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Wegzugsbesteuerung in die Schweiz europarechtswidrig?

Christian Thurow

FG Baden-Württemberg, Entscheidung vom 14.6.2017, 2 K 2413/15

 

Bei einem Wegzug einer natürlichen Person aus Deutschland in ein Drittland kann es unter Umständen zu einer Besteuerung von im Vermögen gehaltenen stillen Reserven kommen, wenn die Voraussetzungen des § 6 AStG erfüllt sind. Doch ist eine solche Wegzugsbesteuerung auch auf einen Wohnsitzwechsel in die Schweiz anwendbar?


 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Der Erlös aus dem Verkauf von Anteilen an Kapitalgesellschaften unterliegt gemäß § 17 EStG der Einkommensteuer. Die meisten Doppelbesteuerungsabkommen sehen vor, dass diese Besteuerung am Wohnsitz des Steuerpflichtigen stattfindet.

Verlegt nun ein Steuerpflichtiger seinen Wohnsitz von Deutschland ins Ausland, so entgehen dem Staat unter Umständen Steuern auf die stillen Reserven der Kapitalgesellschaft. § 6 AStG sieht daher die Besteuerung eines fiktiven Veräußerungserlöses im Zeitpunkt des Wegzugs (Wegzugbesteuerung) vor, wenn die unbeschränkte Steuerpflicht mehr als 10 Jahre bestanden hat. Da diese Vorschrift mit der europäischen Niederlassungsfreiheit kollidiert, sieht § 6 Abs. 5 AStG eine zinslose Stundung der Steuer bei einem Wohnsitzwechsel innerhalb des europäischen Wirtschaftsraums vor.

Doch wie sieht es bei einem Wohnsitzwechsel in die Schweiz (Drittland) aus?

Im Ausgangsfall verlegte der Eigentümer einer GmbH seinen Wohnsitz von Deutschland in die Schweiz. Aus seiner Sicht ist eine Wegzugsbesteuerung bei einem Wohnsitzwechsel in die Schweiz nicht mit dem EU-schweizerischen Freizügigkeitsabkommen vereinbar. Das Abkommen gewähre die gleiche Niederlassungsfreiheit, wie sie auch innerhalb der EU gelte. Folglich hat hier auch eine zinslose Stundung der Wegzugssteuer gemäß § 6 Abs. 5 AStG zu erfolgen.

 

 

Lösung

Das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg hat nach umfangreicher Würdigung der nationalen und EU-weiten Rechtslage begründete Zweifel an einer Wegzugsbesteuerung bei einem Wohnsitzwechsel in die Schweiz. Ausführlich legt das Finanzgericht die große Ähnlichkeit zwischen dem Freizügigkeitsabkommen und der innereuropäischen Freizügigkeit dar. Aus diesem Grund findet aus Sicht des FG Baden-Württemberg die bisherige EuGH-Rechtsprechung zu diesem Thema auch auf das Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EU Anwendung. In der Folge müsste ein Wohnsitzwechsel in die Schweiz wie ein Wohnsitzwechsel in einen anderen EU-Mitgliedstaat gewertet werden und eine Stundung der Wegzugsbesteuerung nach § 6 Abs. 5 AStG erfolgen.

Das FG Baden-Württemberg hat das Verfahren ausgesetzt und den EuGH zur Klärung der Frage angerufen, ob das Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EU einer Wegzugsbesteuerung bei einem Wohnsitzwechsel in die Schweiz entgegensteht.

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)

 

 

BC 12/2017

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