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Bilanzsteuerliche Behandlung von Zinsen auf Betriebssteuererstattungen und -nachforderungen

BC-Redaktion

OFD Niedersachsen, Verfügung vom 30.11.2015, S 2133-22-St 222/St 221

 

1. Zinsen auf Steuererstattungen

Die Bilanzierung einer Forderung setzt grundsätzlich voraus, dass zum Bilanzstichtag eine solche rechtlich entstanden ist. Der Anspruch auf Zinsen wegen einer Steuererstattung entsteht nach § 233a Abs. 1 AO dann, wenn die Festsetzung einer (Betriebs-)Steuer zu einer Steuererstattung führt. Vor erfolgter Steuerfestsetzung ist rechtlich kein Zinsanspruch entstanden (vgl. AEAO zu § 46 AO Tz. 1). Gleichwohl ist nach Ablauf der in § 233a Abs. 2 AO enthaltenen Frist von 15 Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres, für das der Steuererstattungsanspruch entstanden ist, eine Forderung auf Zinsen wegen Steuererstattungen auszuweisen; unabhängig davon, ob die entsprechenden Steuern festgesetzt wurden.

Dieser unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten vorgenommene Forderungsausweis entspricht den Grundsätzen, die für die Aktivierung von Dividendenansprüchen ohne vorherigen Gewinnverwendungsbeschluss gelten. Eine Forderung auf Zinsen wegen einer Steuererstattung ist demnach frühestens zu dem Bilanzstichtag zu aktivieren, der 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres liegt, für das der Anspruch auf Steuererstattung entstanden ist. Dabei umfasst die Forderung nur die Zinsen, die bis zum Bilanzstichtag wirtschaftlich entstanden sind.

Der BFH hat mit Urteil vom 31.8.2011 ( X R 19/10, BStBl. II 2012, 190) entschieden, dass Umsatzsteuer-Erstattungsansprüche in Zusammenhang mit dem Betrieb von Geldspielautomaten, die vom Finanzamt bestritten worden waren, zum ersten Bilanzstichtag zu aktivieren sind, der auf die vorbehaltlose Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 12.5.2005 (V R 7/02, BStBl. II 2005, 617) im Bundessteuerblatt (BStBl. II) vom 30.9.2005 folgt. In dem Streitfall ging es um die Frage, ob die Erstattungsansprüche aus geänderten Umsatzsteuerbescheiden der Jahre 1996 bis 2001 bereits im Jahresabschluss 2005 (Jahr der Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 12.5.2005) oder erst im Jahresabschluss 2006 (Jahr der Änderung und damit Bekanntgabe der geänderten Umsatzsteuerbescheide) gewinnerhöhend zu erfassen waren. Nach Auffassung des BFH war das Finanzamt durch die Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 12.5.2005 (V R 7/02, BStBl. II 2005, 617) im BStBl. II verwaltungsintern verpflichtet, die daraus resultierende Rechtsprechung zugunsten des Klägers anzuwenden. Damit stand bereits im Kalenderjahr 2005 fest, dass das Finanzamt die Erstattungsansprüche des Klägers dem Grunde nach nicht mehr bestreiten würde. Die bloße Umsetzung dieser Rechtsprechung in geänderte Umsatzsteuerbescheide, die erst 2006 erfolgte, stand einer Aktivierung entsprechender Forderungen im Jahr 2005 nicht entgegen.

Auch Ansprüche auf Erstattungszinsen nach § 233a AO können nach einer Abstimmung auf Bund-Länder-Ebene frühestens aktiviert werden, wenn sie hinreichend sicher sind. Dies ist im Regelfall der Bilanzstichtag, der der Bekanntgabe der begünstigenden Verwaltungsentscheidung folgt. Der Anspruch ist bereits zu einem früheren Bilanzstichtag zu aktivieren, wenn zu diesem Zeitpunkt der Realisierung des Anspruchs weder materiell-rechtliche noch verfahrensrechtliche Hindernisse entgegenstehen, vgl. ESt-Kartei ND § 5 EStG Nr. 1.5.1 m.w.H.

 

 

Streitfall:

Bei der X-GmbH ergab sich für das Jahr 2011 eine Umsatzsteuernachzahlung in Höhe von 10.000 €. Gegen diesen Umsatzsteuerbescheid legte die X-GmbH fristgerecht Einspruch ein. Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wurde nicht gestellt. Die Umsatzsteuernachzahlung für das Jahr 2011 wurde fristgerecht entrichtet. Das Rechtsbehelfsverfahren ruhte, bis der BFH in einem vergleichbaren Fall eine Entscheidung traf, die sich zugunsten der Kläger auswirkte. Die Finanzverwaltung hat das BFH-Urteil im Jahr 2014 im BStBl. II 2014 zur allgemeinen Anwendung veröffentlicht. Daraufhin hat das Finanzamt im Jahr 2015 dem Einspruch in vollem Umfang stattgegeben und der X-GmbH einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2011 erteilt.

