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Arbeitszimmer-Aufwendungen: Erforderlichkeit des Raums kein Kriterium für die Abzugsfähigkeit

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

BFH-Urteil vom 3.4.2019, VI R 46/17

 

Bei der Frage der Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer kommt es nicht auf dessen Erforderlichkeit an. Entscheidend ist, dass der jeweilige Raum ausschließlich oder nahezu ausschließlich für betriebliche/berufliche Zwecke genutzt wird.


 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer scheint eine „never ending story“ zu sein. Wer geglaubt hatte, nach den zahlreichen Entscheidungen der Vergangenheit (zuletzt etwa hinsichtlich der Arbeitsecke, vgl. hier) sei nun Klarheit geschaffen, wird nun – wie insbesondere auch die Düsseldorfer Finanzrichter – durch den BFH eines Besseren belehrt.

In München hat man sich aus grundsätzlicher Perspektive den Begriff der Erforderlichkeit vorgenommen und entschieden, dass es für die Anerkennung der Aufwendungen „unerheblich ist, ob ein häusliches Arbeitszimmer für die Tätigkeit erforderlich ist. Für die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen genügt die Veranlassung durch die Einkünfteerzielung“. Der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers setze insoweit lediglich voraus, dass der jeweilige Raum ausschließlich oder nahezu ausschließlich für betriebliche/berufliche Zwecke genutzt wird.

Das Urteil der Vorinstanz (FG Düsseldorf vom 4.5.2017, 8 K 329/15 E, EFG 2018, 277, siehe zum Volltext unter https://www.iww.de/quellenmaterial/id/198816) wurde aufgehoben. In Düsseldorf können demnach umfangreiche Berechnungen, die man zur Nutzung angestellt hatte, um die Erforderlichkeit zu verneinen, dem Papierkorb zugeführt werden. Diese für den Fall einer Stewardess finanzgerichtlich analysierten Details können hier deshalb getrost unerwähnt bleiben, nicht aber die grundsätzlichen Erwägungen zur Auslegung der hier maßgeblichen Vorschrift des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG.

Denn auch in der Vorinstanz lief es bei der Auslegung nach dem Wortlaut der Vorschrift zunächst darauf hinaus, dass es auf die Erforderlichkeit eines häuslichen Arbeitszimmers nicht ankommt. Aus Düsseldorfer Sicht war aber sowohl aus der Entstehungsgeschichte als auch aus dem Sinn und Zweck der seit dem 1.1.1996 geltenden Regelungen zur eingeschränkten Abzugsfähigkeit von Arbeitszimmern zu folgern, „dass ein Aufwendungsabzug nur dann erfolgen darf, wenn das Arbeitszimmer tatsächlich für die Einkünfteerzielung erforderlich ist. Die Begrenzung der Abzugsmöglichkeit für Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer dem Grunde nach war eine Reaktion des Gesetzgebers auf eine durch den Fiskus nicht kontrollierbare und ausufernde Geltendmachung entsprechender Aufwendungen. … Eine Nachprüfung dieser Nutzung durch die Finanzbehörde ist aber wegen des Schutzes der Wohnsphäre durch Art. 13 GG wesentlich eingeschränkt oder gar unmöglich; einzig die Inaugenscheinnahme eines als Arbeitszimmer deklarierten Raumes in den Wohnräumen ohne vorherige Benachrichtigung könnte im Einzelfall zur Aufklärung verhelfen“. Um einen Missbrauch dergestalt zu vermeiden, dass Kosten der privaten Lebensführung in den beruflichen Bereich verlagert werden, hielt es das Finanzgericht vor diesem Hintergrund dann doch für sachgerecht, auf die Erforderlichkeit des Aufwands abzustellen.

Der BFH urteilte konträr und hielt den Düsseldorfer Richtern eben dieses Abstellen auf die Erforderlichkeit unter Rückgriff auf zeitliche Nutzungsanteile als Fehlleistung vor und verlangt eine neue Aufarbeitung des Sachverhalts mittels Zurückverweisung. Worauf soll sich die Praxis nun einstellen?

 

 

 

Grundregeln zum Abzug von Arbeitszimmeraufwendungen (vgl. BFH-Urteil vom 3.4.2019)

  • Nach § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 1 EStG kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht als Werbungskosten abziehen.
  • Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 € begrenzt (S. 3 HS 1).
  • Die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (S. 3 HS 2).
  • Häusliches Arbeitszimmer im Sinne des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG ist ein Raum, der seiner Ausstattung nach der Erzielung von Einnahmen dient und ausschließlich oder nahezu ausschließlich zur Erzielung von Einkünften genutzt wird. Ein häusliches Arbeitszimmer ist seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden und dient vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher, verwaltungstechnischer oder -organisatorischer Arbeiten.
  • Ein solcher Raum ist typischerweise mit Büromöbeln eingerichtet, wobei der Schreibtisch regelmäßig das zentrale Möbelstück ist. Entspricht ein Raum nach seinem äußeren Bild durch seine Einrichtung mit Büromöbeln dem Typus des Arbeitszimmers, muss er überdies (nahezu) ausschließlich zur Erzielung von Einkünften genutzt werden.
  • Aufwendungen für gemischt genutzte Räume, die in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden sind und die sowohl zur Erzielung von Einkünften als auch in mehr als nur untergeordnetem Umfang zu privaten Zwecken genutzt werden, sind hingegen insgesamt auch nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG nicht abziehbar.

