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Beschränkung der Verlustnutzung bei Übertragung von mehr als 25% bis zu 50%: Verstoß gegen verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz

Christoph Bode und Prof. Dr. Christian Zwirner

BVerfG, Beschluss vom 29.3.2017, 2 BvL 6/11

 

Rechtsstreite über Beschränkungen des Gesetzgebers in Bezug auf die Nutzung von steuerlichen Verlustvorträgen, insbesondere zwecks Vermeidung des Missbrauchs sog. Mantelkäufe, haben eine lange Geschichte (vgl. Abbildung unten). Der Gesetzgeber entschied sich 2008 mit § 8c KStG zu einer einfachen, allerdings in den Folgewirkungen einschneidenden Neuregelung. Dies belegt auch das Ausgangsverfahren zu dem am 12.5.2017 veröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts.

 

Praxis-Info

 

Problemstellung

Klägerin des Ausgangsverfahrens ist eine im Jahr 2006 gegründete GmbH, deren zwei Gesellschafter am Stammkapital mit 48% bzw. 52% beteiligt waren. In den Geschäftsjahren 2006 und 2007 wurden Verluste als Verlustvortrag festgestellt. In 2008 erzielte die GmbH einen dem festgestellten Verlustvortrag entsprechenden Gewinn und ging Ende 2008 in Liquidation.

Bereits Anfang 2008 hatte der zu 48% beteiligte Gesellschafter wegen einer seinerseits befürchteten Vollstreckung in seinen Geschäftsanteil diesen an einen Dritten übertragen. Deshalb kürzte das Finanzamt für 2008 die zunächst für 2007 festgestellten Verluste um den prozentual auf den ausgeschiedenen Gesellschafter entfallenden Anteil von 48%. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die GmbH Klage vor dem Finanzgericht, das das Verfahren dem BVerfG zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG vorlegte.

 

 

Lösung

§ 8c Satz 1 KStG (heute § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG) behandelt Kapitalgesellschaften bei der Bestimmung ihrer steuerpflichtigen Einkünfte ohne sachliche Rechtfertigung ungleich – je nachdem, ob innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 25% des gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschafts-, Beteiligungs- oder Stimmrechte an einen Erwerber oder diesem nahe stehende Personen übertragen worden sind (schädlicher Beteiligungserwerb); dies, obwohl die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Gesellschaft durch die bloße Anteilsübertragung nicht verändert wird.

 

 

 

Abb.: Entwicklung der Gesetzesregelungen zur Beschränkung der Nutzung von steuerlichen Verlustvorträgen

 

 

Derjenige, der den Verlustabzug nutzen will, muss mit demjenigen identisch sein, der den Verlust erlitten hat. Aufgrund der wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Steuerrecht ist die Identität nicht allein durch die Person des Anteilseigners, sondern durch den Unternehmensgegenstand und das Betriebsvermögen (wirtschaftlich) zu bestimmen. Bis die Gesellschaft „wirtschaftlich“ eine andere wird, bedarf es daher weiterer Einflussnahmen als der Anteilsübertragung.

Das Gesetz stellt für die Verlustzurechnung auf Ebene der Kapitalgesellschaft ausschließlich auf den Anteilserwerb unter Gesellschaftern ab, ohne nach Ziel und Wirkung dadurch eine transparente Besteuerung herbeizuführen. In den Auswirkungen durch (anteiligen) Wegfall des Verlustvortrags trifft das Gesetz hingegen wiederum nur die Kapitalgesellschaft und die verbleibenden Gesellschafter. Dem Vorhalt einer Monetarisierung von Verlusten durch den ausscheidenden Gesellschafter der Verlust-GmbH hält das Gericht entgegen, dass sich die Ungewissheit der späteren Nutzung in der Bewertung und damit auch im Kaufpreis niederschlagen werde.

§ 8c Abs. 1 Satz 1 KStG ist auch weder durch die zwischenzeitlich eingeführte Konzernklausel noch die ergänzte Stille-Reserven-Klausel zu einer zielgenauen, den typischen Missbrauchsfall realitätsgerecht erfassenden Missbrauchsverhinderungsvorschrift geworden. Hingegen ist mit dem Ende 2016 mit (Rück-)Wirkung ab 2016 eingeführten § 8d KStG (fortführungsgebundener Verlustvortrag bei Aufrechterhaltung „desselben Geschäftsbetriebs“) die Verlustbegrenzungsvorschrift des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG nicht mehr ohne Weiteres aus denselben Gründen verfassungswidrig.

Im Ergebnis ist § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG (Anteilsübertragung von mindestens 25% bis 50%) bis zum Inkrafttreten des § 8d KStG in 2016 verfassungswidrig; der Gesetzgeber hat bis zum 31.12.2018 rückwirkend zum 1.1.2008 eine Neuregelung zu treffen, andernfalls ist die Vorschrift nichtig.

 

 

Praxishinweise:

Zwar betraf das Verfahren nur die unmittelbare Übertragung von mehr als 25% bis zu 50% der Anteile; die Entscheidung wird jedoch auch Einfluss auf das bislang vom BFH ausgesetzte Revisionsverfahren zum vollständigen Verlustuntergang bei Übertragung von mehr als 50% der Anteile haben (Az. I R 31/11). Auch wenn mit einer mehrheitlichen Beteiligung kraft Stimmrechts in der Regel die Möglichkeit der Einflussnahme bestehen sollte, kann nicht allein deshalb typisierend ohne Hinzutreten weiterer Umstände unterstellt werden, dass es sich um ein wirtschaftlich anderes Steuersubjekt als dasjenige handelt, das den Verlust erlitten hat. Die Folgewirkung durch vollständigen Untergang des Verlustvortrags trifft auch hier ein anderes Steuersubjekt als dasjenige, das die Folgewirkung durch Anteilsübertragung ausgelöst hat.

Um einerseits den Verfassungsverstoß zu beseitigen, andererseits die auch vom BVerfG gedeckte Missbilligung von Mantelkäufen aufrechtzuerhalten, könnte der Gesetzgeber § 8d KStG rückwirkend ab 2008 mit der Maßgabe zur Anwendung kommen lassen, dass die in Bezug auf die Fortführung des Geschäftsbetriebs einzuhaltenden Verpflichtungen aus Vertrauensschutzgründen erst ab Inkrafttreten der Gesetzesänderung gelten.

Steuerbescheide im Zusammenhang mit „untergegangenen“ Verlustvorträgen sowohl über- als auch unterhalb von 50%iger Anteilsübertragung sollten daher durch Einspruch offengehalten werden.

 

RA/StB Christoph Bode,

WP/StB Prof. Dr. Christian Zwirner,

beide Dr. Kleeberg & Partner GmbH WPG StBG, München (www.kleeberg.de)

 

BC 6/2017

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