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Selbstständige Bilanzbuchhalter: freie Mitarbeit auch im „Fernbereich“ eines Steuerberaters möglich

BC-Redaktion

BGH-Urteil vom 14.10.2010, I ZR 95/09

 

Selbstständige Buchhalter dürfen auch aus größerer Entfernung als freie Mitarbeiter bei einem Steuerberater tätig sein. Die räumliche Distanz zwischen der Beratungsstelle des verantwortlichen Steuerberaters und dem Ort, an dem der selbstständige Buchhalter seine Tätigkeit als freier Mitarbeiter ausübt, ist für das Weisungsrecht, die Ausübung der Aufsichtspflicht sowie die berufliche Verantwortung des Steuerberaters nicht von entscheidender Bedeutung.

[Leits. d. Red.]

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Eine bundesweit tätige Steuerberatungsgesellschaft hatte in einem Printmedium und via Internet eine Stellenanzeige geschaltet, in der sie „selbstständige Buchhalter (m/w)“ als freie Mitarbeiter suchte (Auszug aus der Stellenanzeige, siehe Kasten).

 

Auszug aus der Stellenanzeige

 

…..

Die … Gruppe ist ein Verbund bundesweit tätiger Steuerberatungsgesellschaften, die auch mit Rechtsanwälten zusammenarbeitet. Nach erfolgreicher Entwicklung bei der Beschäftigung von freien Mitarbeitern wollen wir unser Tätigkeitsfeld weiter ausbauen und suchen deshalb

 

selbstständige Buchhalter (m/w)

 

als freier Mitarbeiter.

 

Wir bieten Ihnen in diesem Rahmen eine interessante Tätigkeit.

 

Ihre Vorteile:

  1. Lohn- und Finanzbuchhaltung ohne Beschränkung, auch Bilanzierung, Erstellen der Einnahmen-Ausgaben-Überschussrechnung und Fertigung aller Steuererklärungen weisungsgebunden unter fachlicher Aufsicht und beruflicher Verantwortung über die Steuerberatungsgesellschaft, die gegenüber dem Mandanten haftet.
  2. Betreuung auf allen Gebieten des Steuerrechts und angrenzender Rechtsgebiete durch Steuerberater und Rechtsanwälte abgedeckt.
  3. Laufende kostenlose Schulungen und Weiterbildungsmaßnahmen.
  4. Bei Bedarf kostengünstige Nutzung hauseigener Software und Hardware sowie Betreuung von unseren EDV-Fachleuten.

 

 

Die Steuerberaterkammer hat diese Stellenangebote – gerade auch wegen der bundesweiten Werbung – als wettbewerbswidrig beanstandet. Die Tätigkeit des freien Mitarbeiters müsse (so die Auffassung der Steuerberaterkammer) im Nahbereich des Steuerberaters (bis zu 50 km Luftlinie) ausgeführt werden, damit diese (gemäß den Weisungs- und Überwachungspflichten des Steuerberaters in § 7 BOStB a.F. bzw. unverändert nunmehr § 17 BOStB n.F.)

–     weisungsgebunden,

–     unter der fachlichen Aufsicht und

–     beruflichen Verantwortung des Steuerberaters

erfolgen kann.

 

Lösung

Die von der Steuerberatungsgesellschaft abgegebenen Beschäftigungsangebote stellen keine unlauteren geschäftlichen Handlungen (nach § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 11 UWG) dar. Gründe:

  • § 17 BOStB n.F. (zur Beschäftigung von Mitarbeitern) enthalte keine Regelung, die eine räumliche Beschränkung der Tätigkeit freier Mitarbeiter oder im Nahbereich von Steuerberatern verlange. Dies trage auch der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit Rechnung. „Ein freier Mitarbeiter könne – anders als ein Arbeitnehmer – gerade Zeit, Dauer und Ort seiner Tätigkeit frei bestimmen.“
  • Eine Verpflichtung der freien Mitarbeiter eines Steuerberaters, dauerhaft im Nahbereich der Beratungsstelle des Steuerberaters tätig zu sein, könne auch nicht aus § 34 Abs. 2 Satz 2 StBerG hergeleitet werden. Die „Residenzpflicht“ im sog. Nahbereich gilt nur für den Steuerberater oder den Steuerbevollmächtigten selbst und nicht für seine freien Mitarbeiter (keine analoge Anwendung von § 34 Abs. 2 Satz 2 StBerG für Steuerberater).

 

Pragmatischer Hinweis:

Die modernen Kommunikationsmittel wie E-Mail, Internet und (Mobil-)Telefon stellen (so der BGH) eine hinreichende Kontrolle und Unterstützung des freien Mitarbeiters über jegliche räumliche Distanz sicher. Von daher ist eine dauernde Anwesenheit des freien Mitarbeiters im Nahbereich des Steuerberaters bzw. eine unmittelbare persönliche Aufsicht des Steuerberaters über den freien Mitarbeiter vor Ort nicht erforderlich.

Selbst wenn sich der Arbeitsort des freien Mitarbeiters etwa 50 km vom Steuerberater entfernt befinden sollte, ist es diesem nicht möglich, seinen Mitarbeiter ständig persönlich zu überwachen und anzuweisen. Auch hier wird erst durch den Einsatz moderner Kommunikationsmittel der laufende Kontakt ermöglicht.…

 

 

Die Möglichkeit, zu einer eigenen zuverlässigen Urteilsbildung zu gelangen, hängt nicht davon ab, ob der freie Mitarbeiter seine Tätigkeit 30, 50 oder etwa auch 70 km von der Steuerkanzlei entfernt ausübt.

 

Abschließende Hinweise:

  • Diesem BGH-Urteil ging in der Vorinstanz das Urteil des OLG Nürnberg vom 26.5.2009 (3 U 178/09 – siehe hier) voraus, dessen Entscheidungen der Bundesgerichtshof im Wesentlichen für einwandfrei befindet. Die BC-Autoren Schiffer/Fries in BC 7/2010, S. 298, haben es somit zutreffend prognostiziert: „Wir erwarten deshalb, dass der BGH nicht zu einer anderen Auffassung gelangen wird als das OLG Nürnberg.“
  • Entgegen der Erwartung von Schiffer/Fries in BC 7/2010 (S. 298) befasst sich allerdings der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 14.10.2010 nicht näher mit der im Grundgesetz verankerten Berufsausübungsfreiheit (in Art. 12 Abs. 1 GG). Auf diesen Passus im Grundgesetz hatte sich noch das OLG Nürnberg in knappen Worten berufen. In den Entscheidungsgründen des Bundesgerichtshofs wird lediglich die Beurteilung der OLG Nürnberg zur geschützten Berufsausübungsfreiheit (in Art. 12 Abs. 1 GG) wiederholt. Vermutlich sind die anderen Gesichtspunkte, die gegen eine Nahbereichsregelung für freie Mitarbeiter eines Steuerberaters sprechen, bereits so stichhaltig, dass der Bundesgerichtshof einen Bezug auf die grundgesetzlich verankerten Grundrechte nicht für erforderlich hielt.
 
[Anm. d. Red.]
 
 
 

BC 5/2011

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