 

 

 

Lösung

Der BFH kommt nach grundsätzlichen – aber kompakt gehaltenen und deshalb hier im Merkkasten aufgeführten – Ausführungen zu den Voraussetzungen der Abzugsfähigkeit von Arbeitszimmeraufwendungen zu folgendem Ergebnis: Das FG erachtet rechtsfehlerhaft die Erforderlichkeit des Arbeitszimmers für die Tätigkeit der Klägerin (Stewardess) als maßgebend. Darauf, dass diese die Arbeiten, für die ihr kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand, am Küchentisch, im Esszimmer oder in einem anderen Raum hätte erledigen können, kommt es nicht an.

Das FG habe zwar den Umfang der Arbeiten festgestellt, für die der Klägerin kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand. Es habe aber Feststellungen unterlassen, ob der Raum im Streitjahr tatsächlich wie behauptet (nahezu) ausschließlich zur Einkünfteerzielung verwendet wurde oder aber neben der einkünfterelevanten Nutzung eine schädliche private (Mit-)Nutzung vorlag.

Kommt das FG unter Beachtung der Regelungen zur Darlegungs- und Beweislast zu dem Ergebnis, dass etwaige sonstige private Tätigkeiten in dem streitigen Raum im Verhältnis zur steuerrelevanten Nutzung des Arbeitszimmers als untergeordnet einzustufen sind und der Raum ausschließlich oder zumindest nahezu ausschließlich zur Erzielung von steuerbaren Einnahmen genutzt worden ist, sind die Aufwendungen für das streitige Zimmer als häusliches Arbeitszimmer zu berücksichtigen.

Gelangt das FG hingegen zu der Erkenntnis, dass ein nicht unerheblicher Anteil der Nutzung des Arbeitszimmers auf andere private Tätigkeiten (z.B. Erledigung privater Korrespondenz, Aufbewahrung privater Unterlagen) entfällt, scheidet nach den Grundsätzen der Entscheidung des Großen Senats des BFH in BStBl. II 2016, 265, ein Abzug der Aufwendungen mangels Vorliegen eines häuslichen Arbeitszimmers sowie wegen gemischter Nutzungder Arbeitsmittelaus.

 

 

 

Praxishinweise:

  • Nicht erforderlich, aber abzugsfähig – Die etwas haarspalterisch anmutende Zurechtweisung der Düsseldorfer FG-Richter mag man zunächst begrüßen, weil nun vom BFH eine Abzugsfähigkeitstür geöffnet wurde, doch bekanntlich lacht am besten, wer zuletzt lacht. Und wenn die Überprüfung der tatsächlichen Nutzung tatsächlich – wie vom FG beargwöhnt – dazu führen sollte, dass das Instrument der Inaugenscheinnahme vermehrt Anwendung finden sollte, könnte sich mancher Steuerpflichtige ob der damit verbundenen weiten Blickwinkel von finanzbehördlichen Prüferaugen schnell auf der Verliererseite wiederfinden – Erfahrungen mit unangemeldet anwendbaren Instrumenten wie der Kassen- oder Umsatzsteuer-Nachschau belegen das.
  • Beispielsweise führt der entschiedene Fall dazu, dass damit nicht nur die Tätigkeiten der klagenden Stewardess, sondern auch die des Ehemanns mit in den Blick geraten, weil sich das fragliche Arbeitszimmer im gemeinsam genutzten Einfamilienhaus befindet. Das wird nicht jedem gefallen, zumal wenn mancher womöglich die häufigen Abwesenheiten der Ehefrau nicht nur zu steuerschädlichem, sondern auch zu ehebrüchlichem Treiben ausgenutzt haben könnte und Steuerprüfer ohne Rücksicht auf Flugplanzeiten anklopfen.
  • Da ist also auch ohne Bezug auf Ehepflichten manches steuerliche Eigentor möglich, weshalb Steuerpflichtigen immer zu empfehlen ist, nicht nur die Absetzbarkeit von Aufwendungen an sich, sondern auch Folgewirkungen im Blick zu behalten. Dies gilt umso mehr, wenn es um relativ geringfügige Summen wie hier des gedeckelten Betrags für ein Arbeitszimmer geht und wenn infolge des Ansatzes eines Fragezeichen hervorrufenden Abzugspostens auch andere steuerlich relevante Problemfälle aufgerollt werden könnten.
  • Tatsächlich könnte man sich ja fragen, was Stewardessen oder Stewards so umfangreich vorzubereiten haben, dass dies die Vorhaltung eines Arbeitszimmers, das ca. 10% der Wohnfläche oder mehr beansprucht, ohne wesentliche private Mitbenutzung rechtfertigt. In ähnliche Konstellationen eingebundene Controller und Bilanzbuchhalter hätten hier berufsbedingt eine bessere Argumentationsbasis, sollten aber auch darauf achten, nicht derart große Kostenblöcke absetzen zu wollen, dass Zweifel genährt werden, die BC-Lesern schon andernorts nahegebrachte Columbo-Spürnasen in Fiskus-Amtsstuben auf den Plan rufen (siehe zum Home Office hier).

 

 

Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld

 

BC 8/2019

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