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GoBD – Buchführung im digitalen Zeitalter: Version 8

Stefan Groß, Christoph Möslein und Tobias Lieb

Entwurf eines BMF-Schreibens vom 11.4.2014

 

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat im April 2014 eine neue Entwurfsfassung („Version 8“) seiner „Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff“ (GoBD) an die Verbände zur neuerlichen Kommentierung versendet. Dazu hat die EU Anfang Mai 2014 eine Richtlinie über die elektronische Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen veröffentlicht.

 

 

1. Neue Entwurfsfassung der GoBD

Während wir über die Auswirkungen der GoBD auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU) im Allgemeinen bereits in BC 2013, 180 ff. (Heft 5), auf Basis der damaligen Entwurfsfassung berichtet haben, möchten wir nachfolgend die aus unserer Sicht wesentlichen Änderungen der neuen Version 8 gegenüber den Vorgängerversionen und deren Auswirkungen auf KMU zusammenfassen.

Unabhängig von den einzelnen Themenfeldern findet sich im neuen Entwurf an mehreren Stellen der generelle (und unseres Erachtens sehr zu begrüßende) Hinweis, dass Rücksicht auf die Größe und Organisation der geprüften Unternehmen zu nehmen ist, jeweils mit Blick auf die „Komplexität und Diversifikation der Geschäftstätigkeit und der Organisationsstruktur sowie des eingesetzten DV-Systems.“

