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Wohnungseigentümergemeinschaft als gewerbliche Mitunternehmerschaft – Beratungsbedarf bei Stromeinspeisung mittels BHKW

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

BFH-Urteil vom 20.9.2018, IV R 6/16

 

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft kann beim Betrieb eines Blockheizkraftwerks, mit dem Strom an einen außenstehenden Abnehmer geliefert wird, gewerblich tätig sein. Daher begründet sie selbst ertragsteuerrechtlich eine Mitunternehmerschaft, für die das erforderliche Feststellungsverfahren durchzuführen ist. Der Annahme einer von den Wohnungseigentümern zusätzlich konkludent (schlüssig) gegründeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) bedarf es nicht.


 

 

Praxis-Info!

 

Hintergrund

 

Wohl eher unbeeinflusst von den (aktuellen) Schneeproblemen im Süden, aber dennoch zur Witterung passend haben die Münchener BFH-Richter am 9.1.2019 ihre erste Pressemitteilung des Jahres 2019 dem Betrieb eines Blockheizkraftwerks (BHKW) durch eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) gewidmet. In dem konkreten Fall war eine Wohnanlage errichtet worden, zu der ein BHKW gehörte, mit dem der eigene Wärmeenergiebedarf gedeckt werden sollte. Der außerdem erzeugte und nicht von den Wohnungseigentümern verbrauchte Strom wurde gegen Erhalt einer Vergütung in das Netz eines Energieversorgers eingespeist.

 

Das Finanzamt (FA) war der Meinung, die Wohnungseigentümergemeinschaft unterhalte mit der Stromeinspeisung einen Gewerbebetrieb, und erließ gegenüber der Gemeinschaft einen Bescheid, mit dem gewerbliche Einkünfte festgestellt wurden. Die dagegen klagenden Eigentümer waren der Ansicht, der Bescheid sei rechtswidrig, weil nicht die Wohnungseigentümergemeinschaft, sondern allenfalls eine zusätzlich von den Eigentümern gegründete GbR hätte gewerblich tätig sein können. Im Übrigen sei der Gewinn auch zu hoch festgestellt worden, u.a. weil nicht die richtigen Folgen aus der Nutzung der selbst erzeugten Energie durch die Wohnungseigentümer gezogen worden seien.

 

 

Lösung

Der BFH bestätigte das vorinstanzlich mit dem Streitfall befasste Finanzgericht darin, dass die WEG infolge ihrer zivilrechtlichen Verselbstständigung ähnlich einer Personengesellschaft steuerrechtlich als Mitunternehmerschaft anzusehen sein kann, soweit sie innerhalb ihres Verbandszwecks tätig wird. Die Lieferung von Strom halte sich jedenfalls dann innerhalb dieses Zwecks, wenn der Strom von einem eigenen BHKW erzeugt werde, das vornehmlich der Erzeugung von Wärme für das Wohnungseigentum diene. Daher seien die gewerblichen Einkünfte aus der Stromlieferung in einem eigenständigen Verfahren gegenüber der WEG selbst, nicht aber gegenüber einer daneben bestehen GbR gesondert festzustellen. Die betreffende Steuererklärung habe der Hausverwalter abzugeben.

 

 

Praxishinweise:

  • BHKW-Installationen werfen erfahrungsgemäß eine Fülle von teils hochkomplizierten Abrechnungsfragen auf. Diese werden in der Immobilienpraxis nicht selten auch deshalb in Kauf genommen, weil ohne den Betrieb eines BHKW KfW-Effizienzhaus-Vorgaben nicht erreichbar sind. Zumindest für selbstständige Bilanzbuchhalter eröffnet die Immobilienbranche mit dem Betrieb eines BHKW möglicherweise attraktive Betätigungsfelder. Denn die Eigentümer der Objekte in einer solchen Anlage sind mit den komplizierten steuerrechtlichen Regelungen, deren Beachtung der Betrieb eines BHKW mit sich bringt, in der Regel überfordert, und sie benötigen deshalb Expertenrat. Den suchen sie im Regelfall vorzugsweise zunächst bei einem Hausverwalter (im Streitfall die X-GmbH), der seinerseits wiederum auf Unterstützung angewiesen ist.
  • Und hier wird die vorliegende BFH-Entscheidung für Buchführungsexperten besonders interessant: Der BFH urteilt, dass der Hausverwalter mit der Abgabe der Feststellungserklärung nicht gegen § 2 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) verstoßen habe. Nach dieser – selbstständigen Bilanzbuchhaltern aus anderem Umfeld besonders gut bekannten – Regelung darf die Hilfeleistung in Steuersachen geschäftsmäßig nur von Personen und Vereinigungen ausgeübt werden, die hierzu befugt sind. Die Erledigung eigener Steuerangelegenheiten stellt hingegen keine Hilfeleistung in Steuersachen dar (BFH-Beschluss vom 8.10.2010, II B 111/10, Rz. 16, m.w.N.). Mit der Abgabe einer Feststellungserklärung durch ein hierzu befugtes Organ des Gewinnermittlungssubjekts wird eine eigene und keine fremde Steuerangelegenheit besorgt.
  • Weitere Aspekte des entschiedenen Sachverhalts unterstreichen die Nähe des bei Buchführungsexperten vorhandenen Expertenwissens zu den in Kooperation mit Hausverwaltungen zu lösenden Problemkreisen. So weist der BFH darauf hin, dass die WEG ihren Gewinn zutreffend nach § 4 Abs. 3 S. 1 EStG ermittelt habe (Einnahmen-Überschussrechnung). Sie gehört demnach zu dem in dieser Vorschrift genannten Personenkreis. Mangels Kaufmannseigenschaft besteht keine Buchführungspflicht gemäß § 140 AO i.V.m. § 238 HGB. Offensichtlich ist auch keine Buchführungspflicht gemäß § 140 AO i.V.m. § 6b des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) n.F. (vormals § 10 EnWG a.F.) gegeben. Vielmehr wurde im Streitfall das Gewinnermittlungswahlrecht wirksam zugunsten der Einnahmen-Überschussrechnung ausgeübt: Die Hausverwaltung (X-GmbH) und der hinzugezogene selbstständige Buchhalter E haben – so die uneingeschränkte BFH-Aussage – in dieser Frage die WEG wirksam vertreten.
  • Diese buchhalterische Problemlösungskompetenz ist auch aus umsatzsteuerlicher Perspektive bedeutsam, da die WEG als Stromerzeugerin Unternehmerin im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 UStG ist. Denn die WEG hatte das BHKW, soweit Strom erzeugt und vermarktet wird, für ihr Unternehmen bezogen. Als Maßstab für die Aufteilung der Vorsteuer wurden – wie bei der Ermittlung des abzugsfähigen AfA-Betrags – die Leistungsdaten aus dem Datenblatt herangezogen und eine umsatzsteuerpflichtige Nutzung in Höhe von 25% zugrunde gelegt.
  • Damit haben es sich die Beteiligten im Streitfall allerdings zu einfach gemacht, denn diese (möglicherweise eben aus Vereinfachungsgründen gewählte) Vorgehensweise verwarf der BFH als fehlerhaft: „Die im Streitfall erfolgte Aufteilung der Vorsteuer nach dem Verhältnis der auf dem Datenblatt angegebenen Strom- und Wärmemengen in kWh verstößt gegen § 15 Abs. 4 UStG. Denn bei gebotener wirtschaftlicher Zuordnung der Umsätze ist die Aufteilung nach dem Verhältnis der im Streitjahr bestehenden Marktpreise für Strom und Wärme vorzunehmen“ (BFH-Urteil vom 16.11.2016, V R 1/15).
  • Ungeklärt blieb zudem, von welchen Anschaffungskosten des BHKW bei der Ermittlung des Gewinns Abschreibungen vorzunehmen waren. Dies hängt u.a. davon ab, in welchem Umfang die bei der Lieferung in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer vom Finanzamt erstattet werden konnte. Zur Ermittlung des richtigen Aufteilungsschlüssels verwies der BFH deshalb das Verfahren an das Finanzgericht zurück – und gibt damit zugleich unabhängig vom Streitfall eine Steilvorlage für Buchführungsexperten, die – angestellt z.B. in Wohnungsgesellschaften oder selbstständig auf dem Beratungsmarkt wie oben beschrieben – zur Lösung solcher Probleme prädestiniert sein dürften.


 

Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, Coesfeld

BC 2/2019 

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