 

Lösung:

Im Streitfall sind der Umsatzsteuer-Erstattungsanspruch in Höhe von 10.000 € und der Anspruch auf die Erstattungszinsen in Höhe von 1.050 € (10.000 € × 21 Monate × 0,5%) in der Bilanz auf den 31.12.2014 zu erfassen. Durch die Veröffentlichung des BFH-Urteils im BStBl. II 2014 stand bereits im Jahr 2014 fest, dass das Finanzamt die Erstattungsansprüche der Rechtsbehelfsführerin nicht mehr bestreiten wird.

 

 
2. Rückstellungen wegen künftiger Zinszahlungen aufgrund entstandener Steuernachforderungen

Bei der Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen wegen entstandener Steuernachforderungen handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung. Eine Rückstellung für derartige Verpflichtungen setzt voraus, dass am Bilanzstichtag eine hinreichend konkretisierte Verpflichtung vorliegt. Zu dem Zeitpunkt, zu dem die Steuernachforderung entsteht, ist auch die Verpflichtung zur Entrichtung der Zinsen nach § 233a AO hinreichend konkretisiert. Eine Rückstellung wegen der Verpflichtung auf Entrichtung der Zinsen wäre demnach erstmals im Jahresabschluss des Wirtschaftsjahrs zu bilden, in dem die Steuernachforderung entstanden ist. Da aber eine Rückstellung nicht nur an Vergangenes anknüpfen, sondern auch Vergangenes abgelten muss und mit der Zinszahlung wegen entstandener Steuernachforderungen der Liquiditätsvorteil abgegolten wird, der sich aus der „verspäteten“ Zahlung der Steuer für den Steuerpflichtigen ergibt, kann eine Rückstellung frühestens 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuernachforderung entstanden ist, gebildet werden. Eine solche Rückstellung kann nur die bis zu diesem Zeitpunkt wirtschaftlich entstandenen Zinsen umfassen.

 

 

Praxis-Info!

Zur bilanzsteuerrechtlichen Erfassung von Steuererstattungszinsen hat bereits die OFD Frankfurt/M. (Verfügung vom 22.4.2013, S 2133 A – 21 – St 210) Stellung genommen, und zwar ebenfalls mit Blick auf das BFH-Urteil vom 31.8.2011 (X R 19/10, BStBl. II 2012, 190). Dort findet sich ein detaillierteres Beispiel zur Berechnung der Forderung auf Zinsen wegen Steuererstattungen. Deutlich wird u.a. bei der Ermittlung des Zinslaufbeginns, wie die gesetzlich festgelegte Frist von 15 Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres, für das der Steuererstattungsanspruch entstanden ist (hier: 2001), zu berücksichtigen ist.

 

 

Bilanzierungshinweise:

  • Handelsrechtlich sind die faktisch im laufenden Geschäftsjahr begründeten Forderungen (gemäß § 268 Abs. 4 Satz 2 HGB) unter dem Posten „sonstige Vermögensgegenstände” (§ 266 Abs. 2 B. II. 4. HGB) zu aktivieren.
  • Werden Bestehen oder Höhe des Erstattungsanspruchs von der Finanzverwaltung bestritten, so ist dies im Rahmen der Bewertung der Forderung zu berücksichtigen. In diesem Fall kommt eine Aktivierung nur mit einem Erinnerungsposten von 1 € in Betracht.
  • Im Unterschied zur Steuerbilanz (Entstehen der Steuernachforderung) können in der Handelsbilanz Rückstellungen für künftige Steuernachforderungen z.B. aufgrund zu erwartender steuerlicher Betriebsprüfungen unter Umständen gebildet werden. Solche Rückstellungen sind denkbar, wenn das Steuerrisiko nicht bereits durch eine entsprechende Steuerabgrenzung abgedeckt ist. Im Klartext: Wird mit Blick auf die nächste steuerliche Außenprüfung erwartet, dass bis dahin bestehende vorübergehende Abweichungen zwischen Handelsbilanz und Steuerbilanz ganz oder zum Teil beseitigt werden und sich hieraus ein steuerrechtlicher Mehraufwand ergeben kann (weil z.B. in der Steuerbilanz Aktivposten, die bislang in der Steuerbilanz niedriger als in der Handelsbilanz angesetzt waren, höher angesetzt werden), ist dieses Risiko bereits durch die Steuerabgrenzung abgedeckt.
 
[Anm. d. Red.]       

 

 

BC 1/2016

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