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Steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung bei fehlendem Belegnachweis

BC-Redaktion

FG Hamburg, Urteil vom 24.10.2017, 2 K 81/16 (rkr.)

 

Fehlt bei einer behaupteten innergemeinschaftlichen Lieferung der nach § 4 Nr. 1b UStG, § 6a UStG, § 17a UStDV erforderliche Belegnachweis – im Streitfall die Gelangensbestätigung des Abnehmers für die Verbringung des Liefergegenstands in das übrige Gemeinschaftsgebiet –, kann ausnahmsweise gleichwohl eine steuerfreie Lieferung angenommen werden. Voraussetzung: Es steht fest, dass der gelieferte Gegenstand tatsächlich ins übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt ist. Im Falle eines gelieferten Kfz kann der Außerbetriebsetzung und Nichtwiederzulassung beim Kraftfahrtbundesamt besonderes Gewicht zukommen.


 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Eine Personenhandelsgesellschaft (D) betreibt den An- und Verkauf von Automobilen und handelt mit Automobilzubehör. Am 15.1.2013 verkaufte D ein Kfz Golf IV TDI an F in Frankreich, die D als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung behandelte. Dieses Fahrzeug war im November 2010 neu zugelassen worden. Im Januar 2013 erfolgte erneut eine Außerbetriebsetzung; danach ist eine Zulassung nicht mehr im Zentralregister eingetragen worden (Auskunft des Kraftfahrtbundesamts vom 23.5.2017).

Das Finanzamt erkannte u.a. die Steuerbefreiung für diese Lieferung nicht an, weil ein Verbringungsnachweis (ins übrige Gemeinschaftsgebiet) nicht vorgelegt werden konnte.

Laut Angaben von D sei F ein Unternehmer gewesen, er habe die erforderlichen Papiere aber nicht zurückgesandt. F sei als Autoverkäufer weiterhin im Internet aktiv. Ausweislich des französischen Registerauszugs sei F seit 2012 in Deutschland aktiv gewesen und hätte über eine gültige Umsatzsteuer-ID verfügt. Der Käufer habe das Fahrzeug in Deutschland abgeholt und französische Nummernschilder angebracht. Er habe versichert, das Auto auf eigener Achse nach Frankreich zu bringen. Eine Fotografie des Ausweises des Käufers sei lediglich im Handy gespeichert gewesen und später infolge eines Hardwarefehlers verloren gegangen. Alle Versuche, später noch die Bescheinigung vom Käufer zu erlangen, seien gescheitert. Versuche, vor Ort in Frankreich in Kontakt mit dem Käufer zu treten, seien ebenfalls erfolglos geblieben. Es habe an der fraglichen Adresse zwar ein Firmenschild gegeben; Personal sei aber nicht anzutreffen gewesen.

 

 

 

 

Abb. 1: Innergemeinschaftliche Lieferung eines deutschen Unternehmers an ein Unternehmen in Frankreich

 

 

Lösung

Das Finanzamt hat es zu Unrecht abgelehnt, die Lieferung vom 15.1.2013 als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung zu berücksichtigen.

Nach § 17a Abs. 2 UStDV hat der Unternehmer in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis zu führen u. a. durch eine Bestätigung des Abnehmers gegenüber dem Unternehmer, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt ist (Gelangensbestätigung). Im Streitfall hat D eine derartige Gelangensbestätigung nicht vorlegen können.

Der sog. Gutglaubensschutz (gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG) findet im vorliegenden Fall keine Anwendung, da der Unternehmer seine Nachweispflichten nicht erfüllt hat (formelle Vollständigkeit, nicht aber die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben). Es fehlt an einem belegmäßigen Nachweis der Verbringung in das übrige Gemeinschaftsgebiet.

Kommt der Unternehmer seinen Nachweispflichten (gemäß § 6a Abs. 3 UStG, § 17a UStDV, § 17c UStDV) nicht nach, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht erfüllt sind. Die Nachweispflichten sind aber keine materiellen Voraussetzungen für die Befreiung als innergemeinschaftliche Lieferung. Die Regelungen des § 6a Abs. 3 UStG bestimmen vielmehr lediglich, dass und wie der Unternehmer die Nachweise zu erbringen hat. Daher steht ausnahmsweise der fehlende Belegnachweis der Steuerbefreiung nicht entgegen, wenn zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind.

