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Zurückbehaltungsrecht wegen nicht ordnungsgemäßer Rechnung

BC-Redaktion

BGH-Urteil vom 26.6.2014, VII ZR 247/13

 

  1. Besteht ein Anspruch auf Erteilung einer Rechnung nach § 14 UStG, kann der Leistungsempfänger das von ihm geschuldete Entgelt grundsätzlich nach § 273 Abs. 1 BGB zurückhalten, bis der Leistende ihm die Rechnung erteilt.
  2. Ist ernstlich zweifelhaft, ob die Leistung der Umsatzsteuer unterliegt, kann der Leistungsempfänger die Erteilung einer Rechnung nach § 14 UStG mit gesondert ausgewiesener Steuer nur verlangen, wenn die zuständige Finanzbehörde den Vorgang bestandskräftig der Umsatzsteuer unterworfen hat.

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Eine Handelsmaklerin, die u.a. betriebliche und private Versicherungen vermittelt, schloss mit einem Handelsvertreter am 21.3.2011 einen Vertrag ab. Darin verpflichtete sich die Handelsmaklerin, den Handelsvertreter bei dessen Vermittlungstätigkeit zu unterstützen und „zur Erfüllung seiner Tätigkeiten kostenpflichtiges Adressenmaterial (Leads) zur Verfügung“ zu stellen.

Mit Schreiben vom 12.5.2011 stellte die Handelsmaklerin dem Handelsvertreter für acht Leads einen Betrag von 1.280 € in Rechnung. Eine Zahlung des Handelsvertreters blieb aus. Daraufhin machte die Handelsmaklerin den Zahlungsanspruch in Höhe von 1.280 € zuzüglich Zinsen auf dem Klageweg geltend.

Da die Rechnung nicht den Vorgaben des § 14 UStG entsprach (fehlender gesonderter Ausweis der Umsatzsteuer), hielt der Handelsvertreter die Zahlung bis zur Erteilung einer ordnungsgemäßen Rechnung zurück.

 

 

Lösung

Die Revision hat keinen Erfolg. Der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von 1.280 € zuzüglich Zinsen ist begründet.

Ohne Erfolg berufe sich der Handelsvertreter auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen einer nicht den Vorgaben des § 14 UStG genügenden Rechnung. Zwar entsprechen die vorgelegten Rechnungen offensichtlich nicht den Anforderungen des § 14 Abs. 4 UStG. Aber: Die Erteilung einer Rechnung nach Maßgabe des § 14 UStG kann (gemäß § 242 BGB) dann nicht verlangt werden, wenn – wie hier – die Umsatzsteuer ernstlich zweifelhaft ist und die zuständige Finanzbehörde den Vorgang noch nicht bestandskräftig der Umsatzsteuer unterworfen hat (Steuerbefreiungen bei Umsätzen aus der Tätigkeit als Versicherungsvertreter oder Versicherungsmakler gemäß § 4 Nr. 11 UStG). Denn, so § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 UStG: „Eine Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung besteht nicht, wenn der Umsatz nach § 4 Nr. 8 bis 28 steuerfrei ist.“

Die Tätigkeit eines Versicherungsmaklers und -vertreters lässt sich in verschiedene Dienstleistungen aufteilen, die als solche unter den Begriff „zu den Versicherungs- und Rückversicherungsumsätzen gehörige Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden“ fallen. Die Reichweite des § 4 Nr. 11 UStG bei arbeitsteilig organisiertem Vertrieb ist nicht abschließend geklärt.

 

 

Praxishinweise:

  • Im Umkehrschluss heißt das: Bei einem steuerbaren und steuerpflichtigen Umsatz kann der Leistungsempfänger das geschuldete Entgelt (nach § 273 Abs. 1 BGB) sehr wohl zurückhalten, bis ihm eine ordnungsgemäße Rechnung erteilt wird (Anspruch auf Erteilung einer Rechnung nach § 14 UStG).
  • Bei den in § 14 Abs. 4 UStG abschließend aufgeführten, vorgeschriebenen Angaben in einer Rechnung handelt es sich um zwingende Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug (nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG). Anzugeben sind z.B.
    – Name/Anschrift des leistenden und empfangenden Unternehmers,
    – Menge,
    – Entgelt,
    – Steuernummer oder Umsatzsteuer-Identifikationsnummer,
    – Ausstellungs-/Rechnungsdatum,
    – Rechnungsnummer,
    – Leistungszeitpunkt (oder Bezugnahme auf das Datum des Lieferscheins),
    – Steuersatz sowie
    – jede im Voraus vereinbarte Minderung (z.B. Skonto).

