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Ausgewählte Fragen im Zusammenhang mit der Pandemiegefahr – insbesondere Entgeltfortzahlungs- und Erstattungsansprüche (COVID-19)

Michael Eckert

 

Aufgrund der steigenden Anzahl von Meldungen zu Infektionen bzw. Verdachtsfällen (Pandemiegefahr) beantworten wir einige typische Fragen aus der Sicht der Arbeitgeber.


 

Fragen/Aspekte

Antwort/Erläuterungen

1. Welche Vorbereitungen sollten vom Arbeitgeber für den Pandemiefall getroffen werden?

Durch einen Pandemie-Notfallplan kann sich der Arbeitgeber zur Sicherung des Betriebsablaufs auf einen Pandemiefall vorbereiten. Hier können z.B. Regelungen zu Home-Office-Arbeitsplätzen für Schlüssel-Positionen getroffen werden. Da eine Aufgabenzuteilung, die Anordnung von Überstunden o.Ä. über die Möglichkeiten des Direktionsrechts hinaus erforderlich sein können, sollten die betroffenen Arbeitnehmer möglichst frühzeitig beteiligt werden.

 

Arbeitgeber haben, insbesondere bei Reise-Rückkehrern aus bekannten Risikoländern, eine Sorgfaltspflicht gegenüber den übrigen Arbeitnehmern, so dass hier der Arbeitgeber ein Fragerecht zu den Reiseorten (Risikoländer) hat und bei Verdachtsfällen die Vorlage einer aktuellen ärztlichen Untersuchungsbescheinigung verlangen kann. Der Arbeitgeber kann einen Arbeitnehmer in einem solchen Fall vorübergehend bis zur Vorlage eines entsprechenden Attests von der Arbeit freistellen oder alternativ – soweit für den Arbeitnehmer zumutbar – eine Arbeit im Home-Office anweisen.

 

Der Arbeitgeber sollte auf jeden Fall über Vorsorgemaßnahmen aufklären und behördliche Verhaltensmaßregeln aushängen bzw. per Intranet versenden.

 

Soweit möglich sollte der Arbeitgeber für alle Toiletten, Küchen sowie an Ein- und Ausgängen Vorrichtungen zur Desinfektion der Hände anbringen und anweisen, dass beispielsweise die Begrüßung per Handschlag o.Ä. vorerst zu unterlassen ist. Die Frage, ob erwartete Gäste aus Risikoländern noch empfangen bzw. geplante Reisen in Risikoländer abgesagt/verschoben werden, muss im Einzelfall geprüft werden.

 

Arbeitnehmer können Dienstreisen in Risikoländer nicht generell verweigern, es sei denn, es liegt eine Reisewarnung des Auswärtigen Amts vor.

 

Im Einzelfall sollten hier aber einvernehmliche Absprachen getroffen werden.

 

Soweit möglich und vorhanden, sollte ein Betriebsarzt einbezogen werden.

 

2. Besteht ein Leistungsverweigerungsrecht oder Anspruch auf einen Home-Office-Arbeitsplatz wegen der allgemeinen Sorge um eine Ansteckungsgefahr?

Grundsätzlich bleiben Arbeitnehmer auch bei einer Pandemiegefahr zur Arbeitsleistung verpflichtet. Das allgemeine Lebensrisiko einer Infektion berechtigt nicht zum Fernbleiben von der Arbeit und begründet auch keinen Anspruch auf einen Home-Office-Arbeitsplatz.

 

3. Maßnahmen bei Corona-Verdacht bei einem Arbeitnehmer

Der Arbeitnehmer ist sofort nach Hause zu schicken und aufzufordern, z.B. seinen Hausarzt anzurufen, damit von dort ein Test durchgeführt werden kann. Der Arbeitnehmer ist aufzufordern, den Arbeitgeber unverzüglich vom Ergebnis zu unterrichten.

 

Sämtliche Kontaktpersonen des Arbeitnehmers sollten mit Name, Telefonnummer und Adresse festgestellt und über die Erkrankung informiert werden.

