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Betrugsschaden: Ansatz vorab entstandener (vergeblicher) Aufwendungen

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

BFH-Urteil vom 9.5.2017, IX R 24/16

 

Einzige Voraussetzung für die Anerkennung vorab entstandener (vergeblicher) Aufwendungen ist die Erwerbs- und Vermietungsabsicht. Das Fehlen einer rechtlichen Grundlage für die Hingabe verlorener Aufwendungen, die zu Anschaffungskosten eines Vermietungsobjekts hätten führen sollen, schließt den wirtschaftlichen Zusammenhang der Aufwendungen mit einer beabsichtigten Vermietung nicht aus.

 

 

Praxis-Info!

 

Hintergrund

Steuerrechtlich sind die anteilig auf ein zur Fremdvermietung bestimmtes Gebäude entfallenden Anschaffungs- oder Herstellungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten abziehbar. Sie können im Regelfall aber nicht sofort, sondern nur zeitanteilig in Form der AfA geltend gemacht werden. Anders verhält sich dies dann, wenn die Gegenleistung nicht erbracht wird, wenn es also entweder nicht zur Herstellung des Gebäudes oder nicht zur Anschaffung kommt. In diesem Fall sind die vergeblich aufgewendeten Beträge sofort in voller Höhe als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar. Das gilt nicht nur, wenn für die Hingabe des Geldes (wie üblich) eine vertragliche Verpflichtung bestand, sondern auch, wenn es hieran fehlt.

Im Streitfall hatte der Kläger den Erwerb eines Villengrundstücks beabsichtigt; die Villa wollte er teilweise vermieten. Eigentümer war eine Stiftung nach liechtensteinischem Recht. Der Kläger vertraute dem Makler X den Kaufpreis in bar an, nachdem dieser ihm versichert hatte, das Geschäft bei Barzahlung in der Schweiz zum Abschluss zu bringen. Tatsächlich verwendete der Makler das Geld jedoch für sich.

Das Finanzamt und das Finanzgericht (Hessisches FG, Urteil vom 24.9.2015, 11 K 3189/09) erkannten die geltend gemachten Werbungskosten des Klägers nicht an. Die von ihm an den Makler ohne rechtliche Grundlage geleisteten Zahlungen führten nicht zu Werbungskosten.

 

 

Lösung

Der BFH hat das Urteil des FG aufgehoben und dem Kläger im Grundsatz recht gegeben. Die einzige Voraussetzung für die Anerkennung vorab entstandener (vergeblicher) Aufwendungen sei die Erwerbs- und Vermietungsabsicht. Daran bestanden für den BFH keine Zweifel; denn der Kläger hatte das Grundstück später erworben und tatsächlich vermietet. Wer also einem betrügerischen Grundstücksmakler Bargeld in der Annahme übergibt, der Makler werde damit den Kaufpreis für ein bebautes Grundstück bezahlen, darf den Verlust bei den Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung abziehen, wenn der Nachweis geführt werden kann, dass bei Hingabe des Geldes der Entschluss zum Erwerb und zur Vermietung des Grundstücks feststand.

 

 

Praxishinweise:

  • Der BFH gab dem FG vor, noch feststellen zu müssen, in welchem Zeitpunkt mit hinreichender Sicherheit feststand, dass der Kläger eine Gegenleistung nicht erhalten und mit seinen Ansprüchen gegen den Betrüger X voraussichtlich ausfallen würde. Dabei dürfe der Überzeugungsmaßstab einer „großen Wahrscheinlichkeit“ nicht überspannt werden. Insbesondere komme es nicht auf die rechtskräftige Verurteilung des Täters X oder den endgültigen Misserfolg der vom Kläger zur Durchsetzung seiner titulierten Ansprüche unternommenen Aufklärungs- und Vollstreckungsversuche an. Das Gericht müsse vielmehr retrospektiv (rückblickend) beurteilen, in welchem Zeitpunkt aus der Sicht des Klägers genügend Anhaltspunkte für die (damals) prognostische Annahme vorlagen, dass er von X betrogen worden war und sein Geld wohl nicht zurückerlangen würde.
  • Ferner wird das FG nachzuholen haben, welche Aufteilung des verlorenen Geldes auf vergebliche Anschaffungskosten für das Gebäude einerseits und für Grund und Boden andererseits entfallen. Abziehbar sind die verlorenen Aufwendungen nur, soweit sie auf den vermieteten Anteil des Gebäudes entfallen wären. Soweit sie auf die Anschaffung von Grund und Boden entfallen wären, können sie dagegen nicht bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung angesetzt werden.
  • Generell gilt: Aufwendungen, die anfallen, bevor Einnahmen erzielt werden, können als vorab entstandene Werbungskosten abgezogen werden, sofern ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird. Ein solcher Abzug ist von dem Zeitpunkt an gegeben, zu dem sich anhand objektiver Umstände feststellen lässt, dass der Entschluss, Einkünfte einer bestimmten Einkunftsart zu erzielen, endgültig gefasst worden ist. Führen Aufwendungen nicht zu dem beabsichtigten Erfolg, bleibt ihre Abziehbarkeit als Werbungskosten unberührt. Vergebliche Aufwendungen können danach als (vorab entstandene) Werbungskosten abziehbar sein, wenn es entgegen den Planungen des Steuerpflichtigen nicht zu Einnahmen kommt, sofern nur eine erkennbare Beziehung zu den angestrebten Einkünften besteht.
  • In den vor Gericht nicht selten auftretenden Differenzen zwischen juristischer und wirtschaftlicher Betrachtungsweise laufen die Münchener BFH-Richter hier eindeutig in das Lager der Kaufleute über: Denn das Fehlen einer verbindlichen rechtlichen Grundlage gegenüber dem Immobilienveräußerer für die Hingabe verlorener Aufwendungen schließt den wirtschaftlichen Zusammenhang der Aufwendungen mit einer beabsichtigten Vermietungstätigkeit nicht aus. Zwar werden üblicherweise Zahlungen, die bei Erbringung der Gegenleistung zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten führen, nicht ohne vertragliche Grundlage vorgenommen. In Abgrenzung von früherer Rechtsprechung betont der BFH aber nun: Voraussetzung für die Abziehbarkeit der Aufwendungen als (vorab entstandene) Werbungskosten sei nur, dass sich der Steuerpflichtige zum Erwerb und zur Vermietung endgültig entschlossen hat.
  • Daran bestehen für den BFH vorliegend keinerlei Zweifel. Allein aus dem Umstand, dass der Kläger das Objekt im dritten Anlauf und nach wenigen Monaten tatsächlich erworben hat, lasse sich schließen, dass er von Anfang an zum Erwerb entschlossen war. Nach der Vorstellung des Betrugsopfers sollten mit der Geldübergabe Anschaffungs- und Anschaffungsnebenkosten entstehen. Dem Kläger sei weder zuzurechnen noch anzulasten, dass der Makler X den Kläger über seine wahren Absichten getäuscht und der Kläger dies nicht erkannt hat. Unerheblich ist deshalb auch, ob der Kläger bei der Hingabe des Geldes fremdüblich gehandelt oder gar die übliche Vorsicht außer Acht gelassen hat.
  • Bilanzbuchhalter und andere Bilanzrechtsexperten könnten daraus ableiten, dass hiermit offenbar das handelsrechtliche Vorsichtsprinzip nun auch vom BFH für wenig beachtlich gewertet wird, nachdem es im Zuge der IFRS-Bilanzierung schon anderweitig weitgehend außer Kraft gesetzt wurde.
  • Die BFH-Abkehr vom Vorsichtsprinzip geht sogar so weit, dass der Abzug schließlich auch nicht insoweit ausgeschlossen ist, als der Kläger an den Makler X neben dem Kaufpreis von 3,5 Mio. DM eine Provision von 400.000 DM und ein „Handgeld“ von 100.000 US-$ gezahlt hat. Da sieht der BFH nichts Anstößiges und betont in seltener Klarheit: „Maklerprovisionen führen zu Anschaffungsnebenkosten. Die Grenze der Unangemessenheit ist nicht überschritten.“ Auch in diesem Zusammenhang sei es ohne Bedeutung, dass der Makler X den Kläger über seine wahren Absichten getäuscht und der Kläger diese nicht erkannt hat.
  • Nicht ersichtlich sei, dass aus Sicht des Klägers insofern der Tatbestand eines Abzugsverbots erfüllt werden sollte. Vergeblich aufgewendete Anschaffungsnebenkosten können vom Abzug als Werbungskosten ausgeschlossen sein, wenn sie bei planmäßiger Verwendung einem steuerlichen Abzugsverbot unterlegen hätten. Dafür müssten jedoch konkrete Anhaltspunkte festgestellt werden, wie das Geld planmäßig hätte verwendet werden sollen. Es genüge insofern nicht, dass der Betrüger dem Opfer lediglich vorspiegelt, das Geld als Schmiergeld zu benötigen, wenn aus der Sicht des Betrogenen keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich sind, wer damit zu welcher Handlung veranlasst werden sollte. Muss man damit also alles nur im Unklaren lassen, um die steuerliche Anerkennung nicht zu gefährden?
  • Sprichwörtlich schützt ja eigentlich „Dummheit vor Strafe nicht“; für betrogene Unvorsichtige gilt das offenbar nicht. Ob diese BFH-Rechtsprechung als Freibrief durch findige Vermittler vermeintlicher Schnäppchen-Angebote missbraucht werden wird, wird sich zeigen.

 

 

Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, Coesfeld

 

BC 8/2017

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