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Voraussetzungen einer Bilanzänderung: Rückstellung für künftige Aufbewahrungskosten von Geschäftsunterlagen

Kristin Markgraf und Dr. Antje Weber

BFH-Urteil vom 17.7.2008, I R 85/07

Eine nachträgliche Bildung einer Rückstellung für die Kosten der künftigen Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen (nach höchstrichterlicher Klärung der Rechtslage) kann im Rahmen einer Bilanzänderung nachgeholt werden.

[Leitsatz d. Verf.]

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

 

Im vorliegenden Fall fand bei einer Kapitalgesellschaft eine Betriebsprüfung für das Jahr 2000 statt, wodurch der Steuerbilanzgewinn zu Recht um 74 TDM erhöht wurde. Aus dem erhöhten Steuerbilanzgewinn resultiert ein höheres zu versteuerndes Einkommen und damit eine höhere Steuerlast (z.B. Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer).

Um die Mehrsteuern aus den getroffenen Feststellungen zu minimieren, wollte die Gesellschaft nachträglich eine Rückstellung für Archivierungsaufwendungen im Jahresabschluss 2000 in Höhe von 55 TDM bilden.

 

 

Hintergrund

 

Kaufleute sind verpflichtet, bestimmte Geschäftsunterlagen über eine gesetzlich geregelte Zeitspanne aufzubewahren. So sind insbesondere

  • der Jahresabschluss und die Buchungsbelege 10 Jahre,
  • Handels- und Geschäftsbriefe sowie
  • sonstige Schriftstücke, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind, 6 Jahre aufzubewahren.

Hierfür entstehen den Unternehmen Kosten (u.a. für Archivräume).

Im vorliegenden Fall war zum Zeitpunkt der Erstellung des Jahresabschlusses für das Jahr 2000 die Rechtsfrage hinsichtlich der Verpflichtung des künftigen Archivierungsaufwandes noch nicht abschließend geklärt. Man wusste somit nicht, ob ein Unternehmen in seiner Steuerbilanz eine Archivierungsrückstellung bilden darf oder nicht. Aus diesem Grund hat die Gesellschaft im Jahresabschluss für das Jahr 2000 keine Bilanzierung vorgenommen. Erst später, am 19.8.2002, erging das BFH-Urteil (VIII R 30/01), wodurch Kaufleute zur Bilanzierung einer solchen Rückstellung verpflichtet wurden.

Demnach begehrte das Unternehmen im genannten Fall die nachträgliche Änderung des Jahresabschlusses des Jahres 2000 durch die Bildung der Rückstellung für künftige Archivierungsaufwendungen, und zwar im Zusammenhang mit der Bilanzberichtigung durch das Finanzamt, welche aus der Betriebsprüfung resultierte.

 

 

Lösung

 

Eine bereits beim Finanzamt eingereichte Bilanz kann nach zwei Vorschriften verändert werden:

 

 

1. Bilanzberichtigung (§ 4 Abs. 2 Satz 1 EStG):

Bei einer Bilanzberichtigung werden Bilanzansätze, die dem Grunde oder der Höhe nach falsch sind, durch richtige ersetzt.

Eine Bilanzberichtigung war im vorliegenden Fall gegeben, denn das Finanzamt stellte im Rahmen der Betriebsprüfung der Höhe nach falsche Bilanzansätze fest. So veränderte/berichtigte es beispielsweise die Bilanz durch die:

  • Verminderung einer zu hoch ausgewiesenen Wertberichtigung von Kundenforderungen (+ 7.000 DM),
  • Neubewertung des zu hoch bewerteten Wertpapierbestandes (+ 111.868,85 DM),
  • Minderung von zu hoch ausgewiesenen Verbindlichkeiten gegenüber Kunden (+ 50.000 DM),
  • Erhöhung einer zu niedrig angesetzten Umsatzsteuerverbindlichkeit (./. 12.501,16 DM),
  • Erhöhung zu niedriger Steuerrückstellungen (./. 82.581 DM).

Die Klammerangaben zeigen die Veränderung des Steuerbilanzgewinns auf.

Dadurch erhöhte sich der Steuerbilanzgewinn um 74 TDM und das zu versteuernde Einkommen um 128 TDM.

