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Insolvenz aufgrund von Zahlungsunfähigkeit – auch die Passiva II sind in der Liquiditätsbilanz zu berücksichtigen

Christian Thurow

BGH-Urteil vom 19.12.2017, II ZR 88/16

Während Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzgrund darstellt, müssen Gläubiger eine vorübergehende Zahlungsstockung hinnehmen. Um festzustellen, ob eine Zahlungsunfähigkeit oder eine vorübergehende Zahlungsstockung vorliegt, wird häufig eine sog. Liquiditätsbilanz aufgestellt. Dabei war bis jetzt umstritten, welche Verbindlichkeiten in der Aufstellung zu berücksichtigen sind. Hier hat der BGH nun Klarheit geschaffen. 


 

 

Praxis-Info!

Gemäß gefestigter BGH-Rechtsprechung liegt eine Zahlungsunfähigkeit vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist,

  • sich innerhalb von drei Wochen die zur Begleichung der fälligen Forderungen benötigten finanziellen Mittel zu beschaffen und
  • die Liquiditätslücke auf unter 10% zurückzuführen.

Hierzu wird eine sog. Liquiditätsbilanz aufgestellt:

  • Auf der Aktivseite werden die zum Bilanzstichtag verfügbaren Zahlungsmittel (Aktiva I) und die innerhalb der Dreiwochenfrist flüssig zu machenden Vermögensgegenstände (Aktiva II) aufgeführt.
  • Analog dazu werden auf der Passivseite die am Bilanzstichtag fälligen Verbindlichkeiten (Passiva I) ausgewiesen.

In Rechtsprechung und Literatur war bislang umstritten, ob auch die innerhalb von drei Wochen fällig werdenden und eingeforderten Verbindlichkeiten (Passiva II) zu berücksichtigen sind. Der BGH hat sich nun für eine Einbeziehung der Passiva II in die Liquiditätsbilanz ausgesprochen. Aus Sicht des BGH stellt es eine einseitige Bevorzugung des Schuldners dar, wenn zwar die Aktiva II, nicht aber die korrespondierenden Passiva II Eingang in die Liquiditätsbilanz finden. Der BGH betont, dass der Begriff der Zahlungsunfähigkeit nicht rein stichtagsbezogen zu verstehen ist, sondern auch die zeitliche Dauer einer Liquiditätslücke zu berücksichtigen ist.

Damit entsteht eine Abgrenzungsproblematik zwischen der Zahlungsunfähigkeit und der drohenden Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 18 Abs. 2 InsO. Zwar erfolgt die Prüfung nunmehr anhand derselben Kriterien. Doch liegt der wesentliche Unterschied darin, dass bei einer Zahlungsunfähigkeit eine bereits am Stichtag vorhandene Liquiditätslücke von 10% oder mehr nicht innerhalb von drei Wochen geschlossen werden kann, während bei einer drohenden Zahlungsunfähigkeit die Liquiditätslücke noch nicht besteht, sondern erst künftig eintreten wird.

Ist der Schuldner innerhalb des Dreiwochenzeitraums in der Lage, seine Liquiditätslücke zu schließen, so liegt keine Zahlungsunfähigkeit und somit kein Insolvenzgrund vor. Dies bedeutet: Die Summe von Aktiva I und Aktiva II muss mindestens 90,1% der Summe von Passiva I und II betragen, so dass die Liquiditätslücke unter die 10%-Marke fällt.

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)

 

 

BC 3/2018

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