuerbilanziellen Aktivierungsgebot führen, findet keine Anwendung.

 

e) Handelsrechtliche Passivierungsverbote/-wahlrechte

Wie vor der Einführung des BilMoG gilt für handelsrechtliche Passivierungsverbote und Passivierungswahlrechte ein Passivierungsverbot in der Steuerbilanz. So führt das Passivierungsverbot von für andere Zwecke als die in § 249 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 und 2 HGB genannten Rückstellungen (gemäß § 249 Abs. 2 HGB) zu einem entsprechenden Passivierungsverbot in der Steuerbilanz. Dies betrifft z.B. Aufwandsrückstellungen für unterlassene Aufwendungen und Instandhaltung, die mehr als drei Monate nach Geschäftsjahresende, aber im folgenden Geschäftsjahr nachgeholt werden.

 

f) Steuerrechtliches Bilanzierungswahlrecht (ohne handelsrechtliches Bilanzierungswahlrecht)

Besteht ein Wahlrecht nur in der Steuerbilanz, kann es unabhängig vom handelsrechtlichen Wertansatz ausgeübt werden. So können beispielsweise (gemäß § 6b EStG) stille Reserven bestimmter Anlagegüter auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten anderer bestimmter Wirtschaftgüter übertragen werden, um eine Besteuerung zu vermeiden. Alternativ kann eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage gebildet werden (Reinvestitionsrücklage).

Beide Möglichkeiten sind in der Handelsbilanz nicht zulässig. Somit kommt es zu einer Abweichung zwischen Handelsbilanz und Steuerbilanz.

 

g) Handels- und steuerrechtliche Wahlrechte

Bestehen Wahlrechte sowohl in der Handelsbilanz als auch in der Steuerbilanz, können sie (gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG) unterschiedlich ausgeübt werden. So kann neben der Einzelbewertung (gemäß § 256 HGB) die Bewertung bestimmter Vorräte nach dem Lifo- oder dem Fifo-Verfahren erfolgen. Steuerrechtlich besteht das Wahlrecht (nach § 6 Abs. 1 Nr. 2a EStG) nur für das Lifo-Verfahren. Wenn in der Handelsbilanz eine Einzelbewertung erfolgt, kann in der Steuerbilanz dennoch das Lifo-Verfahren angewendet werden.

 

Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten

Steuerliche Wahlrechte dürfen (gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG) nur ausgeübt werden, wenn sämtliche Wirtschaftsgüter, die nicht mit ihrem handelsrechtlichen Wertansatz in der steuerlichen Gewinnermittlung berücksichtigt werden, in besonderen, laufend zu führenden Verzeichnissen aufgeführt werden. Die Verzeichnisse müssen (laut § 5 Abs. 1 Satz 3 EStG) folgende Informationen ausweisen:

  • Tag der Anschaffung oder Herstellung,
  • die Anschaffungs- oder Herstellungskosten,
  • die Vorschrift des ausgeübten steuerlichen Wahlrechts,
  • die vorgenommenen Abschreibungen.

Ein besonderes Formerfordernis für die Verzeichnisse besteht nicht. Sind die oben genannten Angaben bereits im Anlagenverzeichnis oder dem Verzeichnis für Geringwertige Wirtschaftsgüter (gemäß § 6 Abs. 2 Satz 4 EStG) enthalten oder wird das Anlagenverzeichnis um die geforderten Angaben erweitert, ist dies als Dokumentation ausreichend. Dies lässt sich auch aus dem Hinweis im endgültigen BMF-Schreiben schließen, demgemäß die Aufstellung der Verzeichnisse auch nach Ablauf des Wirtschaftsjahres im Rahmen der Erstellung der Steuererklärung erfolgen kann. Sofern das Verzeichnis nicht vollständig geführt wird bzw. sofern es gar nicht existiert, ist der steuerliche Gewinn durch die Finanzbehörde so zu ermitteln, als ob das Wahlrecht nicht ausgeübt wurde. Kommt es im Zuge einer Bilanzänderung zu einer erstmaligen Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts, ist dies durch eine Aufzeichnung (gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG) festzuhalten.

Das endgültige BMF-Schreiben ergänzt die im Entwurf genannten Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten. Demnach sollen die oben genannten Verzeichnisse ein Bestandteil der Buchführung sein. Hieraus ergeben sich entsprechende Konsequenzen z.B. für die Aufbewahrung.

Für Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens ist bei der Ausübung steuerlicher Wahlrechte eine gesonderte Aufzeichnung (gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG) nicht erforderlich. Dasselbe gilt auch für Umwandlungsvorgänge im Sinne des Umwandlungssteuerrechts.

Bei der Bildung von steuerlichenRücklagen (z.B. Reinvestitionsrücklage) kann auf eine Aufnahme in das Verzeichnis nach § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG verzichtet werden, wenn die Rücklage in der Steuerbilanz bilanziert wird.

Werden Zuschüsse für Anlagegüter erfolgsneutral bilanziert (d.h. die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für das Wirtschaftsgut werden um die erhaltenen Zuschüsse gemindert – vgl. R 6.5 Abs. 2 Satz 3 EStR), sind die Zuschüsse in das gesonderte Verzeichnis (nach § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG) aufzunehmen und entsprechend zu dokumentieren. Diese Aufzeichnungspflicht entfällt, wenn die Zuschüsse erfolgswirksam als Betriebseinnahme angesetzt werden.

 

Zeitpunkt der Anwendung

Die dargestellten Regelungen des § 5 Abs. 1 EStG (in der Fassung des BilMoG) sind erstmals für den Veranlagungszeitraum 2009, d.h. für alle Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2008 enden, anzuwenden.

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Manager Internal Audit/Operational Risk Assurance Manager, Frankfurt (E-Mail: Christian.Thurow@sc.com)

 

Heft 4/2010  

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