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Bedeutung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer für die Umsatzsteuerfreiheit

BC-Redaktion

BFH-Beschluss vom 2.11.2016, V B 72/16

 

Die Steuerfreiheit von innergemeinschaftlichen Lieferungen setzt voraus, dass der leistende Unternehmer den Beleg- und Buchnachweis erbringt. Maßgeblich hierfür ist die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben.

Die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers ist dabei Teil des vom Unternehmer zu führenden Buchnachweises. Eine qualifizierte Bestätigungsabfrage zur Umsatzsteuer-Identifikationsnummer im Zeitpunkt der Lieferung genügt regelmäßig den Anforderungen.

[Leitsätze d. Red.]

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Ein deutscher Autohändler hatte im Streitjahr (2010) die Lieferungen gebrauchter Pkw an die italienische Firma MP steuerfrei behandelt. Der Autohändler holte vor Ausführung des ersten Geschäfts eine qualifizierte Bestätigung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) des MP beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) ein.

Das Finanzamt versagte die Steuerfreiheit dieser Lieferungen. Nach Auskunft der zuständigen Behörden in Italien sei MP kein Unternehmer im Sinne des § 6a Abs. 1 UStG gewesen. Auf Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG könne sich der deutscher Autohändler nicht berufen, da er die Unrichtigkeit der Angaben des MP als Abnehmer hätte erkennen müssen.

 

 

Lösung

Nach Auffassung des BFH ist entscheidungserheblich, dass der deutsche Autohändler zum Zeitpunkt des ersten Geschäfts mit MP am 18.8.2010 eine qualifizierte Abfrage beim BZSt eingeholt hatte. Dabei sei bestätigt worden, dass die Firma des Käufers in Italien unter der genannten USt-IdNr. aktuell existiere. Daneben hätten Firmenpapiere und der Pass des Käufers (MP) vorgelegen. Für vier weitere Geschäfte am 31.8.2010 und für das Geschäft am 23.10.2010 seien weitere qualifizierte Abfragen erfolgt, die das BZSt positiv beschieden habe. Das vorinstanzliche Finanzgericht hat diese Tatsachen in seiner Urteilsfindung zu berücksichtigen.

Die USt-IdNr. (§ 27a UStG) ist zwar keine materiell-rechtliche Voraussetzung der innergemeinschaftlichen Lieferung; sie erlangt aber Bedeutung für die Steuerfreiheit aufgrund des Beleg- und Buchnachweises (§ 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV) sowie für die Steuerfreiheit aufgrund Vertrauensschutzes (§ 6a Abs. 4 UStG).

 

 

Praxishinweis:

  • Die USt-IdNr. des Abnehmers (§ 17c Abs. 1 Satz 1 UStDV) ist Teil des vom Unternehmer zu führenden Buchnachweises. Aufzuzeichnen ist die richtige USt-IdNr. des wirklichen Abnehmers; diese muss im Zeitpunkt der Lieferung noch gültig sein.
  • Die ausländischen USt-IdNrn. werden durch das BZSt auf Vollständigkeit und Schlüssigkeit (Plausibilität) geprüft. Ist dies nicht der Fall, erhält der Unternehmer eine automatisierte Benachrichtigung. Darüber hinaus werden zu festen Terminen die plausiblen, ausländischen USt-IdNrn. vierteljährlich mit dem Datenbestand in den anderen Mitgliedstaaten abgeglichen. Für Unternehmen, die mit einer Vielzahl von Kunden in Italien Geschäftskontakte pflegen, dürfte eine Prüfung auf der Homepage des BZSt jedoch sehr zeitaufwendig und durch die manuelle Eingabe der Daten zudem fehlerbehaftet sein. Abhilfe schafft hier das von PwC entwickelte Umsatzsteuertool VAT ID Look. Mit dem VAT ID Look Tool ist es möglich, eine qualifizierte USt-IdNrn.-Prüfung schnell und unkompliziert durchzuführen oder von PwC durchführen zu lassen.
  • Wer jedoch unvollständige und unzutreffende Beleg- und Buchnachweise bei innergemeinschaftlichen Lieferungen führt (z.B. fehlende Bestellunterlagen, keine Möglichkeit der Zuordnung der Unterschrift auf dem Verbringungsnachweis und der Empfangsbestätigung), muss mit einer Besteuerung dieser Umsätze rechnen. Da kann auch die Einholung einer qualifizierten Bestätigungsabfrage zur USt-IdNr. des Abnehmers (im EU-Ausland) nicht mehr Abhilfe schaffen.

