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“Sex sells“ – und wo verkauft wird, fällt Steuer an!

Christian Thurow

BFH-Urteil vom 20.3.2017, X R 11/16

 

„Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen.“ Der BFH scheint dieses Goethe-Zitat beherzigt zu haben und hat drei recht unterschiedliche Themen in einem Urteil abgehandelt. Der 13 Jahre nach Goethes Tod geborene Schriftsteller Ernst von Wildenbruch drückte es dann so aus: „Vielfalt ist die Würze des Lebens.“ Oder mit den Worten des BFH: „Bezeichnung als wesentliche Betriebsgrundlage, Geldeinwurfautomaten als Kassen, Begründungspflicht eines (Un-)Sicherheitszuschlags“.

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Der Kläger betrieb eine Reihe von Erotikmärkten unter einheitlicher Firmierung. Innerhalb der Märkte befanden sich Videokabinen, in denen nach Münzeinwurf einschlägige Filme abgespielt wurden. Der Kläger verkaufte seine Betriebe, vereinbarte aber gleichzeitig mit dem Käufer einen Franchisevertrag über die Nutzung des Firmennamens.

Aus Sicht des Finanzamts wurden damit nicht alle wesentlichen Betriebsgrundlagen veräußert, weshalb keine steuerbegünstigte Betriebsveräußerung im Ganzen vorlag. Somit wurde der Veräußerungserlös dem laufenden Gewinn aus Gewerbebetrieb zugerechnet. Ferner sah das Finanzamt die Geldspeicher der Geldeinwurfautomaten in den Videokabinen als Kassen an. Da die Geldspeicher nur unregelmäßig und ohne Zählnachweise geleert wurden, war die Kassensturzfähigkeit nach Auffassung des Finanzamts nicht gegeben, so dass eine Hinzuschätzung des Umsatzes der Videokabinen in Höhe von 10% erfolgte.

Aus Sicht des Klägers lag sehr wohl eine Betriebsveräußerung im Ganzen vor. Außerdem wies der Kläger darauf hin, dass sich die Geldspeicher in den Kabinen in einem geschlossenen System befinden, weshalb im Gegensatz zu einer Kasse eine Manipulation durch menschliches Zutun ausgeschlossen sei. Somit stellen die Geldspeicher keine Kassen im Sinne des § 146 Abs. 1 Satz 2 AO dar.

 

 

Lösung

Der BFH folgt in seinem Urteil im Wesentlichen der Auffassung des Finanzamts. Zu Recht ist das Finanzamt davon ausgegangen, dass es sich bei dem Veräußerungsgeschäft nicht um eine Betriebsveräußerung im Ganzen handelt. Ein steuerlich privilegierter Veräußerungsgewinn liegt nur vor, wenn „die wesentlichen dem Betrieb das Gepräge gebenden Betriebsgrundlagen“ übertragen werden. Hierzu zählen auch immaterielle Wirtschaftsgüter wie Firmennamen, Warenzeichen u.Ä. Dabei ist im Einzelfall zu prüfen, welche Wirtschaftsgüter zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen zählen.

Im Ausgangsfall stellt der Firmenname die „Unverwechselbarkeit und damit eine wichtige Grundlage für das Auftreten am Markt“ dar. Auch die Ausgestaltung in Bezug auf Vertragslaufzeit und die detaillierten Regelungen zur Nutzung der veräußerten Wirtschaftsgüter unterstreichen die wirtschaftliche Bedeutung des Franchisevertrags.

Ferner macht der BFH deutlich, dass jeder Geldspeicher eine eigenständige Kasse darstellt. Zum Zeitpunkt der Entleerung sind die Geldbestände zu zählen und aufzuzeichnen. Die Aufzeichnung muss kontrollsicher dokumentieren, dass eine Auszählung tatsächlich stattgefunden hat. Unstreitig hat der Kläger solche Aufzeichnungen nicht geführt, weswegen die Kassensturzfähigkeit nicht gegeben war.

Zu Recht hat das Finanzamt aufgrund der fehlenden Kassensturzfähigkeit eine Hinzurechnung vorgenommen. Allerdings ist die Höhe des Zugschlags von 10% nicht ausreichend begründet worden. Im Ausgangsfall ist nicht ersichtlich, ob der Sicherheitszuschlag in einem vernünftigen Verhältnis zu den erklärten bzw. nicht erklärten Einnahmen steht. Die fehlende Begründung des Schätzungsergebnisses wird das erstinstanzliche Finanzgericht nun nachholen müssen.

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Vice President Audit, Operations & Reporting, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)

 

 

BC 10/2017

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