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Lohnsteuerabzug bei grenzüberschreitendem Mitarbeitereinsatz

André Jänichen

Doppelbesteuerung vermeiden, aber wie?

 

In der globalen Arbeitswelt und vor dem Hintergrund des bestehenden weltweiten Mangels an Fachkräften kommt es zunehmend zum grenzüberschreitenden Arbeitseinsatz von Arbeitnehmern. Wenn Arbeitnehmer für ihren inländischen Arbeitgeber im Ausland tätig werden, ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang der Arbeitslohn im Inland steuerpflichtig ist oder ob eine Freistellung von der Lohnsteuer in Betracht kommt.

 


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Wenn der Arbeitsort und der Wohnort in unterschiedlichen Ländern liegen, kann das Problem der Doppelbesteuerung auftreten. Darunter ist hier zu verstehen, dass der Arbeitslohn in zwei oder mehreren Staaten für denselben Zeitraum besteuert wird: Es kommt insoweit zu einer sich überschneidenden Besteuerung, als der eine Staat das „Welteinkommen“ des ansässigen Steuerpflichtigen besteuert (unbeschränkte Steuerpflicht) und der andere Staat die Einkünfte besteuert, die aus seinem Land stammen (beschränkte Steuerpflicht). Durch unterschiedliche Maßnahmen (geregelt im jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA)) kann diese Doppelbesteuerung vermieden bzw. eingeschränkt werden.

Arbeitnehmer, die ihren Wohnsitz (§ 8 AO) oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) im Inland haben, sind mit dem aus ihrer Auslandstätigkeit erzielten Arbeitslohn unbeschränkt einkommensteuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 EStG). Der Steuerabzug ist sodann vom Arbeitgeber nach den individuellen Lohnsteuerabzugsmerkmalen vorzunehmen. Gerade diese Klassifizierung nach den §§ 8, 9 AO ist in der Praxis umfassend zu prüfen, da je nach Konstellation abweichende Ergebnisse auftreten, welche sich auch nach den zu betrachtenden Ländern unterscheiden (mehrfacher Wohnsitz, Home-Office, Vertretungsbefugnisse, Familie, Dauer des Aufenthalts oder die Zahlung des Arbeitslohns). 

 

 

Lösung

 

1. Freistellung und Anrechnung

Deutschland als Ansässigkeitsstaat vermeidet eine Doppelbesteuerung durch die Freistellung der Einkünfte unter Berücksichtigung des Progressionsvorbehalts (§ 32b EStG). Dies setzt allerdings voraus, dass die Einkünfte im ausländischen Staat besteuert werden. Nach einzelnen DBA wird anstelle der Freistellung die sog. Anrechnung (§ 34c EStG) durchgeführt (z.B. Dänemark, Frankreich, Italien, Norwegen).

Die DBA gehen dem innerstaatlichen Recht vor. Ist in einem DBA die Freistellung vorgesehen, muss geprüft werden, ob diese lediglich auf Antrag gewährt wird (z.B. Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Liechtenstein). Sieht ein DBA keinen Antrag vor, kann der Arbeitgeber bereits dann den Lohnsteuerabzug unterlassen, wenn die im DBA genannten Tatbestandsvoraussetzungen gegeben sind.

 

 

2. Prüf- und Zuordnungstätigkeiten bei Freistellung

Sofern der Arbeitslohn in Deutschland nach einem DBA freizustellen ist, ist zunächst zu prüfen, inwieweit dieser unmittelbar der Auslandstätigkeit oder der Inlandstätigkeit zugeordnet werden kann. Sollte eine unmittelbare Zuordnung nicht möglich sein, ist der verbleibende Arbeitslohn tätigkeitsbezogen aufzuteilen.

Gehaltsbestandteile, die unmittelbar aufgrund einer konkreten Leistung gezahlt werden, sind vorab direkt zuzuteilen (z.B. Reisekosten, Überstundenvergütung, Gestellung von Wohnungen im Tätigkeitsstaat etc.).