 

Ferner ist das Gesundheitsamt zu informieren, und mit dem Gesundheitsamt sind weitere Maßnahmen möglichst einvernehmlich abzustimmen.

 

Hinsichtlich der Entgeltfortzahlung für einen tatsächlich erkrankten Mitarbeiter gelten die allgemeinen Regelungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes wie bei anderen zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankungen auch. Bei einer Erkrankung mit dem Corona-Virus ist die Frage der Arbeitsunfähigkeit immer zu bejahen, unabhängig vom persönlichen Wohlbefinden des Arbeitnehmers (Ansteckungsgefahr).

 

4. Behördliche Quarantäne eines Arbeitnehmers ohne Krankheitssymptome

Werden Arbeitnehmer, z.B. als Kontaktperson potenziell oder tatsächlich Erkrankter, nach Hause oder ins Krankenhaus in Quarantäne geschickt (zuständig: Gesundheitsamt), muss dieser Anordnung Folge geleistet werden.

 

Mit einer solchen Quarantäne ist nicht automatisch ein Tätigkeitsverbot verbunden. Ein solches Tätigkeitsverbot müsste von der zuständigen Behörde gesondert angeordnet werden. Eine Beschäftigung ist in der Regel im Home-Office möglich, beispielsweise online oder telefonisch.

 

Kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aber nicht beschäftigen oder ist eine Beschäftigung während der Quarantäne unzumutbar (Quarantäne im Krankenhaus), hat der Arbeitnehmer nach § 56 IfSG (Infektionsschutzgesetz) einen Anspruch auf Weiterzahlung des Nettolohns (vgl. Ziff. 6).

 

5. Vorsorgliche Freistellung durch den Arbeitgeber

Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer wegen einer möglichen Infektionsgefahr (z.B. Reise-Rückkehrer) von der Arbeit frei, ohne dass eine Arbeitsunfähigkeit besteht, bleibt der Lohnanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber grundsätzlich bestehen. Beide Parteien könnten sich jedoch darauf einigen, dass für diese Zeit Urlaub genommen oder die ausgefallene Zeit nachgeholt wird.

 

6. Behördliches Tätigkeitsverbot

Ordnet das Gesundheitsamt bei einem Arbeitnehmer ein Tätigkeitsverbot ausdrücklich an (§ 31 IfSG), hat der Arbeitnehmer nach § 56 IfSG einen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Weiterzahlung des Nettolohns für die ersten sechs Wochen. Der Arbeitgeber hat in diesem Fall einen Anspruch auf Erstattung der Entgeltfortzahlung in den ersten sechs Wochen gegen das Gesundheitsamt.

 

Achtung!

Der Erstattungsantrag muss innerhalb von drei Monaten nach Einstellung der Tätigkeit (bzw. Ende der Quarantäne) bei der Behörde eingehen. Neben dem Erstattungsanspruch hat der Arbeitgeber auf seinen Antrag auch einen Anspruch auf einen Vorschuss in Höhe des voraussichtlichen Erstattungsbetrags.

 

In diesem Zeitraum bestehen Renten- und Krankenversicherungspflichten fort, auch hier ist jedoch eine Erstattung für den Arbeitgeber möglich.

 

Im Übrigen, also für die Zeit nach Ablauf von sechs Wochen, müssen die betroffenen Arbeitnehmer einen Antrag auf Entschädigung bei der zuständigen Behörde (Gesundheitsamt) selbst stellen. Die Entschädigung wird dann in Höhe des Krankengelds gewährt, soweit der Verdienstausfall die für die gesetzliche Krankenversicherungspflicht maßgebende Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht übersteigt.

 

7. Können Arbeitnehmer bei Schließung von Schulen/Kindergärten/KITAs der Arbeit fernbleiben?

Hier besteht, ähnlich wie bei der Krankheit eines Kleinkinds, für wenige Tage ein Anspruch auf Freistellung gegenüber dem Arbeitgeber nach § 616 BGB. Grundsätzlich muss der Arbeitgeber in dieser Zeit das Gehalt weiterzahlen. Der Anspruch kann aber im Arbeitsvertrag wirksam ausgeschlossen worden sein.

