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Grillstandbetreiber: Umsätze mit 19% oder 7% abrechnen?

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

BFH-Beschluss vom 24.7.2017, XI B 37/17

 

Die Speisenabgabe in einem bayerischen Biergarten unterliegt dem Regelsteuersatz insbesondere dann, wenn Biergartengarnituren zum bequemeren Verzehr im Sitzen bereitgehalten und genutzt werden.


 

 

Praxis-Info!

 

Hintergrund

Der Gesetzgeber greift bisweilen tief in unser Leben ein. Hier kann zunächst insoweit Entwarnung gegeben werden, als privates Grillen nicht etwa umsatzsteuerpflichtig geworden wäre. Aber wer Gegrilltes an einem eigenen (wie hier) gepachteten Grillstand verkauft, der muss entscheiden,

  • ob er sich als Nahrungsmittellieferant versteht – dann darf er mit 7% abrechnen – oder
  • ob er sich als Dienstleister versteht, der dem Kunden erlaubt, seine Speisen auch bei ihm an einem Ablagebrett stehend oder gar sitzend zu verzehren – solche Bequemlichkeiten führen zur Anwendung des Regelsteuersatzes.

So lag es in dem hier zu besprechenden Fall: Die Münchner Richter hatten sich dabei mit dem Betreiber eines Grillstands zu befassen, der seine Tätigkeiten in einem bayerischen Biergarten betrieb. Immerhin hatten seine Einsprüche gegen die zunächst vollumfänglich ablehnenden Umsatzsteuer-Bescheide des Finanzamts insoweit Erfolg gehabt, als das Finanzamt auf 10% der Umsätze den ermäßigten Steuersatz anwendete. Damit wurden die Umsätze separiert, die schätzungsgemäß auf Kunden entfielen, die ihre Speisen nicht an Ort und Stelle verzehrten, sondern mitnahmen.

 

 

Lösung

Die BFH-Steuerexperten machten „kurzen Prozess“ (erst fünf Monate vorher hatte die Vorinstanz entschieden) und wiesen die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG) München vom 9.2.2017, 14 K 2081/15, als unbegründet zurück. Der BFH hielt sich an die tatsächlichen Feststellungen des FG: Hiernach verkaufte der Kläger an seinem Grillstand gebratene Fische, Grillhähnchen, Spareribs und Pommes frites.

Den Grillstand hatte der Kläger vom Betreiber des Biergartens gepachtet. Der Kläger war nach dem Pachtvertrag u.a. verpflichtet, seinen Stand während der Öffnungszeiten des Biergartens zu betreiben. Neben dem Pachtzins hatte er u.a. anteilige Pauschalen für die Müllabfuhr, die Reinigung und Sauberhaltung des Biergartens zu entrichten. Der Betreiber schloss daneben mit weiteren Unternehmern Verträge für Verkaufsstände mit weiteren Waren ab und verkaufte selbst Getränke.

Im Übrigen enthielten sich die BFH-Richter sonstiger Überlegungen, weil sie die vom Kläger vorgelegte Rechtsfrage aus grundsätzlichen und verfahrenstechnischen Gründen als „nicht klärbar“ einstuften:

„Fragen, die sich nur stellen könnten, wenn man von einem anderen als dem vom FG festgestellten Sachverhalt ausgeht, können im Revisionsverfahren nicht geklärt werden.“

Deshalb hat der entscheidende Satz der – ja auch aus München stammenden und daher bezüglich bayerischer Biergärten vermutlich besonders sachkundigen – FG-Richter Bestand, dass mit dem Bereitstellen von Bierzeltgarnituren (zumindest solchen, deren Auf- und Abbau sowie deren Reinigung einen gewissen personellen Einsatz erfordern) die Schwelle zum Restaurationsumsatz und damit zur Dienstleistung überschritten werde. Im Verweiswege kann auch der EuGH helfen. Denn der entschied,

dass „die Abgabe frisch zubereiteter Speisen oder Nahrungsmittel zum sofortigen Verzehr an Imbissständen oder -wagen oder in Kino-Foyers eine Lieferung von Gegenständen … ist, wenn eine qualitative Prüfung des gesamten Umsatzes ergibt, dass die Dienstleistungselemente, die der Lieferung der Nahrungsmittel voraus- und mit ihr einhergehen, nicht überwiegen“.