Nicht direkt zuordenbare Bestandteile (z.B. laufender Arbeitslohn, Zusatzvergütungen wie Weihnachtsgeld etc.) sind entsprechend für den laufenden Lohnsteuerabzug im Rahmen von Aufteilungsalternativen zu betrachten; zu unterscheiden sind

  • die Aufteilung nach tatsächlichen Arbeitstagen anhand einer Prognose oder
  • die Aufteilung nach vereinbarten Arbeitstagen.

Ändert sich die Prognose in Bezug auf die Tage in einem folgenden Lohnzahlungszeitraum, ist der neu ermittelte Aufteilungsmaßstab ab diesem Lohnzahlungszeitraum anzuwenden. Wichtig ist hierbei, dass sich der Arbeitgeber für eine Variante entscheiden muss. Ein unterjähriger Wechsel der Methode ist nicht gestattet.

 

 

3. Bescheinigungen über die Freistellungen

Die Bescheinigungen über die Freistellungen werden vom Betriebsstättenfinanzamt auf Antrag erteilt. Lässt der Arbeitgeber Arbeitslohn für eine Auslandstätigkeit steuerfrei, ist Folgendes zu beachten:

  • Der begünstigte Arbeitslohn muss im Lohnkonto und in der Lohnsteuerbescheinigung getrennt vom übrigen Arbeitslohn angegeben werden (§ 4 LStDV).
  • Die Freistellungsbescheinigung ist als Beleg zum Lohnkonto zu nehmen (§ 4 LStDV).
  • Für Arbeitnehmer, die zu irgendeinem Zeitpunkt während des betreffenden Kalenderjahres begünstigten Arbeitslohn erhalten haben, darf der Arbeitgeber keinen betrieblichen Lohnsteuer-Jahresausgleich durchführen und auch die Lohnsteuer nicht nach dem voraussichtlichen Jahresarbeitslohn (permanenter Jahresausgleich) berechnen.
  • Durch die Freistellungsbescheinigung kann der Arbeitgeber insoweit ohne Haftungsrisiko von der Vornahme des Lohnsteuerabzugs absehen, sofern der im Antrag geschilderte Sachverhalt mit dem späteren Verfahrensablauf übereinstimmt.

Am Jahresende sind sodann die letztlich für die finale Aufteilung maßgebenden Tage im In- und Ausland bekannt. Bei unbeschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern mit ganzjähriger Beschäftigung und ohne Steuerklassenwechsel kann der Arbeitgeber eine einzige Korrektur unter Anwendung der Jahrestabelle bis Ende Februar des Folgejahres vornehmen. In allen anderen Fällen hat dies monatsgenau zu erfolgen.

 

 

 

Praxishinweise:

  • Einmalige Zahlungen, wie z.B. Jubiläumszahlungen, sind ebenfalls aufzuteilen, wenn es sich um eine Nachzahlung für eine frühere aktive Tätigkeit handelt und die Zahlung auf die Auslands- und die Inlandstätigkeit entfällt. Für eine etwaige Steuerbefreiung kommt es nicht auf die Zahlung an, sondern allein darauf, dass diese dem Arbeitnehmer für eine Auslandstätigkeit bezahlt wird (so der BFH schon in einem Urteil vom 5.5.1992, BStBl. II 1992, 660). Noch schwieriger wird die Beurteilung bei weiteren Lohnbestandteilen, wie Abfindungen, Tantiemen, Boni oder Optionsrechten.
  • Da es eine Vielzahl an möglichen Konstellationen im grenzüberschreitenden Einsatz von Arbeitnehmern gibt und hier zahlreiche Ausnahmetatbestände vorhanden sind (Dauer des Aufenthalts, Verbund-Unternehmen, Betriebsstätten etc.), ist es ratsam, sich bei entsprechenden Vorhaben frühzeitig mit einem Berater in Verbindung zu setzen, da dies ggf. auch Abstimmungen mit dem jeweiligen Ausland mit sich bringt. Die weiteren potenziellen Auswirkungen auf die Sozialversicherung, Rentenansprüche und private Einkommensteuersituation etc. sind ggf. abweichend und müssen dringend in die Entscheidung über einen grenzüberschreitenden Mitarbeitereinsatz einbezogen werden.

     

     

    WP/StB André Jänichen, PKF Wulf Gruppe, Freudenstadt

     

     

     BC 12/2023

     BC20231217

     

     

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