 

Arbeitnehmer müssen sich in diesen Fällen unverzüglich um eine Ersatzbetreuung kümmern und dann die Arbeit wieder aufnehmen.

 

Eine Kinderbetreuung muss natürlich in erster Linie durch einen eventuell nicht berufstätigen Elternteil, andere Verwandte o.Ä. – soweit möglich – erfolgen.

 

Solange ein Arbeitnehmer trotzdem kurzfristig Kinder zu Hause betreuen muss, ist er gegebenenfalls – soweit möglich und zumutbar – zur Tätigkeit aus dem Home-Office (online, Telefon o.Ä.) verpflichtet.

 

8. Was gilt im Falle einer angeordneten Betriebsschließung?

Grundsätzlich trägt der Arbeitgeber das Betriebsrisiko. Die Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf Lohnzahlung, soweit nicht in Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder individualvertraglich etwas anderes wirksam vereinbart wurde. Hier kann eine Betriebsausfallversicherung greifen.

 

In einem solchen Fall sind Arbeitnehmer – soweit zumutbar – wiederum verpflichtet, von zu Hause aus zu arbeiten (online, Telefon o.Ä.).

 

Vorübergehend ist auch ein Einsatz in einem anderen Betrieb des gleichen Arbeitgebers denkbar, soweit die Entfernungen zumutbar sind und dieser Betrieb nicht auch geschlossen wurde.

 

In diesem Fall kommt unter Umständen ein Entschädigungsanspruch des Arbeitgebers nach § 65 IfSG in Betracht.

 

9. Was gilt im Falle eines Arbeitsmangels, der im Zusammenhang mit dem Corona-Virus entsteht?

Auch hier handelt es sich grundsätzlich um ein Risiko in der Sphäre des Arbeitgebers: Nach der sog. Betriebsrisikolehre trägt dieser das Risiko einer Betriebsschließung oder Betriebseinschränkung, wenn beispielsweise Vorprodukte oder Waren nicht geliefert werden können, Aufträge ausbleiben oder Schlüssel-Arbeitnehmer, die beispielsweise für die Produktion gebraucht werden, arbeitsunfähig erkrankt oder in Quarantäne sind. Hier bleibt der Arbeitgeber gegenüber den arbeitsfähigen Arbeitnehmern – trotz fehlender Beschäftigungsmöglichkeit – zur Entgeltzahlung verpflichtet. Auch hier könnte eine Betriebsausfallversicherung eingreifen, wobei die dortigen Versicherungsbedingungen geprüft werden müssen.

 

Unter Umständen kann der Arbeitgeber Kurzarbeit vereinbaren und Kurzarbeitergeld über die Bundesagentur für Arbeit beantragen. Dies erfordert jedoch eine Prüfung im Einzelfall.

 

10. Kurzarbeitergeld auch bei vollständiger Betriebsschließung?

Wird der Betrieb vorübergehend durch die Gesundheitsbehörden geschlossen, kann Kurzarbeit im Rahmen einer Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat vereinbart werden, ohne dass alle Arbeitnehmer zustimmen müssen. Ob Kurzarbeitergeld gezahlt wird, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

 

11. Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung

Soweit Arbeitnehmer sich im Rahmen ihrer versicherten Arbeitstätigkeit infizieren, stehen sie allgemein unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Hier gelten die allgemeinen Regeln.

 

12. Mitwirkung des Betriebsrats

Hier gelten die üblichen Regelungen. Besonderheiten ergeben sich nicht.

 

 

 

Bitte berücksichtigen Sie, dass es eine vergleichbare Situation, die auch Auswirkungen auf das öffentliche Leben hat, so noch nicht gegeben hat, weshalb sowohl praktische Erfahrungen als auch einschlägige, insbesondere höchstrichterliche Urteile fehlen. Es handelt sich vorliegend um eine vorläufige Einschätzung. Eine Gewähr kann insbesondere im Rahmen dieser allgemeinen Übersicht nicht übernommen werden.

 

Michael Eckert, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kanzlei EDK Eckert & Kollegen, Heidelberg
E-Mail: Eckert@edk-hd.de; Internet: www.edk-hd.de

 

BC 4/2020

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