Fest steht: Das streitige Kfz ist in das übrige Gemeinschaftsgebiet verbracht worden. Dies stützt sich zum einen auf die detaillierten und überzeugenden Schilderungen des D über die konkreten Modalitäten der Übergabe des Fahrzeugs an den französischen Erwerber, der in Frankreich einen Kfz-Handel betrieben und erklärt hat, das Fahrzeug nach Frankreich zu verbringen. Zum anderen ist das Fahrzeug zeitnah nach der Veräußerung am 15.1.2013 im Januar 2013 beim Kraftfahrtbundesamt abgemeldet und danach nicht mehr zugelassen worden. Insofern ist davon auszugehen, dass das Fahrzeug vom Käufer tatsächlich abredegemäß in das übrige Gemeinschaftsgebiet nach Frankreich verbracht worden ist.

 

 

 

 

 

Abb. 2: Nachweismöglichkeiten bei innergemeinschaftlichen Lieferungen in Abholfällen

 

 


Praxishinweise:

Um für die Kunden Zusatzbelastungen (Unterschrift des Abnehmers auf der Gelangensbestätigung) zu vermeiden, werden in der Praxis häufig Alternativnachweise genutzt. Laut einer im November 2014 durchgeführten Mitgliederbefragung der bayerischen Industrie- und Handelskammern (IHKs) sind dies insbesondere:

  • Spediteurbescheinigung: 79%;
  • (CMR-)Frachtbrief/Konnossement: 51%;
  • Transport der Ware durch Kurierdienste: 42%;
  • Beförderung der Ware durch Postdienstleister: 20%;
  • Spediteurversicherung: 6%;
  • EMCS bzw. vereinfachtes Begleitdokument: 4%.

Der Verwaltungs- und Kontrollaufwand bei den Alternativnachweisen ist jedoch erfahrungsgemäß hoch.

Bei einer elektronischen Übermittlung der Gelangensbestätigung ist (gemäß UStAE 6a.4 Abs. 3 Satz 1) eine Unterschrift nicht erforderlich, sofern erkennbar ist, dass die elektronische Übermittlung im Verfügungsbereich des Abnehmers oder des Beauftragten begonnen hat. Dies gilt auch für einen überwiegenden Teil der gewährten Alternativnachweise (Frachtbrief, Konnossement, Spediteurbescheinigung, Versendungsprotokoll eines Kurierdienstleisters). Der damit einhergehende Wegfall des Unterschriftserfordernisses bedeutet für die Praxis eine erhebliche Erleichterung.

UStAE 6a.4 Abs. 3 Satz 2 nennt Beispiele, in welchen Fällen bei einer elektronischen Übermittlung die Angaben dem Abnehmer zugerechnet werden können:

  • bei Absenderangabe und Datum der Erstellung der E-Mail in dem sog. Header-Abschnitt der E-Mail,
  • Nutzung einer im Zusammenhang mit dem Abschluss oder der Durchführung des Liefervertrags bekannt gewordenen E-Mail-Adresse,
  • Verwendung eines zuvor zwischen dem Unternehmer und dem Abnehmer vereinbarten elektronischen Verfahrens.

Eine auf elektronischem Weg erhaltene Gelangensbestätigung kann für umsatzsteuerliche Zwecke auch in ausgedruckter Form aufbewahrt werden (UStAE 6a.4 Abs. 6 Satz 2). Dies gilt auch für einen überwiegenden Teil der gewährten Alternativnachweise (Frachtbrief, Konnossement, Spediteurbescheinigung, Versendungsprotokoll eines Kurierdienstleisters) sowie für Zahlungsnachweise beim intercompany-clearing (UStAE 6a.5 Abs. 8 Satz 6).

Wird die Gelangensbestätigung per E-Mail übersandt, soll, um den Nachweis der Herkunft des Dokuments vollständig führen zu können, auch die E-Mail archiviert werden, die für umsatzsteuerliche Zwecke ebenfalls in ausgedruckter Form aufbewahrt werden kann (UStAE 6a.4 Abs. 6 Satz 3).

 


[Anm. d. Red.]     

 

 

BC 2/2018

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