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Unanfechtbarkeit im Sinne des § 23 Abs. 3 S. 1 UStG

Christian Thurow

FG Hamburg Urt. v. 1.3.2023 – 5 K 93/22 (keine Zulassung zur Revision)

 

„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“, wie Hermann Hesse eindringlich in seinem Gedicht Stufen schreibt. Ob dieser Zauber des Anfangs auch für die erstmalige Steuerfestsetzung gilt? Im Ausgangsfall, der dem Urteil des Finanzgerichts Hamburg zugrunde lag, scheint der Steuerpflichtige nach der Urteilsverkündung wohl weniger Hesse als vielmehr Goethes Zauberlehrling im Kopf zu haben – „Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister, werd‘ ich nun nicht los“.

 


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Ein freiberuflicher Journalist reichte seine Umsatzsteuererklärung 2017 im Juni 2019 ein, welche noch im selben Monat beschieden wurde. Im Mai 2020 reichte der Kläger eine deutlich berichtigte Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2017 ein, in der die abziehbaren Vorsteuerbeträge nach den allgemeinen Durchschnittssätzen im Sinne des § 23 UStG in der damals gültigen Fassung berechnet wurden.

Das Finanzamt lehnte die Berechnung der Vorsteuerbeträge nach allgemeinen Durchschnittssätzen ab, da die Umsatzsteuerfestsetzung bereits formell bestandskräftig gewesen sei.

Der Kläger vertrat dagegen die Auffassung, der Erlass des Umsatzsteuerbescheids in 2020 habe den ursprünglichen Verwaltungsakt aus dem Jahr 2019 aufgehoben und ersetzt. Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid sei somit formell nicht bestandskräftig geworden. Daraus folge: Der Kläger könne bei der erneuten Festsetzung von seinem Wahlrecht zur Durchschnittsbesteuerung Gebrauch machen.

 

 

Lösung

Das Finanzgericht (FG) Hamburg widerspricht der Auffassung des Klägers. Zu Recht weist der Kläger darauf hin, dass Wahlrechte grundsätzlich auch nach Erlass eines Änderungsbescheids neu ausgeübt werden können. Dies gilt aber nur für Wahlrechte, die dem Grunde nach keiner zeitlichen Begrenzung unterliegen. Im Wortlaut des § 23 Abs. 3 S. 1 UStG war aber bereits im Gesetz eine engere Frist vorgesehen – das Wahlrecht konnte nur bis zur formellen Bestandskraft der erstmaligen Steuerfestsetzung ausgeübt werden. Ist diese eingetreten, so kann auch bei einem späteren Änderungsbescheid keine andere Ausübung des Wahlrechts erfolgen.

Das FG Hamburg weist ferner darauf hin, dass auch Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) formell unanfechtbar werden können. Dies war im Ausgangfall gegeben, sodass der Kläger in seiner berichtigten Erklärung an die ursprüngliche Wahlrechtsausübung gebunden war und die Berechnung der Vorsteuerbeträge daher nicht nach allgemeinen Durchschnittssätzen vornehmen konnte.

 

 

Praxishinweis:

Entscheidend im Ausgangsfall ist das Wort „erstmalig“. In einigen Steuerregelungen – wie z.B. § 23 UStG a.F., § 7g EStG – wird hiermit eine Frist gesetzt, ähnlich wie in § 34a EStG (bis zur Unanfechtbarkeit des Einkommensteuerbescheids für den nächsten Veranlagungszeitraum). Davon zu unterscheiden sind „offene“ Regelungen, die lediglich von Unanfechtbarkeit des Steuerbescheids sprechen, ohne hier jedoch eine zeitliche Frist zu setzen, wie z.B. in § 19 UStG.

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)

 

 

BC 7/2023 

BC2023722

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