 

 

Im Streitfall hat der Autohändler zwar die bei Lieferung noch gültige USt-IdNr. des MP aufgezeichnet. Da es sich aber bei dieser Firma – was unstrittig ist – um keinen Unternehmer handelt, entfällt die Beweiskraft dieser buchmäßigen Aufzeichnung. Es kann daher insoweit nicht zu einer Inanspruchnahme der Steuerfreiheit auf formeller Beweisgrundlage kommen.

Die Steuerfreiheit aufgrund des Vertrauensschutzes (nach § 6a Abs. 4 UStG) setzt u.a. voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV ihrer Art nach nachgekommen ist. Maßgeblich hierfür ist die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben. Hierfür genügt die Aufzeichnung einer im Zeitpunkt der Lieferung gültigen USt-IdNr. des Abnehmers.

Eine – wie im Streitfall erfolgte – rückwirkende Löschung der USt-IdNr. nach Ausführung der Lieferung kann nicht zulasten des gutgläubigen Lieferers berücksichtigt werden (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit).

Im Streitfall waren indes erhebliche und auf den ersten Blick erkennbare Unterschiede hinsichtlich der Unterschrift auf den Abholbelegen für drei Pkw und dem Reisepass vorhanden. Zudem hat die italienische MP verschiedene Angaben über den Abholvorgang für die vier am 31.8.2010 verkauften Pkw gemacht. Dadurch sind begründete Zweifel hinsichtlich der Person des tatsächlichen Abnehmers und der unternehmerischen Verwendung der verkauften Pkw im übrigen Gemeinschaftsgebiet aufgetreten. Allerdings hat der deutsche Autohändler bereits bei dem davor liegenden Verkauf vom 18.8.2010 und dem danach erfolgten Verkauf vom 23.10.2010 die erforderliche Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns beachtet. Von daher darf, so der BFH, nicht ohne Weiteres einem Steuerpflichtigen der Vertrauensschutz auch für solche Lieferungen versagt werden, da seinerzeit gültige USt-IdNrn. vorlagen.

 

 

Praxishinweis:

Die Auffassungen des BFH orientieren sich am Europäischen Gemeinschaftsrecht. Demnach handelt es sich bei der USt-IdNr. lediglich um ein formelles Erfordernis der Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen, nicht aber um eine materielle Voraussetzung, wie dies § 17c Abs. 1 UStDV verlangt. Demzufolge dürfte die Finanzverwaltung die Steuerfreiheit selbst dann nicht versagen, wenn der Lieferant die Unternehmereigenschaft des Kunden anhand anderer geeigneter Nachweise, z.B. durch (Handels-)Registerauszüge, Bestätigungen ausländischer staatlicher Stellen – wie z.B. die Steuerzahlerbescheinigung in den USA –, Handelskammerbescheinigungen oder anhand ähnlicher Dokumente, erbringen kann.

Handlungsempfehlung: Unternehmen sollten auch künftig darauf achten, die USt-IdNr. des Käufers aufzuzeichnen und diese zu überprüfen. In streitigen Fällen können Lieferanten aber die Unternehmereigenschaft des Erwerbers auch anderweitig nachweisen.

 

[Anm. d. Red.]     

 

 

BC 2/2017 

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