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Lieferung eines Geräts mit verlängerter Gewährleistungspflicht als einheitliche Leistung

BC-Redaktion

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.4.2015, 1 K 1195/13 (Revision zugelassen)

 

Ein Unternehmer, der mit der Lieferung eines Geräts auch eine längere als gesetzlich vorgesehene Gewährleistungsfrist gewährt, führt eine einheitliche Leistung aus. Es handelt sich nicht um zwei Leistungen (Lieferung und Dienstleistung).

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Streitig ist, ob beim Verkauf von Gegenständen ein Entgelt für Gewährleistungsübernahmen der Umsatzsteuer unterliegt.

Eine GmbH verkauft im Wesentlichen Gegenstände mit verlängerten Gewährleistungsfristen (bis zu fünf Jahre), d.h., sie weicht in der Regel zugunsten ihrer Käufer von den gesetzlichen Gewährleistungsfristen ab. Sie bietet auch Serviceverträge mit Hotline und Wartung der gelieferten Geräte an. Die GmbH veräußert ihre Waren auch an Kunden außerhalb Deutschlands. Liefert sie an Kunden mit Sitz im Gemeinschaftsgebiet oder im Drittland (z.B. der Schweiz), sind diese Umsätze als innergemeinschaftliche Lieferung oder als Ausfuhrlieferung steuerfrei.

Die GmbH behandelte die Verlängerung der Gewährleistungsfrist als unselbstständige Nebenleistung zur Lieferung der Geräte. Aufgrund dessen wurde der gesamte Umsatz steuerfrei deklariert, sofern die Lieferung der Geräte eine Ausfuhrlieferung oder innergemeinschaftliche Lieferung betraf, d.h. keine (!) Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens bei sonstigen Leistungen (Umkehr der Steuerschuldnerschaft, und zwar Übergang der Steuerschuld vom leistenden Unternehmer auf den Leistungsempfänger). Schließlich wird für die Verlängerung der Gewährleistungsfrist kein gesondertes Entgelt vereinbart und auch nicht in der Rechnung ausgewiesen.

Das Finanzamt sah dagegen die Verlängerung der Gewährleistungsfrist als selbstständige Hauptleistung an und unterwarf einen Anteil des Verkaufspreises (etwa 3% bis 5% des Auftragswerts pro Jahr der Verlängerung) der Umsatzsteuer. Begründung: Eine Gewährleistungsverlängerung ist nicht unentgeltlich zu bekommen; hierfür ist regelmäßig eine zusätzliche Gegenleistung zu erbringen. Die GmbH habe nicht nur eine verlängerte Gewährleistungsfrist eingeräumt, sondern auch eine Herstellergarantie abgegeben.

 

 

Lösung

Nach Auffassung des Finanzgerichts Baden-Württemberg (FG) ist die Lieferung der Geräte und die Gewährleistungsübernahme eine einheitliche Leistung, die als innergemeinschaftliche Lieferung oder als Ausfuhrlieferung steuerfrei ist. Es handelt sich um eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung. Eine Leistung ist insbesondere dann als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für die Kunden keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Der jeweilige Käufer erwirbt in einem wirtschaftlichen Vorgang ein Gerät mit einer bestimmten Gewährleistungsfrist. Die Verpflichtung des Verkäufers zur Gewährleistung gehört zum Verkauf eines neuen Geräts. Das Kaufrecht räumt dem Käufer entsprechende Rechte ein. Ob die GmbH lediglich verlängerte Gewährleistungsfristen oder darüber hinaus Garantieleistungen zugesagt hat, ist unerheblich. In ihren Auftragsbestätigungen und Verträgen verwendet die GmbH die Begriffe „Gewährleistung“ und „Garantie“ (in der englischen Fassung der Auftragsbestätigungen „warranty“ und „guarantee“) ohne ersichtliche Differenzierung. Zudem spielt es für die umsatzsteuerliche Beurteilung ohnehin keine Rolle, ob das nationale Zivilrecht – wie in Deutschland – zwischen Gewährleistung (vgl. § 434 BGB) und Garantie (vgl. § 443 BGB) unterscheidet und in welchem Zeitraum die entsprechenden gesetzlichen Rechte bestehen.

Des Weiteren hat die GmbH in den Rechnungen an die Erwerber kein Entgelt für eine bestimmte Gewährleistungsfrist gesondert ausgewiesen. Darüber hinaus waren in den Auftragsbestätigungen keine Einzelpreise für Gewährleistung gesondert vereinbart, sondern bloß ein Gesamtkaufpreis. Außerdem haben die Käufer den Gewährleistungsanspruch ausschließlich gegen die GmbH; ein Reparaturkostenersatzanspruch gegen einen Dritten (Versicherer) bestand nicht. Demnach ist die Lieferung eines Gegenstands mit der Verpflichtung des Verkäufers zur Gewährleistung mit dem Vertragstyp „Kaufvertrag“ untrennbar verbunden. 

Das FG ließ offen, ob die Gewährleistungsverpflichtung als eigenständige Versicherungsleistung umsatzsteuerfrei sein könne.

 

 

Praxishinweis:

Für die Gewinnermittlung bestimmte die GmbH einen Anteil des Verkaufspreises, der auf die Gewährleistung mit einer Frist von über einem Jahr entfiel (etwa 3% bis 5% des Auftragswerts pro Jahr der Verlängerung), und verteilte diesen über einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten („Abgrenzung Wartungsverträge“) auf die Dauer der Verlängerung. Im wirtschaftlichen Ergebnis wirkten sich die von der GmbH der Verlängerung der Gewährleistungsfrist zugeordneten Entgelte damit erst im Zeitraum der verlängerten Gewährleistungsfrist gewinnerhöhend aus.

Für die – aufgrund § 250 Abs. 2 HGB geforderte – Bildung des passiven Rechnungsabgrenzungspostens wurden die auf die Gewährleistungsübernahmen entfallenden Entgelte lediglich pauschal ermittelt; diese sind jedoch für die umsatzsteuerliche Beurteilung nicht maßgeblich. Die Höhe des passiven Rechnungsabgrenzungspostens spiegelt den mutmaßlichen Reparaturaufwand der GmbH wider, nicht jedoch den Aufwand (das Entgelt) des Leistungsempfängers. Gegenleistung der Umsatzsteuer ist das Entgelt, das der leistende Unternehmer vom Leistungsempfänger (und ggf. einem Dritten) erhält, und nicht ein nach objektiven Maßstäben angesetzter Wert.

 

[Anm. d. Red.]      

 

 

BC 3/2016

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