 

 

2. Bilanzänderung (§ 4 Abs. 2 Satz 2 EStG):

Bei einer Bilanzänderung werden zulässige und richtige Bilanzansätze durch andere zulässige und richtige ersetzt. Das ist insbesondere bei Bewertungs- und Ansatzwahlrechten gegeben. Bilanzänderungen sind nur dann zulässig, wenn ein enger und zeitlicher Zusammenhang mit einer Bilanzberichtigung besteht. Das bedeutet, beide Vorgänge (Bilanzberichtigung und -änderung) müssen sich auf dieselbe Bilanz beziehen.

In dem hier zu betrachtenden Fall ist diese Voraussetzung gegeben, da alle Änderungen den Jahresabschluss für das Jahr 2000 betreffen.

Zu beachten gilt: Die Höhe einer Bilanzänderung ist auf die Gewinnauswirkung der Bilanzberichtigung begrenzt. Das hieße in vorliegenden Fall: Eine Bilanzänderung wäre bis zur Höhe von 74 TDM möglich. Im gegebenen Fall liegen folgende Änderungen vor:

  • Gewinnauswirkung der Bilanzberichtigung: 74 TDM
  • Gewinnauswirkung der Bilanzänderung: 55 TDM (begrenzt auf maximal 74 TDM)

Zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung für das Jahr 2000 war die Streitfrage noch nicht geklärt, ob eine Archivierungsrückstellung gebildet werden darf oder nicht. Deshalb hat die Gesellschaft die Bilanzierung seinerzeit zu Recht unterlassen. Die Bilanz war demnach zum damaligen Zeitpunkt richtig.

Durch das nachträgliche Klären der Rechtsfrage (mit BFH-Urteil vom 19.8.2002) ist der Ansatz der Rückstellung in dem noch nicht endgültig festgestellten Jahresabschluss für das Jahr 2000 Pflicht und somit richtig. Aus diesem Grund sind die Voraussetzungen einer Bilanzänderung gegeben. Die Gesellschaft darf die Mehrsteuern, die aus den Feststellungen der Betriebsprüfung resultieren, durch die Bildung der Rückstellung für zukünftige Kosten der Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen reduzieren [Erhöhung der zu niedrig angesetzten Rückstellungen (./. 55.500,00 DM)].

 

 

 

Praxistipps:

  • Eine Bilanz, welche vor Ergehen des BFH-Urteils vom 19.8.2002 „Ansatzpflicht von Archivierungsrückstellungen“ erstellt wurde, aber keine Archivierungsrückstellung enthält, ist nicht falsch. Es kann nachträglich eine Bilanzberichtigung nicht erfolgen.
  • Eine (nachträgliche) Bilanzänderung zur Berücksichtigung der Kosten ist hingegen möglich, wenn sie im Zusammenhang mit einer Bilanzberichtigung, z.B. nach einer Betriebsprüfung, steht. Eine Bilanzberichtigung ist die Voraussetzung für eine Bilanzänderung.
  • Zur Berechnung der Höhe der Archivierungsrückstellung wird auf die OFD Magdeburg, Verfügung vom 21.9.2006, S 2137 – 41 – St 211 (siehe BC 12/2006, S. VIII ff., hier) verwiesen. Zur Höhe der Archivierungsrückstellung siehe auch BC 3/2008, S. VIII, hier und X, hier.
  • Die Rückstellung ist unverzinslich, d.h., sie ist nicht abzuzinsen, da die Aufbewahrungsverpflichtung für die Geschäftsunterlagen erst dann beginnt, wenn die Unterlagen „entstehen“. Somit ergibt sich von vornherein kein ermittelbarer Zeitraum, für den eine Abzinsung vorzunehmen wäre.
  • Das oben dargestellte BFH-Urteil sollte ebenso im Auge behalten werden, wie andere ungeklärte Bilanzierungsfragen.
  • Weitere wichtige Praxishinweise zur Bilanzänderung und Bilanzberichtigung finden Sie in BC 9/2008, S. VIII ff.,  hier sowie in BC 7/2008, S. VIII ff., hier.

 

 

StB Kristin Markgraf, Nürnberg / Dr. Antje Weber, Nürnberg

BC 11/2008

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