Als Nachfolgeentscheidung zu diesem EuGH-Urteil vom 10.3.2011 (Rs. C-497/09, Rs. C-499/09, Rs. C-501/09, und Rs. C-502/09, DStR 2011, 515) ist das BFH-Urteil vom 8.6.2011 (XI R 37/08) zu beachten:

„Die Abgabe von Würsten, Pommes frites und ähnlichen standardisiert zubereiteten Speisen an einem nur mit behelfsmäßigen Verzehrvorrichtungen ausgestatteten Imbissstand ist eine einheitliche Leistung, die als Lieferung dem ermäßigten Steuersatz unterliegt.“

Weil aber nicht einfach sein kann, was nicht einfach sein darf, kommt es immer auf den konkreten Fall an: Da das zuletzt genannte Urteil nicht so recht passen will, verweist der BFH noch auf sein ebenfalls vom 8.6.2011 stammendes Urteil mit dem Az. XI R 33/08 (BFH/NV 2011, 1927), das den Standpunkt des Biergarten-Klägers gestützt hätte. Jenes Urteil habe aber einen anders gelagerten Sachverhalt behandelt: Im dortigen Fall waren die vorhandenen Verzehreinrichtungen nicht ausschließlich dazu bestimmt, den Verzehr von (im Fußballstadion verkauften) Speisen oder Getränken zu erleichtern. Im Streitfall hingegen dienten die Biergartengarnituren nach den Feststellungen des FG ausschließlich dazu, den Verzehr von Lebensmitteln zu erleichtern.

 

 

 

Praxishinweise:

  • Der Kläger betrieb einen Grillstand in den Streitjahren 2006 bis 2010 nicht irgendwo, sondern in einem Biergarten im Sinne der Bayerischen Biergartenverordnung vom 20.4.1999 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1999, 142). Ob sich ein anderes Ergebnis in einem nichtbayerischen, z.B. ostfriesischen Biergarten ergeben hätte, ist aber eher unwahrscheinlich.
  • Weniger unwahrscheinlich ist ein anderes Ergebnis, wenn ein Grillstand außerhalb eines Biergartens, z.B. auf einem Parkplatz, betrieben wird, ohne dass Sitzgelegenheiten oder Toiletten zur Verfügung gestellt werden. Betreiber solcher in früheren Jahrzehnten insbesondere an ostdeutschen Straßen häufiger anzutreffenden Schnell(st)-Imbisse hätten wohl mehr Erfolg mit der begehrten Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gehabt.
  • Abgrenzungsversuche bei der Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes münden oft in besonders herausfordernde Fragestellungen, die bis in die tiefsten (Ab-)Gründe des menschlichen Lebens reichen. So wurde in der diesem Beschluss vorangegangenen Rechtsprechung auf den Anhang H („Verzeichnis der Gegenstände und Dienstleistungen, auf die ermäßigte Mehrwertsteuersätze angewandt werden können“) der Richtlinie 77/388/EWG verwiesen, der als Kategorie 1 u.a. „Nahrungs- und Futtermittel“ sowie „üblicherweise für die Zubereitung von Nahrungs- und Futtermittel verwendete Zutaten“ aufführt. Vorliegend war aber eine Begriffsklärung insoweit nicht erforderlich, da nicht angezweifelt wurde, dass die angebotenen Speisen als Nahrungsmittel anzusehen sind.
  • Und damit bleiben den mit Abrechnungsfragen befassten Buchungsexperten mehr ins Detail führende Fragen vorerst erspart: Was etwa gilt in einem Biergarten, in dem „tierisch besoffene“ Gäste – die bekanntlich zumindest zu Oktoberfestzeiten gar nicht so selten vorkommen sollen – zum Grillstand kommen: Nehmen die Speisen zu sich, oder wird da „gefuttert“? Und was gilt, wenn sich diese Trunkenbolde und -boldinnen infolge fortgesetzten Alkoholgenusses nicht mehr aufrecht halten können und deshalb Sitzgelegenheiten und Bänke unfreiwillig in Anspruch nehmen und womöglich für ganz andere Dinge als den Nahrungsverzehr zweckentfremden? Abwegig scheint das in unserem Fall nicht, da gebratenes Seegut angeboten wurde – und da gilt ja bekanntlich: „Fisch muss schwimmen.“

 

 

Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, Coesfeld


BC 11/2017

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