  • Softwaretestate (Rz. 181): Während die Vorgängerversionen die Bindungswirkung von „Zertifikaten“ oder „Testaten“ Dritter gegenüber der Finanzbehörde ohne weitere Ausführung verneinten, sprechen die GoBD nun davon, dass solche von dritter Seite erteilten Zertifikate oder Testate bei der Auswahl eines Softwareprodukts dem Unternehmen als Entscheidungskriterium dienen können, jedoch gegenüber der Finanzbehörde keine Bindungswirkung erzeugen. Eine Auswirkung hinsichtlich der Einschätzung zur Auswahl des Softwareprodukts durch den prüfenden Finanzbeamten hat diese Textänderung allerdings weiterhin nicht.
  • Aufbewahrung (Rz. 81, 142 und 144): Der Satz „Die Aufbewahrungsfrist für den Anschaffungsbeleg beginnt erst mit Ablauf der steuerlichen Nutzungsdauer“ wurde ersatzlos gestrichen. Allerdings bleiben die gesetzlichen Vorschriften im HGB und in der AO bezüglich der Aufbewahrungsfristen selbstverständlich weiterhin gültig, unabhängig davon, ob ein entsprechender Hinweis in den GoBD enthalten ist oder nicht.
    Die Ziffern 142 und 144 beziehen sich auf die Aufbewahrung der Daten nach einem Systemwechsel bzw. einer Systemänderung. Demnach ist die Aufbewahrung der Daten in den Altsystemen auch dann nicht erforderlich, wenn Datenstrukturen verändert werden, jedoch alle aufzeichnungs- und aufbewahrungspflichtigen Daten und Informationen in quantitativer und qualitativer Hinsicht erhalten bzw. übernommen werden. Solche Veränderungen der Datenstrukturen können sich – so der Entwurf – beispielsweise ergeben durch Reorganisation von OCR-Datenbanken oder durch die Aufbewahrung von Daten in Datenextrakten, Reports oder Druckdateien.
  • Maschinelle Auswertbarkeit (Rz. 125 f.): Hinsichtlich Art und Umfang der maschinellen Auswertbarkeit wird in einem neu aufgenommenen Beispiel ausdrücklich auf den Standard ZUGFeRD Bezug genommen. Dieses Dateiformat betrifft die Automatisierung des elektronischen Rechnungsaustauschs (siehe PSP-Beitrag vom 4.4.2013 zum ZUGFeRD-Standard). Die Etablierung von ZUGFeRD als deutscher Industriestandard gewinnt insbesondere vor dem Hintergrund des nachfolgend dargestellten Implementierungsprozesses für einen EU-weiten E-Invoicing-Standard verstärkte Bedeutung. Die maschinelle Auswertbarkeit soll sich hierbei auf sämtliche Inhalte der PDF/A3-Datei und nicht ausschließlich auf das Rechnungsbild als integraler Bestandteil des Standards beziehen. Dies bildet insoweit nicht nur die Grundlage für den Rechnungsaustausch, sondern definiert zugleich den Umfang der Speicherung für mögliche Dokumentenmanagementsysteme (DMS) und Archivsysteme. Die maschinelle Auswertbarkeit wird um die Möglichkeit zur Prüfung auch mit „Bildschirmabfragen, die Nachverfolgung von Verknüpfungen und Verlinkungen oder die Textsuche nach bestimmten Eingabekriterien“ erweitert, was somit den Steuerpflichtigen in die Lage versetzen soll, auch steuerlich relevante Applikationen einzusetzen, die keine mathematisch-technische Auswertungsmöglichkeiten bieten, solange diese eine Prüfung im weitesten Sinne gewähren. Was dies in der Praxis bedeutet, bleibt abzuwarten.
  • Datenzugriff (Rz. 128): Eine wichtige Änderung aus technischer Sicht stellt der neu aufgenommene Hinweis dar, dass „im Rahmen einer Datenträgerüberlassung der Erhalt technischer Verlinkungen nicht erforderlich ist“, was in der Praxis bisher ohnehin aus technischen Gründen sehr selten bis gar nicht umgesetzt wurde.
  • Elektronische Erfassung von Papierdokumenten (Rz. 130 bis 135): Bei der Durchsicht fallen zwei wesentliche Punkte auf: Zum einen darf es der Betriebsprüfer unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit nicht beanstanden, dass ausgedruckte und in Papierform abgesandte Handels- und Geschäftsbriefe, die ursprünglich im DV-System erzeugt wurden (z.B. in Papierform versandte Ausgangsrechnungen, die in WORD erstellt wurden), nur in Papierform aufbewahrt werden. Zum anderen enthält die neue Version die Forderung, dass bei Umwandlung (Konvertierung) aufbewahrungspflichtiger Unterlagen in ein unternehmenseigenes Format (sog. Inhouse-Format) beide Versionen zu archivieren, derselben Aufzeichnung zuzuordnen und mit demselben Index zu verwalten sind sowie die konvertierte Version als solche zu kennzeichnen ist. Hierbei dürfen keinerlei „Verdichtungen“ aufzeichnungs- und aufbewahrungspflichtiger Daten vorgenommen werden. Diese Aussagen stellen wiederum Einschränkungen hinsichtlich der Verarbeitung und Speicherung von Daten des Steuerpflichtigen dar, welche insbesondere bei der Auswahl und Implementierung von DMS und Archivsystemen zu berücksichtigen sind.
  • Verfahrensdokumentation (Rz. 151 ff.): Der Umfang der Verfahrensdokumentation hängt laut dem Entwurf von der oben bereits erwähnten Komplexität und Diversifikation des Unternehmens ab. Auf den Zusatz, die Verfahrensdokumentation müsse sowohl die Einzelfallprüfung als auch die Systemprüfung gewährleisten, wurde verzichtet. Gerade weil kleinere und mittlere Unternehmen bei der Erstellung von Verfahrensdokumentationen oftmals mit Zeit- und Ressourcenengpässen kämpfen, ist der Verzicht auf diese ursprüngliche Forderung als durchaus positiv zu werten, da die Prüfung der Verfahrensdokumentation damit nicht schon an der ersten, für viele Steuerpflichtige zu hohen „Hürde“ scheitert. Der Hinweis, dass die Dokumentation des beschriebenen Verfahrens dem in der Praxis umgesetzten Verfahren voll entsprechen müsse, ist unseres Erachtens ausreichend und in der praktischen Umsetzung erfahrungsgemäß ohnehin nicht trivial. Eine weitere Änderung in diesem Abschnitt erscheint auf den ersten Blick positiv für viele Steuerpflichtige, doch bei näherer Betrachtung enthält sie nur eine gedrehte Aussage mit gleichem Inhalt. Nach der Vorgängerversion konnte eine fehlende oder ungenügende Verfahrensdokumentation zu einem formellen Mangel mit sachlichem Gewicht und somit zum Verwerfen der Buchführung führen. In der neuen Version wird die Aussage doppelt verneint: Wird die Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit nicht beeinträchtigt, liegt demnach kein formeller Mangel mit sachlichem Gewicht vor, der zum Verwerfen der Buchführung führen kann. Liegt – mit anderen Worten – also nach Einschätzung des Prüfers eine Beeinträchtigung der Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit vor, kann ein formeller Mangel mit sachlichem Gewicht vorliegen, der wiederum dann sehr wohl ein Verwerfen der Buchführung nicht ausschließt.
  • Datenträgerüberlassung (Rz. 168 ff.): Auch wenn es unseres Erachtens eine Selbstverständlichkeit sein sollte, wurde im neuen Entwurf dennoch der ausdrückliche Hinweis aufgenommen, dass eine Mitnahme der Datenträger aus der Sphäre des Steuerpflichtigen im Regelfall nur in Abstimmung mit dem Steuerpflichtigen erfolgen sollte. In welchen Fällen allerdings Ausnahmen von diesem Regelfall vorliegen sollen, wurde im Schreiben des BMF nicht definiert. Weiterhin ist in diesem Abschnitt eine für das Lastenheft und somit für die Auswahl von Applikationen sehr wichtige Information enthalten. Die Anforderungen, die sich aus der Datenträgerüberlassung bzw. dem Datenzugriff ergeben, dürfen nicht aus wirtschaftlichen Gründen eingeschränkt werden. Dies bedeutet im weiteren Sinne, dass bereits in Bestand stehende oder zukünftige Applikationen ggf. erweitert oder ersetzt werden müssen, wenn sie diese Anforderungen nicht erfüllen.