Der Leistungsempfänger hat alle Angaben in der Rechnung – auch die Richtigkeit der Angabe des Leistungszeitpunktes – zu prüfen, um Vorsteuer abziehen zu können. Lediglich bezüglich der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer und der Rechnungsnummer wird eingeräumt, dass der Empfänger diese nicht prüfen könne; deshalb schließt deren Unrichtigkeit den Vorsteuerabzug nicht aus, wenn der Empfänger die Unrichtigkeit nicht erkennen konnte.

  • Sofern ein Leistungsempfänger unvollständige Rechnungen erhalten sollte, kommen zwei alternative Reaktionsmöglichkeiten infrage:
    – Zurückschicken der unvollständig ausgestellten Rechnung – sie wird erst bezahlt, wenn sie den neuen Formvorschriften für den Vorsteuerabzug entspricht – oder
    – Wahrnehmen eines Zurückbehaltungsrechts bezüglich der Gegenleistung (z.B. Zahlung), wenn es der Rechnungsaussteller nach Aufforderung durch den Rechnungsempfänger unterlässt, eine korrigierte Rechnung mit Angabe der Steuernummer auszustellen.
  • Zur Rechnungsberichtigung (vgl. Abschn. 14.11 Abs. 1 Sätze 1 bis 4 UStAE): Eine Rechnung kann (gemäß § 14 Abs. 6 Nr. 5 UStG, § 31 Abs. 5 UStDV) berichtigt werden, „… wenn sie nicht alle Angaben nach § 14 Abs. 4 und § 14a UStG enthält oder wenn Angaben in der Rechnung unzutreffend sind. Dabei müssen nur die fehlenden oder unzutreffenden Angaben ergänzt oder berichtigt werden. Die Berichtigung muss durch ein Dokument erfolgen, das spezifisch und eindeutig auf die Rechnung Bezug nimmt. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn in diesem Dokument die fortlaufende Nummer der ursprünglichen Rechnung angegeben ist; eine neue Rechnungsnummer für dieses Dokument ist nicht erforderlich".
    Das Dokument, mit dem die Berichtigung durchgeführt werden soll, muss die formalen Anforderungen der §§ 14 und 14a UStG (siehe oben) erfüllen. Für die Berichtigung einer Rechnung genügt die einfache Schriftform auch dann, wenn in einem notariell beurkundeten Kaufvertrag mit Umsatzsteuerausweis abgerechnet worden ist.
 

 

Bei einer ernstlich zweifelhaften Steuerrechtslage – wie im vorliegenden Streitfall – ist es dem Leistenden regelmäßig nicht zuzumuten, eine Rechnung nach § 14 UStG mit gesondertem Steuerausweis auszustellen, die unter Umständen nach der Beurteilung der zuständigen Finanzbehörde zu Unrecht einen Steuerausweis enthält. Der Leistende wäre damit dem Risiko ausgesetzt, allein durch einen solchen Steuerausweis eine – ansonsten nicht bestehende – Steuerschuld auszulösen (vgl. § 14c UStG).

Auf der anderen Seite ist ein Leistungsempfänger, der einen Vorsteuerabzug ausüben will und hierfür eine nach § 14 UStG ausgestellte Rechnung benötigt (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG), in derartigen Fällen nicht rechtlos gestellt. Bei ernstlich zweifelhafter Steuerrechtslage darf der Leistungsempfänger gegen das Finanzamt, das für die Umsatzsteuerfestsetzung gegenüber dem Leistenden zuständig ist, auf Feststellung klagen, dass ein bestimmter Umsatz steuerbar und steuerpflichtig ist.

 

[Anm. d. Red.]

 

 

BC 8/2014

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