 

 

2. Startschuss für einheitlichen E-Invoicing-Standard in der EU

Nach Annahme durch den Rat der Europäischen Union hat die EU die Richtlinie 2014/55/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.4.2014 über die elektronische Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen im entsprechenden Amtsblatt veröffentlicht. Mit der offiziellen Veröffentlichung der Richtlinie am 6.5.2014 beginnt ein mehrstufiger Implementierungs-Zeitplan, an dessen Ende die richtungsweisende, europaweite Einführung eines inhaltlichen Standards für den Austausch von Rechnungsdaten auf elektronischem Weg steht.

So muss die europäische Standardisierungsorganisation binnen 36 Monaten nach der nun erfolgten Veröffentlichung der Richtlinie einen technologieneutralen, inhaltlichen E-Invoicing-Standard entwickeln. Zur Implementierung des neuen Standards auf nationaler Ebene bleibt den EU-Mitgliedstaaten dann eine Frist von noch einmal 18 Monaten (bzw. 30 Monate für Kommunen). Die für die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht nötigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften müssen spätestens bis zum 27.11.2018 erlassen worden sein.

 

 

3. Fazit

Auch wenn der neue GoBD-Entwurf an einigen Stellen Änderungen enthält, die aus Sicht von KMU zu begrüßen sind, bleibt auch weiterhin grundsätzlich zu bemängeln, dass die in der AWV (Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung e.V.) entwickelten „Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung beim IT-Einsatz“ (GoBIT) keinen oder nur marginalen Eingang in die GoBD gefunden haben. Unsere Ausführungen aus 2013 bleiben insoweit nahezu uneingeschränkt bestehen, egal ob es die Aushöhlung des Begriffs der maschinellen Auswertbarkeit betrifft oder die Aufbewahrungspflicht des Steuerpflichtigen beschränkt auf die entsprechenden Daten, welche in der Praxis auch zur Prüfung herangezogen werden. Mit Blick auf die Vermeidung von Medienbrüchen ist es zudem eher als Rückschritt zu werten, wenn die Finanzverwaltung – wie etwa bei der Frage der Bereitstellung gescannter Unterlagen – den zu prüfenden Unternehmen dann doch wieder eine Verpflichtung auferlegt, diese im Bedarfsfall auszudrucken.

Die ausdrückliche Anerkennung des ZUGFeRD-Standards ist sicherlich zu begrüßen und könnte der weiteren Umsetzung dieses Dateiformats hin zu einem allgemeinen Industriestandard für den elektronischen Rechnungsaustausch weiteren Vorschub leisten. Andererseits sollte das BMF-Schreiben jegliche technische Beschränkungen – auch soweit diese nur fallbezogen angeführt werden – meiden, da die Finanzverwaltung ihrer Selbstverpflichtung einer Technologieneutralität konsequent nachkommen sollte.

Die bevorstehende Einführung eines EU-weit einheitlichen E-Invoicing-Standards ist durchweg zu begrüßen. Der öffentliche Sektor mit seinem Ausschreibungsvolumen in Milliardenhöhe könnte dabei durchaus eine Signalwirkung für die Privatwirtschaft geben und vor allem KMU und große Unternehmen veranlassen, auch beim Rechnungsaustausch untereinander auf die elektronische Abwicklung umzusteigen. Eine zweckmäßige und wirtschaftlich lohnende Entscheidung ist der Umstieg auf den rein elektronischen Rechnungsaustausch für viele Unternehmen allemal – und zwar schon heute: Das Einsparpotenzial beim vollautomatischen, papier- und portolosen E-Invoicing liegt Schätzungen zufolge durchschnittlich bei bis zu 10 € und mehr pro Rechnung. Das nationale Dateiformat ZUGFeRD, das sich derzeit auf nationaler Ebene zunehmend etabliert, kommt damit gerade zur rechten Zeit, lässt sich dadurch doch genau das erreichen, was die EU-Richtlinie intendiert: Eine weitere Automatisierung von Rechnungsverarbeitung und Rechnungsversand.

 

Dipl.-Kfm. Stefan Groß, Steuerberater, CISA, Peters, Schönberger & Partner GbR, München,

Christoph Möslein, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater, Peters, Schönberger & Partner GbR, München,

Diplom-Wirtschaftsinformatiker (FH), Tobias Lieb, IT-Auditor, Peters, Schönberger & Partner GbR, München (Internet: www.psp.eu)

 

 

BC 6/2014

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